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Spanien vor Neuwahlen?
Podemos will Mitglieder befragen

Vier Monate nach den Parlamentswahlen in Spanien befragt die linke Partei Podemos ihre Mitglieder, ob sie eine Minderheitsregierung aus Sozialisten und Liberalen unterstützen soll, ohne selbst Minister zu stellen. Weite Teile der Basis lehnen das aber ab. Damit könnten Neuwahlen drohen.

Von Hans-Günther Kellner | 18.04.2016
    Zu sehen in einer Reihe sind Mitglieder der Partei "Podemos", die ihre Arme in die Luft recken. Auch Parteichef Pablo Iglesias ist dabei (dritter von links).
    Die spanische Partei "Podemos" und ihr Chef Pablo Iglesias (3. v. li.) feierten am 20. Dezember den Erfolg bei der Parlamentswahl. (picture-alliance / dpa / Juanjo Martin)
    Rund 50 Mitglieder von Podemos sind ins Stadtteilrathaus von Alcalá de Henares bei Madrid gekommen. Die Basis wird gefragt, ob sie ein Koalitionspapier von der liberalen Partei Ciudadanos und den Sozialisten als Grundlage für Regierungsverhandlungen akzeptiert - oder die ablehnende Haltung der Parteiführung ratifiziert. Die Mitglieder scheinen sich einig zu sein, auch in ihrem Urteil über Sozialistenführer Pedro Sánchez:
    "Der sollte weniger vor den Kameras sprechen, sondern am Verhandlungstisch. Da zeigt er ein ganz anderes Gesicht. Von Ciudadanos hätten wir nichts anderes erwartet. Sie haben ja auch gegen unser Sozialhilfegesetz gestimmt."
    "Wären wir für dieses Programm, hätten wir die Sozialisten oder Ciudadanos gewählt. Wir sind Podemos und verteidigen unser Programm."
    "Wenn wir für dieses Abkommen stimmen, sind wir in der Hand von Ciudadanos. Bei jeder Meinungsverschiedenheit werden sie sagen: ‚Ihr habt doch dafür gestimmt.‘ In Wahrheit will Ciudadanos nichts von uns wissen. Warum sollte ich für diese Option stimmen?"
    "Neuwahlen sind eine schlechte Nachricht"
    Die ablehnende Haltung betrifft weite Teile der Basis. Zu stark ist die Ablehnung gegenüber der mal als neoliberal, mal als Verbündeter des Großkapitals bezeichneten Partei Ciudadanos. So geht es zwar bei der Mitgliederbefragung formal darum, wie die Partei über eine mögliche Regierungsbildung verhandeln soll. Doch letztlich geht auch die Parlamentsabgeordnete Tania Sánchez von Neuwahlen aus:
    "Neuwahlen sind eine schlechte Nachricht. Aber wir haben keine Angst. Mit dieser Mitgliederbefragung können wir sagen: Uns haben fünf Millionen Menschen mit einem bestimmten Ziel gewählt. Dieses Ziel geben wir nicht auf. Die Medien konstruieren einen Konflikt darum, wer sich in diesem Streit dialogbereiter zeigt, wer arroganter oder wer für einen Bruch verantwortlich ist. Wir sagen darum basta. Geben wir die Frage an die Basis weiter. Wollen die Leute von Podemos wirklich, dass wir einen Pakt zwischen Sozialisten und Ciudadanos unterstützen? Dann sollen sie es sagen. Oder wollen sie, dass wir unseren eigenen Weg gehen?"
    Neuwahlen sehen viele bei Podemos als neuen Anlauf für das große Ziel, stärkste Kraft im linken Lager zu werden. Das könnte Podemos sogar dann erreichen, wenn Spaniens Konservative weiterregieren, erklärt Pablo Simón, einer der gefragtesten Politologen Spaniens.
    "Podemos weiß, dass eine Große Koalition der beste Weg ist, diese Vormachtstellung im linken Lager zu erlangen. Podemos wäre dadurch schließlich die größte Oppositionspartei. Nach Neuwahlen wird der Druck auf die Sozialisten groß, die Konservativen regieren zu lassen, entweder mit einer Großen Koalition oder durch eine Stimmenthaltung. Darauf spekuliert Podemos."
    Während der amtierende Regierungschef Mariano Rajoy darauf wartet, dass der Streit unter den Linken zu Neuwahlen führt, die ihn letztlich in seinem Amt bestätigen könnten. Denn sowohl die Meinungsforscher als auch Simón gehen von einer sinkenden Wahlbeteiligung aus, die wohl Rajoys Konservative begünstigen würde. Auch wenn es weiterhin keine eindeutigen Mehrheiten geben wird:
    "Die Parteien werden sich auch nach Neuwahlen wieder verständigen müssen. Aber wenn der Block Volkspartei-Ciudadanos zusammen regieren kann, dann wird es da eine Einigung geben. Verhandlungen im linken Lager werden schwieriger sein. Aber wir können auch sicher sein: Die Karten werden kein drittes Mal neu gemischt. Sie sind dann verteilt, damit müssen die Parteien dann spielen."
    Ablehnung eines Dreiparteienbündnisses erwaretet
    Bei der Mitgliederbefragung von Podemos wäre alles andere als eine breite Ablehnung eines Dreiparteienbündnisses aus Sozialisten, Ciudadanos und Podemos eine große Überraschung. Bei der Versammlung in Alcalá de Henares appelliert nur ein Mann dafür, Neuwahlen zu verhindern:
    "Ich spreche nicht davon, für Ciudadanos zu stimmen. Ich sage, dass wir eine Regierung brauchen, notfalls eben mit uns und Ciudadanos. Dieses Land kommt nicht vorwärts, den Menschen geht es sehr schlecht. Und das bei der neuen Krise, die auf uns zukommt! Um welchen Preis verweigern wir uns? Es wird Neuwahlen geben und das Ergebnis wird das gleiche sein."