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Sparbeschluss und Parteienzank

Die griechischen Politiker stehen unter doppeltem Druck: Einerseits verlangen die europäischen Partner mehr Sparwillen, andererseits gehen die Menschen in Griechenland auf die Straße und protestieren gegen die ewigen Spardiktate aus Brüssel - aber auch gegen das politische System im eigenen Land.

Von Jannis Papadimitriou | 15.02.2012
    Anny Podimatá gilt als Jungstar der griechischen Sozialisten. Die Journalistin und enge Vertraute des ehemaligen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou sitzt für die sozialistische Partei PASOK im Europäischen Parlament und hat es dort zur Vizepräsidentin gebracht. Ob sie heute noch einmal ins Parlament gewählt würde, ist fraglich. Ihre Partei, die zwei Jahre die griechische Regierung gestellt und die Hauptlast der Sparmaßnahmen getragen hat, ist in den Umfragen tief abgerutscht: von 44 Prozent auf ein Rekordtief von acht Prozent.

    Waren die Rezepte für den griechischen Patienten von Anfang an falsch oder hat die Athener Regierung sie nicht richtig umgesetzt? Die Wahrheit liegt in der Mitte, meint Podimatá:

    "Meiner Meinung nach war das Konsolidierungsprogramm zum Teil schlecht angelegt: Die Sparvorgaben waren zu ehrgeizig, es war einfach unmöglich, sie innerhalb so kurzer Zeit zu erreichen. Natürlich hat auch Griechenland Fehler gemacht. Mit einigen Reformen sind wir nämlich im Verzug. Außerdem haben wir mit den Menschen nicht offen genug gesprochen, über die Ursachen und die Auswirkungen der Krise."

    Auslöser der Krise ist in den Augen vieler Griechen auch die sture Parteipolitik im Land. Nicht nur den Sozialisten wird vorgeworfen, sich lediglich nach der eigenen Klientel auszurichten; auch die konservative Vorgängerregierung habe schlecht gewirtschaftet und dadurch innerhalb von fünf Jahren die Neuverschuldung des Landes verdoppelt. Die Auflagen für das erste Hilfspaket für Griechenland lehnten sie zunächst ab und zogen dadurch den Zorn der europäischen Schwesterparteien auf sich.

    Nun jedoch die Wende: Vergangenen Sonntag stimmten die einstigen Bremser für das zweite Sparpaket im Parlament. Marietta Giannakou, Europaabgeordnete der konservativen Partei "Nea Dimokratia", erklärt den Kurswechsel so:

    "Unsere Partei stimmt für die Sparmaßnahmen, weil das Land am Abgrund steht und seine Schulden ansonsten gar nicht bedienen könnte. Das Sparpaket hat seine Härten und seine Schwächen, aber wir sagen: Eine Lösung mit Zweifeln ist uns lieber als die sichere Katastrophe, nämlich der Bankrott. Nun gilt es, die Strukturreformen voranzubringen. Das haben wir ja auch versucht, als wir an der Regierung waren, aber die Sozialisten haben immer dagegen angekämpft."

    Die meisten Griechen haben mittlerweile genug vom ewigen Parteienzank. Bei den nächsten Parlamentswahlen, die voraussichtlich in wenigen Wochen stattfinden, ist mit dramatischen Veränderungen in der Parteienlandschaft zu rechnen. Schon heute kommen gemäßigte Linke zusammen mit den Kommunisten in den Umfragen auf insgesamt 40 Prozent. Die Linke lockt die Wähler mit einem beinahe unwiderstehlichen Versprechen: Die Sparpolitik sei nicht "alternativlos". Das glaubt auch Nikos Chountis, Europaabgeordnete der linken Partei "Syriza":

    "Als erstes sollte die neue Regierung die Schulden einseitig reduzieren oder sogar streichen, andernfalls können die heutigen Verbindlichkeiten nicht bedient werden. Zudem wollen wir die Banken unter staatliche Kontrolle stellen und für eine Gesamtlösung der Schuldenfrage auf europäischer Ebene kämpfen, etwa indem wir die Europäische Zentralbank einbeziehen."

    Während die griechische Linke die Machtfrage stellt, plädiert die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Anny Podimatá, für die Einführung von Euro-Bonds. Das sei der wichtigste Ansatz zur Lösung der Eurokrise, glaubt die griechische Sozialistin.

    "In Deutschland gibt es ein Missverständnis in dieser Frage. Um das klarzustellen: Es geht uns nicht darum, durch die Hintertür eine Transferunion zu schaffen. Wir wissen, dass Euro-Bonds alleine Europa nicht retten können. Wir sagen aber auch: Sie sind ein wichtiges Instrument gegen die Spekulation, unter der im Moment nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa leidet."

    Wie ernst derzeit die Lage in Griechenland ist, zeigte sich am vergangenen Sonntag in Athen: Während die Volksvertreter über das neue Sparpaket berieten, tobte direkt vor dem Parlament der Aufstand. Wer dafür die Verantwortung trägt? Darüber wird unter den griechischen Politikern heftig gestritten..