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Spanischer Haushaltsentwurf
Madrid will sich an Euro-Kriterien halten

Anders als die italienische Koalition versucht die spanische Regierung eine Konfrontation mit der EU-Kommission zu vermeiden. Auch ihr Haushaltsentwurf sieht in einigen Bereichen höhere Ausgaben vor, die aber gegenfinanziert werden sollen. Die regierenden Sozialisten werden deshalb sogar von Podemos unterstützt.

Von Hans Günter Kellner | 19.10.2018
    Nadia Calviño, Wirtschaftsministerin Spaniens seit dem 7. Juni 2018 in einer Sitzreihe im spanischen Parlament, am 9. Oktober 2018.
    Nadia Calviño, Wirtschaftsministerin Spaniens seit Juni 2018 (imago stock&people)
    Nadia Calviño war bislang Generaldirektorin für Haushaltsplanung bei der Europäischen Kommission. Seit Juni ist sie jedoch Spaniens Wirtschaftsministerin und soll für den sozialistischen Regierungschef Pedro Sánchez garantieren, dass seine Finanzplanungen auch die kritischen Prüfungen der EU-Kommission bestehen.
    "Eine auf Haushaltsdisziplin ausgerichtete Wirtschaftspolitik steht nicht im Widerspruch mit Maßnahmen, die die sozialen Probleme in unserem Land bekämpfen. Das Wirtschaftswachstum muss bei allen ankommen."
    Dafür will die Ökonomin im nächsten Jahr deutlich mehr ausgeben und mehr einnehmen.
    Rentner und Familien sollen profitieren
    Die Renten werden wieder mit der Inflation wachsen, es wird mehr Geld für die Pflege geben, für Kindergärten, für Stipendien. Vor allem aber wird der Mindestlohn von bislang 736 auf 900 Euro im Monat angehoben. Darauf hat sich Regierungschef Pedro Sánchez mit Pablo Iglesias von der linkspopulistischen Podemos geeinigt. Iglesias meint:
    "Wir mussten auf viel verzichten, das schmerzt. Ich hätte gerne den Mindestlohn auf 1000 Euro angehoben, mehr Steuergerechtigkeit. Ich hätte auch gerne eine Bankensteuer eingeführt. Wir müssen uns mit weniger zufriedengeben. So sind Verhandlungen nun mal. Ich denke, wir können zurückhaltend zufrieden sein."
    Auf der Einnahmenseite stehen Steuererhöhungen, etwa eine Reform der Unternehmensbesteuerung. Bislang bezahlen vor allem große Konzerne in Spanien durch ganz legale Schlupflöcher weniger als 10 Prozent Steuern auf ihre Gewinne, und das obwohl der Unternehmenssteuersatz offiziell bei 25 Prozent liegt. Künftig sollen solche Firmen mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Rafael Doménech von der Bank BBVA bescheinigt der Regierung:
    "Wir halten diesen Haushalt für realistisch. Wir schätzen die Mehreinnahmen vorsichtiger ein. Aber wenn sich alle öffentlichen Verwaltungen an diesen Haushalt halten, sehen wir keine Probleme."
    So gehen auch die Experten der Bank davon aus, dass Spanien sein Haushaltsdefizit im nächsten Jahr von 2,8 auf 2,2 Prozent senken kann.
    Keine italienischen Verhältnisse
    Auch der Politologe Pablo Simón winkt ab: Italienische Verhältnisse seien von Spanien ganz sicher nicht zu erwarten.
    "Da gibt es gar keine Parallelen. Dieser Entwurf setzt zwar neue Prioritäten, etwa bei der Bekämpfung der Kinderarmut oder der Erhöhung des Mindestlohns. Aber da stehen keine verrückten Dinge drin. Allerdings müssen ja auch noch die katalanischen Separatisten zustimmen, die werden sicher noch etwas verändern. Aber gut, die Haushaltskonsolidierung ist auch bei der Regierung Rajoy sehr langsam gewesen. Insgesamt halte ich das für einen konservativen und vernünftigen Entwurf."
    Auffällig ist bei diesen Haushaltsverhandlungen der Kurswechsel von Podemos. Die antikapitalistisch geprägte Partei wollte stets radikale Veränderungen, die Sozialisten als große linke Partei ablösen. Nun gibt sich Parteichef Pablo Iglesias mit weit weniger zufrieden. Politologe Simón dazu:
    "Sie haben eine ähnliche Entwicklung wie die deutschen Grünen hinter sich. Nur was bei den Grünen 15 Jahren gedauert hat, ging bei Podemos in einem halben Jahr. Sie haben eingesehen, dass die Revolution nicht funktioniert, dass sie Kompromisse mit anderen Parteien schließen müssen. Das ist Realpolitik."
    Noch nicht alle Probleme überwunden
    Bislang hat sich Spaniens Regierung allerdings nur mit Podemos über den Haushalt verständigt. Die Zustimmung der baskischen und katalanischen Nationalisten steht noch aus. Und da gibt es ein Problem: Mehrere hochrangige Aktivisten und Politiker der Unabhängigkeitsbewegung sind immer noch in Untersuchungshaft, die Prozesse sollen in Kürze beginnen. Der spanischen Regierung sind die Hände gebunden, sie könne der Justiz nicht sagen, was sie zu tun habe, sagt Politologe Pablo Simón. Dennoch sieht auch er Chancen auf eine Einigung: Eigentlich, sagt er, haben auch die Separatisten kein Interesse an Neuwahlen.