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Spanien
Lehren aus der portugiesischen Linkskoalition

In Spanien geht die Suche nach einer Regierung weiter. Der spanische Sozialistenchef Pedro Sánchez erwägt dabei ein Bündnis mit der linken Protestpartei Podemos und weiteren kleineren Parteien. Dabei blickt er ins benachbarte Portugal, denn dort gibt es ebenfalls ein Linksbündnis - wenn auch die Erfahrungen dort nicht komplett übertragbar sind.

Von Tilo Wagner | 26.01.2016
    Der Kandidat der spanischen Sozialisten bei der Parlamentswahl, Pedro Sanchez, während einer Wahlkampf-Veranstaltung im spanischen Zaragoza.
    Der Kandidat der spanischen Sozialisten bei der Parlamentswahl, Pedro Sanchez, während einer Wahlkampf-Veranstaltung im spanischen Zaragoza. (picture alliance / dpa / Javier Cebollada)
    Eine herzliche Umarmung, ein Gruß auf Spanisch, ein breites Lächeln für Kameras und Fotografen. Als der portugiesische Premierminister António Costa den Chef der spanischen Sozialisten, Pedro Sánchez, vor knapp zwei Wochen in Lissabon begrüßte, waren sich beide Politiker des symbolischen Charakters ihrer Begegnung bewusst. Sánchez wollte von Costa erfahren, wie dieser das Linksbündnis in Portugal geschmiedet habe. Denn die Sozialisten in Madrid befinden sich nach den Parlamentswahlen in einer ähnlichen Situation wie die portugiesische Bruderpartei: Eine große Koalition mit den Konservativen wollen sie anscheinend nicht, ein Bündnis mit radikaleren Linksparteien dagegen scheint möglich.
    Sánchez' Blick nach Lissabon sei keine Überraschung, sagt der Zeithistoriker und politische Kommentator José Pacheco Pereira. Denn in Portugal habe Premierminister António Costa eine Kehrtwende vollzogen, die für die sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien in Europa Vorbild sein könnte:
    "Was im kleinen Portugal passiert, spielt in Europa eigentlich kaum eine Rolle. Wenn aber Spanien nun auch aus dem Kreis der konservativ regierten Länder herausfallen würde, hätte das viel größere Konsequenzen. Hier zerbricht eine politische Konstellation, die während der Krise in vielen Ländern Europas bestimmend war: Die Konservativen waren an der Macht. Und die sozialistische Opposition gab klein bei und wehrte sich nicht direkt gegen die Sparpolitik."
    Widerstand gegen die Sparpolitik als Kitt
    António Costa wird seinem iberischen Freund Sánchez wohl insbesondere eine Botschaft mitgegeben haben: Der Widerstand gegen die Sparpolitik ist der Kitt, mit dem ein Linksbündnis zusammengehalten wird. In den vergangenen Tagen ist jedoch deutlich geworden, wie schwierig es der sozialistischen Regierung fällt, den europäischen Partnern den Sinneswandel in Lissabon zu erklären. Portugal hat erst jetzt den Haushaltsentwurf für 2016 in Brüssel vorlegen können. Finanzminister Mário Centeno, ein in Harvard promovierter Wirtschaftswissenschaftler, übernimmt dabei die Grundzüge der Haushaltspolitik aus dem Wirtschaftsprogramm der Sozialisten.
    Der Haushalt stütze sich auf zwei Säulen, so Centeno: Steuern senken, und die Gehalts- und Lohnkürzungen der vergangenen Jahre rückgängig machen. So wollen die Sozialisten den Konsum und damit die Wirtschaft ankurbeln, was wiederum mehr Geld in die Staatskassen spülen würde.
    Laut portugiesischen Medienberichten bezweifelt die EU-Kommission jedoch, dass die portugiesische Wirtschaft um die angestrebten 2,1 Prozent wachsen werde. Brüssel weist auf die Gefahr hin, dass das Haushaltsdefizit bei schwächerem Wachstum und fehlenden Steuereinnahmen wieder über der Höchstgrenze von drei Prozent klettern könnte. Ganz ohne Steuererhöhungen kommt die sozialistische Regierung schon jetzt nicht aus: Die Abgaben auf Mineralöl, Tabak und auf kurzfristige Darlehensgeschäfte sollen ansteigen.
    Druck auf portugiesische Kommunisten nimmt zu
    Inwieweit die kleineren Linksparteien einen Haushalt mittragen, der in Brüssel grundlegend nachverhandelt werden könnte, ist bisher unklar. Insbesondere die kommunistische Partei steckt in der Krise. Bei den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag kam ihr Kandidat auf nicht einmal vier Prozent – ein denkbar schlechtes Ergebnis. Der Druck auf die kommunistischen Parlamentarier nimmt zu, ihre härtere Gangart gegenüber Brüssel deutlich zu machen, um nicht noch weiter an Profil zu verlieren.
    Der Politologe José Maltez findet jedoch, dass die portugiesischen Kommunisten wesentlich glaubwürdigere Partner seien als die spanische Protestpartei Podemos, mit denen der spanische Sozialistenchef Sánchez paktieren müsste:
    "Portugals sozialistische Minderheitsregierung befindet sich weiter in ruhigem Fahrwasser. Denn wir haben hier kein Syriza und kein Podemos. Wir haben die kommunistische Partei. Das ist zwar die einzige verbliebene stärkste stalinistische Partei in Europa – aber sie hält sich an das, was sie verspricht. Und sie trägt durch ihre Beziehungen zu den Gewerkschaften dazu bei, dass es zu keinem Aufstand auf der Straße kommt. Sozialistenchef Costa weiß ganz genau, dass die Kommunisten ihre Versprechen halten, selbst wenn sie in den sauren Apfel beißen müssen."
    Und hier wird noch ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen Portugal und Spanien deutlich, der erklärt, warum ein Linksbündnis in Lissabon leichter zu schmieden ist. Die kleinere iberische Nation ist in sich geschlossen, es gibt keine Regionen mit Abspaltungsgedanken wie in Spanien. Denn in Madrid steht nicht das Ende des Sparkurses zur Debatte, sondern die Frage, wie ein mögliches spanisches Linksbündnis mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens umzugehen gedenkt.