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Baustoff-Innovation
Textilbeton aus nachwachsenden Rohstoffen

Textilbeton, der Carbon- oder Glasfasergewebe enthält, ist sehr teuer und in seiner Herstellung CO2-intensiv. Doch das Fraunhofer-Institut für Holzforschung hat nun erstmals Textilbeton mit Naturfasern entwickelt, der eine kostengünstigere und umweltfreundliche Alternative darstellen könnte.

Von Maren Schibilsky | 27.11.2018
    Saatlein, Saat-Lein, Gemeiner Lein, Gewoehnlicher Lein, Flachs (Linum usitatissimum), Flachfasern | common flax (Linum usitatissimum), flax fibers | Verwendung weltweit
    Am Fraunhofer-Institut für Holzforschung arbeiten Ingenieure an der Entwicklung eines innovativen Textilbetons, der Naturfasern wie Flachs enthält und damit weitaus umweltfreundlicher ist als der bisher erhältliche (picture alliance / blickwinkel/R. Koenig)
    Seit einem dreiviertel Jahr läuft der Betonmischer im Baustofflabor an der Hochschule Magdeburg-Stendal auf Hochtouren. Immer wieder rühren die Bauingenieure Marco Wolf und Jan Binde Gesteinskörnung mit Wasser und diversen Zusatzmitteln an – für einen Hochleistungsbeton mit extrem feiner Körnung. Den haben sie extra für ihren neuen Baustoff entwickelt: einen Textilbeton mit Naturfasern.
    Der bringt enorme Herausforderungen mit sich – meint Projektleiter Marco Wolf.

    "Ich muss die Grenzflächen zwischen dem Beton und der Faserstruktur genau kennen beziehungsweise erforschen, um dann ein sauberes Gefüge herzustellen. Ein zweites Problem gerade bei Naturfasern ist das alkalische Milieu des Betons, der in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass Naturfasern sich auflösen in der Struktur und deshalb bisher nicht genutzt wurden."
    Immer wieder haben die beiden Ingenieure vom Fraunhofer Institut für Holzforschung in Braunschweig kleine Betonquader gegossen, in denen sie ein Textilgewebe aus Flachs eingelegt haben. Dabei erhöhten sie die Dichte des Betons immer mehr, damit keine Feuchtigkeit an die Naturfaser kommt oder der Flachs keinen chemischen Angriffen ausgesetzt ist – erzählt Betontechnologe Jan Binde.
    "Flachs zeigt sehr gute Eigenschaften, abgesehen davon, dass wir ihn in Deutschland regional verfügbar einsetzen können und die Transportkosten dafür auch gering sind, was sich auf die CO2-Bilanz auswirkt."
    Schlechte CO2-Bilanz soll verbessert werden
    Vor allem die schlechte CO2-Bilanz von Textilbeton wollten die Forscher mit ihrer Neuentwicklung verbessern. Denn verglichen mit klassischem Stahlbeton entsteht bei der Herstellung eines Textilbetons ähnlicher Festigkeit weniger Kohlenstoffdioxid. Außerdem wollen die Forscher den Baustoff kostengünstiger und recycelbar machen im Vergleich zu heutigem Textilbeton mit Carbon- oder Glasfasergeweben. Bauingenieur Marco Wolf:

    "Wenn ich eine Naturfaser nehme, die praktisch schon nicht mal CO2-belastet ist, und die über eine konventionelle Webmaschine, die ich auch in der Textilbranche benutze, herstellen kann, dann habe ich natürlich auch nochmal eine CO2-Einsparung. Wenn ich diese beiden Sachen kombiniere, dann ist das der maßgebliche Punkt und das führt natürlich auch zu Kosteneinsparungen."

    Hinzu kommt, dass Textilbeton aufgrund seiner geringen Materialstärken besonders effizient ist. Eine Stahlbetonbrücke von 15 Metern Länge muss aus Stabilitätsgründen circa 40 Zentimeter dick sein. Das Pendant mit Flachsgewebe nur ungefähr 15 Zentimeter, erklärt Jan Binde.
    Immer wieder haben die Forscher die Druck- und Zugfestigkeit ihres neuen Baustoffs optimiert. Jetzt arbeiten sie am Prototyp einer ersten naturfaserverstärkten Betonbrücke. Einer gekrümmten Brücke von zwei Metern Spannweite, die im Januar 2019 der Baubranche vorgestellt werden soll, so Marco Wolf – um sie für den innovativen Werkstoff zu begeistern.
    "Wenn man sich so eine gekrümmte Brücke vorstellt: Das ist im Stahlbetonbau schon aufwendiger. Das ist im Naturfaserbetonbau einfacher lösbar, weil man das Textil entsprechend bewegen kann, formen kann. Das ist auch ein Vorteil von Hochleistungsbetonen, weil die sehr dünnflüssig und selbstverdichtend sind. Da kann ich solche Brückenelemente relativ gut herstellen."
    Einsatz ist nicht zwingend
    Doch der Einsatz von kostspieligem Hochleistungsbeton ist nicht zwingend – betont Marco Wolf. Die beiden Ingenieure wollen ihren Textilbeton je nach Bauteilanforderung flexibel halten. Man kann auch mit herkömmlichem Beton arbeiten, wenn man das Naturfasergewebe zuvor mit natürlichen Harzen modifiziert.
    "Die Idee soll dahin gehen, dass ich regional verfügbare Naturfasern benutzen kann. Dann muss ich je nach Anwendung den Beton modifizieren bzw. die Faser modifizieren, wenn ich den Beton nicht modifizieren kann."
    Eine Bauzulassung des naturfaserverstärkten Textilbetons steht noch aus.