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Spaniens letzte Männerdomäne
Gastronomische Gesellschaften im Baskenland

Seit über hundert Jahren treffen sich im Baskenland regelmäßig Männer, um gemeinsam zu kochen und zu essen. Hunderte dieser gastronomischen Gesellschaften gibt es in der Region und eins hat sich bis heute nicht geändert: Frauen sind meist lediglich als Gäste zugelassen, die Arbeit am Kochtopf bleibt eine Männerdomäne.

Von Wolfgang Martin Hamdorf | 05.03.2017
    Männer in einem Kochclub in San Sebastian, Spanien
    Im Baskenland ist das Kochen für viele eine Männertradition. ( imago / Christian Thiel)
    Es ist schon dunkel in der Altstadt von San Sebastián. Die Uhr schlägt neun. Rechts geht eine kleine Treppe nach oben. Eine schwere Holztür, auf der Steinmauer steht "Gaztelubide", gegründet 1934. Heute probt der Chor. Sie singen in dem großen langgezogenen Saal mit einfachen Holztischen und einer offenen Küche. Der Chor der "Gaztelubide" nennt sich "Orfeón de la castaña", der "Gesangverein der Kastanie", erzählt Chorleiter José Maria:
    "Die gründeten sich nach einer großen Feier, nach dem Fest des heilige Thomas, am 21. Dezember, da standen sie beisammen und sangen, und weil gerade Kastanien geröstet wurden, gaben sie sich den Namen, aber auch mit Doppelsinn, denn 'castaña', Kastanie, wird auf Spanisch auch das Trinkgelage genannt."
    Getrunken wird auch viel im Laufe des Jahres, traditionell der Sidra, der Apfelwein, aber auch viele Liter Rotwein aus der nahegelegenen Rioja. Das größte Fest für die Kochgesellschaften ist der 20. Januar, der Namenstag der Stadt San Sebastián. Die Trommelumzüge, die "Tamborreas" gehen einher mit zahlreichen Feiern in der Altstadt, auch die "Gaztelubide" ist für jedermann und jede Frau geöffnet.
    "Aus den Kochgesellschaften sind hervorragende Köche hervorgegangen"
    "Señor Camarero, was gibt es heute?", singt der Chor und lässt zahllose Speisen Revue passieren. In den "Sociedades gastronomicas" geht es in erster Linie um das Kochen, unterstreicht Manolo Pajares, ein Veteran der "Sociedad gastronomíca":
    "Viele von uns haben das Kochen nicht zu Hause gelernt, sondern hier. Das habe ich in den fast fünfzig Jahren, die ich hier Mitglied bin, immer wieder gesehen. Man schaut einfach, wie die anderen das machen und versucht es noch zu übertreffen. Aus den Kochgesellschaften in San Sebastian sind hervorragende Köche hervorgegangen."
    Der Ursprung der Kochgesellschaften ist das Meer und es beherrscht auch die Speisekarte:
    "In erster Linie Fisch: Kabeljau und Seehecht, etwa in grüner Soße und viele Meeresfrüchte. Fleisch wird auch serviert, aber der Fisch überwiegt."
    Typische Männerbündelei in elitären Clubs
    250 Mitglieder hat die "sociedad", gekocht wird in kleineren Gruppen, den so genannten "cuadrillas". Es ist ein elitärer Club, bevor niemand ausscheidet oder stirbt, wird auch kein Neuer aufgenommen:
    "Das ist hier wie ein englischer Club, für ganz bestimmte Mitglieder, nur dass wir statt eine Zigarre zu rauchen, die 'Times' zu lesen und am Whiskey zu nippen, kochen oder einfach essen."
    Die Männerkochgesellschaften entstanden in San Sebastian, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, 119 gibt es heute allein in San Sebastian, 634 in der Provinz Guipuzkoa:
    "Mein Großvater war Fischer. Wenn er mit seinem Boot zurückkam, dann brachte meine Großmutter ihm trockene Kleidung und was er sonst noch von zu Hause brauchte. Seine Freunde sagten ihm 'Salva, deine Frau steht draußen!', denn sie durfte nicht hineinkommen. Dann tauschten sie ein paar Worte aus, meine Großmutter ging wieder nach Hause und mein Großvater blieb mit seinen Freunden in der in der sociedad."
    "Im Baskenland sind diese Männerfreundschaften sehr wichtig"
    Eine für die Region sehr typische Männerbündelei, sagt die deutsch-baskische Soziologin Jone Karres:
    "Ich muss sagen, im Baskenland sind auch diese Männerfreundschaften sehr wichtig, dieser Zusammenhalt, sowie in Deutschland vielleicht der Stammtisch, so wird hier eben zusammen gekocht, zusammen gesungen nachdem Essen, alles ganz wichtig. Das ist auch heute noch so, aber mittlerweile ist es auch so, dass auch die Frauen ihr Recht auf Mitgliedschaft reklamiert haben. Das ging dann schon in den 70er- und 80er-Jahren los und es gibt natürlich heute auch gemischte Kochclubs, wo auch Frauen Mitglieder sind."
    Nur noch wenige Gastronomische Gesellschaften halten dagegen am fundamentalistischen Frauenverbot fest. In "Gaztelubide" sind sie schon seit Langem als Gäste willkommen:
    "In den Statuten steht, dass Frauen das ganze Jahr über hier zum Mittagessen kommen können, aber um sechs Uhr abends müssen sie die Sociedad verlassen. An Feiertagen dürfen sie auch zum Abendessen kommen."
    Frauen dürfen mitessen - aber nicht kochen und spülen
    Zum Mittagessen immer und zum Abendessen an Feiertagen, Kochen und Spülen aber nie:
    "Die Frauen dürfen hier seit 40 Jahren zum Essen kommen. Sie können sich einfach setzen, die Speisen essen, die wir zubereitet haben. Wir kochen für sie, wir servieren und selbstverständlich machen wir nachher auch die Küche sauber. Was soll denn daran schlecht sein, kann ich da die Frauen nur fragen?"