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Spaniens Sozialisten in der Krise
Machtkampf um die Parteispitze

Zweimal haben die Spanier in den vergangenen beiden Jahren ein Parlament gewählt. Mit jeder Wahl verschlechterte sich das Ergebnis für die Sozialisten. Nach dem Rücktritt des Generalsekretärs Pedro Sánchez soll der Posten jetzt neu besetzt werden - doch der Wahlkampf ist hart: Sánchez tritt erneut an.

Von Hans-Günter Kellner | 19.05.2017
    Die Kandidaten um die Spitze der PSOE: Susana Diaz (li.) mit Patxi Lopez und Pedro Sanchez (re.) im Mai 2017
    Die Kandidaten um die Spitze der PSOE: Susana Diaz (li.) mit Patxi Lopez und Pedro Sanchez (re.) (imago stock&people)
    Es war eine harte Debatte der drei Kandidaten um das Amt des Generalsekretärs der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Mehrere Fernseh- und Rundfunkanstalten übertrugen live. Pedro Sánchez griff seine Rivalin Susana Díaz hart an und warf ihr zum Beispiel eine unklare Haltung in der Frage möglicher Unabhängigkeitsreferenden im Baskenland oder Katalonien vor. "Lüg doch nicht, mein Schatz", unterbrach Díaz dabei immer wieder ihren Kontrahenten:
    "Ich könnte jetzt daran erinnern, wie Susana am 3. Oktober 2013 Zapatero beschuldigt hat, das katalanische Autonomiestatut akzeptiert zu haben. Oder wie sie am 10. November 2014 gesagt hat, dass die Nation unteilbar, aber der Begriff Nation verhandelbar ist. Aber ich werde es nicht machen."
    Die politische Macht schwindet
    Szenenwechsel: Ein Café in der Nähe des spanischen Parlaments. Der sozialistische Abgeordnete Ignacio Urquizu steht nicht zur Wahl, in großer Sorge ist er dennoch. "Die sozialistische Partei ist tot", steht in großen Lettern auf der Titelseite der spanischen Tageszeitung El País, die auf dem Tisch liegt. Das Zitat des französischen Ex-Premiers Manuel Valls ist auf die Genossen in Frankreich gemünzt, doch Urquizu meint mit Galgenhumor: "Hoffentlich sagt das demnächst nicht einer von uns."
    "Derzeit läuft es nicht in die richtige Richtung. Die Leute sind über die Partei sehr verärgert. Wir sind alle verärgert. Die einen über die Vorgänge, die zum Rücktritt des Generalsekretärs am 1. Oktober geführt haben, die anderen darüber, dass wir nur noch 84 Abgeordnete haben. Aber nur mit Verärgerung finden wir zu keiner Lösung. So macht Podemos Politik. Wenn wir immer nur den Ärger anheizen, spielen wir keine gute Rolle in der Politik."
    Die Partei ist gespalten
    Damit spielt Ignacio Urquizu auf Pedro Sánchez an, der im Oktober die Unterstützung des Parteirates verloren hatte. Weil Sanchez nicht bereit war mit einer Stimmenthaltung die Wahl des Konservativen Mariano Rajoy zum Ministerpräsidenten zu ermöglichen – wie es letztlich kam. Sánchez trat als Generalsekretär zurück, die Partei wird seither nur von einer kommissarischen Geschäftsführung geleitet und ist gespalten. Die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei unterstütze Rajoy zum Nulltarif, werfen ihr seither Sánchez und ein Teil der eigenen Basis vor:
    "Der Vorwurf ist schnell erhoben. Aber wir unterstützen Rajoy nicht. Wir haben nur keine Mehrheit für eine Alternative zu Rajoy. Weil die beiden anderen Parteien Podemos und Ciudadanos nicht gemeinsam mit uns regieren wollen. Weil die Nationalisten uns nur unterstützen wollen, wenn wir Unabhängigkeitsreferenden zulassen. Wir haben nun mal keine 180 Ja-Stimmen hinter uns."
    Andalusien steht hinter Díaz
    Die große Gegenspielerin von Sánchez ist die andalusische Ministerpräsidentin Susana Díaz. Der 42-Jährigen wird nachgesagt, bei der Ablösung von Sánchez im Oktober die große Strippenzieherin im Hintergrund gewesen zu sein. Fest steht: Der mitgliederstärkste Landesverband, Andalusien, steht geschlossen hinter hier. Auch Ignacio Urquizu unterstützt sie:
    "Sánchez repräsentiert etwas anderes als wir Sozialisten bisher waren. Sein Parteimodell ähnelt mehr Podemos als unserer Partei. Es geht um direkte Demokratie gegen repräsentative Demokratie. Seine politische Strategie baut auf Misstrauen auf. Wie bei Podemos geht es um ein Misstrauen gegen angebliche Eliten, die gegen die kleinen Leute konspirieren. Er will die Partei auf ein neues Terrain führen. Ich fühle mich wohler auf dem Terrain der Reflektion, der Argumente und mit den Menschen, mit denen ich schon mein ganzes Leben über Politik gesprochen habe."
    Ist die repräsentative Demokratie in einer Krise?
    Dass die repräsentative Demokratie tatsächlich in der Krise ist, davon ist Urquizu hingegen überzeugt. Als Reaktion darauf hätten viele spanische Parteien eine Mitgliederbefragung über die Parteichefs eingeführt. Doch das Verfahren polarisiert. Manche Mitglieder beklagen, dass sie sich früher trotz heftiger Diskussionen spätestens an der Kneipentheke wiedertreffen konnten. Das sei heute unmöglich:
    "Wir wollen dafür arbeiten, dass wir in dieser Partei wieder fair miteinander umgehen. Es war nicht leicht in den letzten Monaten für mich. In manchen Ortsverbänden ist mir alles Mögliche an den Kopf geworfen worden, nur nichts Schönes. Wenn ich jemanden mit diesem Ärger treffe, versuche ich ihn zu verstehen, zu argumentieren und hoffe, dass er dasselbe macht. Wenn wir uns jetzt alle in den Schützengräben verschanzen, dann wird die Zukunft schwierig. Aber es hängt alles von uns selbst ab."