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Spanische Exklave Melilla
Illegales Vorgehen gegen Flüchtlinge?

Die spanischen Behörden gehen am Grenzzaun der Exklave Melilla mit Härte gegen Flüchtlinge vor. Sie schieben viele - auch verletzte - Flüchtlinge sofort ab und bringen sie zurück nach Marokko. Menschenrechtler bezeichnen das als illegal, Spanien will die Praxis nun gesetzlich absichern.

Von Hans-Günter Kellner | 02.01.2015
    Polizisten der spanischen Guardia Civil beobachten, wie afrikanische Flüchtlinge den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla überwinden
    Polizisten der spanischen Guardia Civil beobachten, wie afrikanische Flüchtlinge den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla überwinden (picture alliance / dpa)
    Seit Monaten gibt es Kritik. Immer wieder filmen Menschenrechtsaktivisten, wie die spanische Polizei Einwanderer vom Grenzzaun Melillas zerrt, manchmal regelrecht verprügelt und dann von spanischem Boden nach Marokko schleppt. Auch die EU-Kommission und der Europarat haben diese Praxis schon kritisiert. Der spanische Innenminister Jorge Fernández hat für diese Kritik allerdings nur Sarkasmus übrig:
    "Mit großer Freude werden wir den Bitten Europas nachkommen. Wenn uns jemand verspricht, diese Leute würdig zu behandeln, sie versorgt, ihnen Arbeit gibt, soll er uns seine Adresse geben. Wir werden ihm diese Menschen so schnell wie möglich schicken."
    Spanien könne nicht alle aufnehmen, so die Botschaft. Für Flüchtlingshelfer ist das Vorgehen der spanischen Polizei allerdings nicht nur unmenschlich, sondern auch illegal. José Palazón ist Sprecher der Organisation Prodeim. Sie hat den Oberbefehlshaber der spanischen Grenzeinheiten in Melilla vor Gericht angezeigt.
    "Diese Praxis ist illegal wegen der Gewaltanwendung, weil die Leute nicht identifiziert werden, weil sie keine Chance haben, Asyl zu beantragen, weil ihnen der rechtlich zustehende Rechtsanwalt und ein Übersetzer verweigert werden. Sie können nicht sagen, ob sie Asyl beantragen wollen. Verletzte werden nicht behandelt, sondern abgeschoben."
    Menschenrechtsaktivist: Der Zaun ist das Grundübel
    José Palazón nippt an seinem grünen Tee in einem Café auf dem Platz der Kulturen in Melilla. Er ist einer der bekanntesten Menschenrechtsaktivisten Spaniens. Immer wieder kommt ein kleines Mädchen an den Tisch: "Opa, kaufst Du mir etwas Süßes?", fragt sie. Palazón kennt sie gut. Ihre Mutter war vor Jahren als Minderjährige alleine nach Melilla gekommen. Er und seine Frau haben sich damals um sie gekümmert und pflegen noch heute den Kontakt zu ihr. Er unterstreicht: Die Menschen haben ein Recht auf eine würdige Behandlung.
    "Bei so einer Erstürmung des Grenzzauns kommen die Flüchtlinge nicht mal dazu, "Hallo" zu sagen. Die Gewalt ist in dieser Situation furchtbar, da kann man nichts erklären. Sie werden verprügelt, in Handschellen gelegt, schnell über die Grenze gebracht. Das passiert nicht zufällig, das hat Strategie: Sie sollen keine Chance haben, zum Beispiel zu sagen: 'Ich komme aus dem Norden Malis.'"
    Denn Malier hätten als Kriegsflüchtlinge ein Recht auf politisches Asyl. Stattdessen würden sie nach ihrer Abschiebung direkt hinterm Grenzzaun von marokkanischen Soldaten misshandelt - oft noch vor den Augen der spanischen Polizei. Der Zaun ist das Grundübel, sagt Palazón. Dabei es gibt ihn erst seit 1998:
    "Wenn es einen Zaun gibt, denken sich die Leute, da muss ich hin. Bevor er errichtet wurde, hatten wir diese Probleme nicht. Jetzt gibt es diese Ängste, dass ganz Afrika hierher kommen will. Aber das ist früher ja auch nicht passiert. Früher sind Leute zum Arbeiten gekommen und am Abend wieder zurück nach Marokko. Das war eine gute Situation für alle. Jetzt haben wir den Zaun. Je höher er gebaut wird, je gewalttätiger geht es dort zu, umso mehr Probleme haben wir."
    Amnesty: "Früher oder später wird das Gesetz gekippt werden"
    Palazón wird vorgeworfen, ein Idealist zu sein. Innenminister Fernández hingegen betont, das Problem der Einwanderung praktisch lösen zu müssen. Auf seinen Druck hin haben Spaniens Abgeordnete jetzt die umstrittene Praxis am Zaun mit einer Gesetzesreform legalisiert. Es steht zwar noch das Votum des Senats, der zweiten Kammer aus. Doch Amnesty International plant schon jetzt juristischen Widerstand. Einwanderer könnten klagen oder die EU-Kommission dagegen vorgehen, sagt Sprecherin María Serrano:
    "Der Senat wird das Gesetz sicher durchwinken. Aber früher oder später wird es gekippt werden - vom spanischen Verfassungsgericht, der EU-Kommission oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es widerspricht ja ganz offensichtlich dem Völkerrecht, der spanischen Verfassung und den EU-Abkommen zur Einwanderung und dem Asylrecht. Damit will man eine illegale Praxis legalisieren."