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Spanien
Schwester des Königs vor Gericht

Die spanische Infantin Cristina muss sich gemeinsam mit ihrem Mann vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung. Damit steht erstmals eine nahe Verwandte des Königs von Spanien vor Gericht - von den Geschäften ihres Mannes will die Infantin nichts gewusst haben.

Von Hans-Günter Kellner | 11.01.2016
    Die spanische Prinzessin Cristina und ihr Ehemann Inaki Urdangarin müssen vor Gericht aussagen.
    Die spanische Prinzessin Cristina und ihr Ehemann Inaki Urdangarin müssen vor Gericht aussagen. (dpa/picture-alliance/Juan Herrero)
    Das größte Medienereignis seit Jahren auf Mallorca wirft seine Schatten voraus. Im spanischen Radiosender Cadena Ser diskutieren die Journalisten seit Tagen über das Korruptionsverfahren Noos und die Anklage gegen die Infantin Cristina. Dabei fällt auf: Kaum jemand äußert sich besorgt über einen möglichen Prestigeverlust für das Königshaus, viele zeigen sich sogar erleichtert:
    Journalistin: "Wenn dieses Verfahren jetzt endlich durchgezogen wird, darf man diesem Land auch einmal Beifall klatschen. Es wird ein Zeichen gesetzt: Wir leben nicht in dem schlechtesten Land der ganzen Welt. In der Schweiz versickert Geld auf Nummernkonten, die britische Königsfamilie musste sich noch nie vor Gericht verantworten. Wir wissen nicht, was passieren wird, aber das Verfahren wird sicherstellen, dass sich solche Fälle nicht mehr wiederholen."
    Ein gerechtes Verfahren wünschen sich die Diskussionsteilnehmer auch für Cristina de Borbón – nur eine der insgesamt 18 Angeklagten. Die Schwester von König Felipe VI. wird beschuldigt, als Mitinhaberin eines Firmennetzwerks gemeinsam mit ihrem Ehemann und anderen Teilhabern 340.000 Euro Steuergelder hinterzogen zu haben. Politiker sind ebenfalls angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Zu einem gerechten Verfahren gehört aber auch ein Richter, der unabhängig vom Druck von Politik und Öffentlichkeit handelt - in einem Verfahren gegen die Schwester von König Felipe VI. ist das kein leichtes Unterfangen, erklärt Rafael Escudero, Rechtsphilosoph an der Carlos-III-Universität von Madrid:
    "Es ist unmöglich, dass ein Richter bei der Urteilsfindung seine eigenen Wertevorstellung völlig ausblendet. In der Rechtsphilosophie sprechen wir die vom Entdeckungs- und Begründungszusammenhang. In den Bereich der Entdeckung fallen alle Aspekte, aufgrund derer ein Richter zu einem Urteil findet. Dazu gehören auch subjektive Dinge wie Antipathie oder Sympathie. Bei der Begründung haben solche Dinge aber nichts verloren. Ein Richter darf also keine Entscheidung fällen, weil er dies oder jenes im Fernsehen gesehen hat, weil er einen Angeklagten sehr mag oder nicht leiden kann. Denn es wäre keine juristisch begründete, keine gerechte Entscheidung."
    Verteidigung fordert Einstellung des Verfahrens
    Ob das Gericht die Beweise gegen Cristina de Borbón überhaupt prüft, ist allerdings noch nicht sicher. Denn die Staatsanwaltschaft will sie gar nicht anklagen. Auch das Finanzministerium als Geschädigter will kein Strafverfahren. Lediglich die Popularklägerin – eine kleine Gewerkschaft – fordert acht Jahre Haft. Ob nach der Strafprozessordnung dann überhaupt noch ein Verfahren möglich ist - wenn also weder Staatsanwaltschaft noch Geschädigte anklagen - darüber wird am ersten Verhandlungstag entschieden. Die Verteidigung fordert für Cristina de Borbón die Einstellung des Verfahrens. Für den Juristen Escudero sind das Verhalten der Staatsanwaltschaft und des Fiskus ein Skandal:
    "Zum einen, weil die Finanzverwaltung sich hier nicht als Geschädigte sieht, obwohl es um einen Millionenbetrag geht. Es ist aber auch schwerwiegend, weil die Staatsanwalt kein Verfahren will. Wir brauchen hier dringend eine Verfassungsreform. Bei uns ernennt die Regierung den Generalstaatsanwalt. Und der entscheidet, ob seine Behörde anklagt oder nicht. Dass sich die Anklagebehörde so passiv verhält, ist unerklärlich und greift die Prinzipien unserer demokratischen Grundordnung an."
    Kommt es zum Verfahren, wird die Verteidigung sich darauf stützen, dass die Infantin zwar formal ihre Unterschrift geleistet hatte, aber in Wahrheit nichts von den Geschäften gewusst habe und schon gar nichts von gefälschten Rechnungen für öffentliche Behörden in Millionenhöhe.
    Klares Signal an Steuerhinterzieher im ganzen Land
    Escudero: "Einer unserer Rechtsgrundsätze ist, dass eine Unterschrift absolut entscheidend ist. Bei uns ist es fast unmöglich, eine Unterschrift wieder rückgängig zu machen. Da ist es schon extravagant, zu sagen, man habe hier nur unterschrieben, aber sonst nichts mit den Geschäften zu tun gehabt. Außerdem, ein anderes Rechtsprinzip sagt ja: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht."
    Doch egal wie das Verfahren ausgeht: Das Bild der Schwester des Königs auf der Anklagebank setzt ein wichtiges Zeichen, sind sich die Journalisten in den Talkrunden im spanischen Radio sicher:
    Journalist: "Das hier ist jetzt der bekannteste Skandal um Korruption und Steuerhinterziehung, aber längst nicht er einzige. Die Untersuchungsrichter gehen längst viel entschlossener in solchen Fällen vor. Den Politikern ist klar geworden: Wenn ich in die öffentliche Kassen greife, erwischen die mich."