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Sparen in Lissabon

Portugal hat sich verpflichtet, das Staatsdefizit in diesem Jahr auf 7,3 Prozent und bis Ende 2011 auf 4,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken. Doch eine veröffentlichte Zwischenbilanz weckt Zweifel, ob Lissabon den Sanierungsplan vollständig umsetzen kann.

Von Tilo Wagner | 23.09.2010
    Die portugiesische Abkürzung FMI, die für Internationaler Währungsfond steht, ist in den vergangenen Tagen von fast allen Oppositionsparteien und Interessengruppen in Portugal als Schlagwort aufgegriffen worden, um die Regierung vor dem Scheitern ihrer Haushaltssanierung zu warnen. Eine gerade veröffentlichte Zwischenbilanz über die portugiesischen Sparmaßnahmen gibt den Skeptikern Recht. Die Neuverschuldung des portugiesischen Staates nahm zwar im August im Vergleich zu den Vormonaten ab. Sie betrug aber mit rund 450 Millionen Euro immer noch 2,7 Prozent mehr als im Defizitrekordjahr 2009. Um die Schuldenlast tragen zu können, ist Portugal auf die Ausgabe neuer Staatsanleihen angewiesen. Gerade gestern hat das Land bereits zum 13. Mal in diesem Jahr Anleihen auf den Finanzmärkten platziert. Doch diese Art der Finanzierung reißt ein noch größeres Loch in die öffentlichen Kassen, denn der Risikoaufschlag auf Portugal-Papiere hat im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen zwischenzeitlich einen Rekordwert erreicht.

    António Sousa, Präsident des portugiesischen Bankenverbandes, hofft dennoch, dass eine Hilfestellung des Internationalen Währungsfonds nicht nötig sein werde:

    "Die Auflagen des IWF würden wesentlich drastischer sein als die gegenwärtigen Sparmaßnahmen. Viele Wirtschaftsexperten glauben, dass sich dieses Szenario nicht mehr abwenden lässt. Wir müssen aber dennoch alles versuchen, um uns davor zu bewahren."

    Ein Sprecher des Internationalen Währungsfonds hatte Anfang der Woche versichert, der IWF sehe hinsichtlich der finanziellen Situation in Portugal keinen Handlungsbedarf. Portugiesische Medien wiesen jedoch prompt daraufhin, dass derartige Zugeständnisse aus Washington auch im Falle Griechenlandes zu vernehmen waren - drei Monate, bevor die Finanzmärkte des Landes zusammenbrachen.

    Portugals sozialistische Minderheitsregierung unter Premierminister José Sócrates ist nun darum bemüht, die internationalen Finanzmärkte zu beruhigen. Kernteile des Haushaltes für 2011 sollen deshalb schon in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.

    Verabschieden kann die Regierung den Budgetplan jedoch nur, wenn Teile der Opposition dem Programm zustimmen. Der Minister im Amt des Premierministers, Pedro Silva Pereira, erinnert die Parteien im Parlament schon jetzt an ihre Verantwortung, Portugals internationalen Ruf nicht aufs Spiel zu setzen:

    "Unsere Regierung hat sich in Brüssel verpflichtet, im Rahmen des Wachstums- und Stabilitätspaktes einen bestimmten Sanierungsplan einzuhalten. Am aller schlimmsten wäre es nun, wenn die Parteien in Portugal einen Haushalt blockieren würden, der jene Strategie umsetzen will. Kein verantwortungsbewusster Politiker würde das zulassen."

    Ob sich die Opposition von derartigen Appellen diesmal überzeugen lassen wird, ist unklar. Oppositionsführer Pedro Passos Coelho hatte noch im Mai das Sanierungsprogramm seiner politischen Widersacher zähneknirschend gebilligt. Doch jetzt ließ er erkennen, dass die Zustimmung seiner sozialdemokratischen Partei kein Selbstläufer ist. Coelho wirft der Regierung vor, die Öffentlichkeit in die Irre führen zu wollen, wie etwa bei der Bauausschreibung einer Hochgeschwindigkeitszugtrasse:

    "Die internationalen Finanzmärkte schauen mit großem Misstrauen auf unser Land. Einmal streicht die Regierung ein großes Infrastrukturprojekt, weil angeblich kein Geld da ist. Und kurze Zeit später heißt es, das gleiche Projekt soll in weniger als sechs Monaten wieder ausgeschrieben werden. Das ist ein riesengroßes Verwirrspiel. Und eine Rufschädigung unseres Landes."

    Zudem beweisen die jetzt vorgelegten Zahlen, dass die Regierung große Schwierigkeiten hat, den Sparkurs in der öffentlichen Verwaltung durchzusetzen. Bis Ende des Jahres sollten ursprünglich die Personalausgaben um 4,9 Prozent gesenkt werden; die Kosten sind jedoch um 1,7 Prozent gestiegen. Die EU-Kommission hat angekündigt, die neusten Zahlen aus Lissabon zu prüfen. Sollten die Sozialisten angehalten werden, den Plan nachzubessern, ließen sich erneute Steuererhöhungen gegen den Widerstand der Opposition nicht durchsetzen. Dann blieben der Regierung Sócrates nur Sparmaßnahmen bei Sozialleistungen und im Gesundheitswesen. Oder aber Gehaltskürzungen in der öffentlichen Verwaltung. Ein Schritt, vor dem sich die Regierung bislang gedrückt hat.