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Sparkassenbusse
Wenn der Zasterlaster kommt

Nur 75 Minuten pro Woche haben die Bewohner der rheinland-pfälzischen Weinbaugemeinde Monzingen, um ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Wie in vielen Dörfern ersetzen dort Busse die Geschäftsstellen der Sparkasse. Die fahrbaren Filialen sind teils willkommen, teils umstritten.

Von Anke Petermann | 14.10.2014
    Das Logo der Sparkasse kennt fast jeder, und auch die Farbe?
    Service im Bus: In dünn besiedelten Gebieten ersetzen fahrbare Filialen die Geschäftsstellen der Sparkasse. (dpa / Wolfram Steinberg)
    Auf den Dörfern und in dünn besiedelten Gebieten gehören sie seit Jahrzehnten ins Bild: Sparkassenbusse, die an jedem Tag der Woche stündlich ein anderes Dorf anfahren - ob im sachsen-anhaltinischen Burgenlandkreis, in Mittelhessen oder im Bereich der Sparkasse Rhein-Nahe in Rheinland-Pfalz. Dort steht der Sparkassenbus in diesen Minuten in Merxheim, wo die Filiale in den neunziger Jahren schon schloss und die Dorfbewohner froh sind, dass die rollende Zweigstelle wöchentlich 75 Minuten lang hält. Gestern Morgen stand der Bus in Monzingen an der Nahe, morgen kommt er für eine halbe Stunde nach Odernheim am Glan. In beiden Orten machte die Sparkassenfiliale im vergangenen Jahr dicht. Und dort hat man sich mit dem Zasterlaster als Ersatz noch nicht richtig abgefunden. Anke Petermann hat seine Ankunft im historischen Weindorf Monzingen erwartet.
    Um Punkt Viertel vor neun an diesem nebelverhangenen Morgen parkt Matthias Knappe den ausladenden knallroten Bus direkt vor der alten leer geräumten Sparkassenfiliale. Die nutzt nun ein Kleinunternehmer aus dem Dorf als zusätzlichen Geschäftsraum. Knappe fährt die steile Treppe aus, öffnet die Eingangstür hinten am Bus. Patricia Spindler, Hausfrau, hat auf den Zasterlaster schon gewartet:
    "Ei was man so macht: Auszüge holen, Geld holen."
    Das tut sie am Automaten im winzigen Vorraum des Busses. An den ebenfalls winzigen Schalter dahinter tritt ab Viertel vor neun ein Senior nach dem nächsten: Daueraufträge ändern, Geld überweisen.
    "Das geht schon. Ansonsten muss man nach Sobernheim fahren. Aber das vereinbart sich immer so, dass man das alles erledigen kann an dem Montag."
    "Ei, ich find das gut mit Bus, gerade für die alten Leute, die keine Fahrgelegenheit haben, also ich find's ganz in Ordnung so."
    "Geht schon super so."
    "Vorwärts in die Vergangenheit"
    Geht schon, meint sogar die 81-Jährige, der es am Stock sichtlich schwerfällt, die steile Treppe zu erklimmen. Sie kennt Monzingen aus früheren Zeiten auch ohne Filiale. "Vorwärts in die Vergangenheit" lästert dagegen Brigitte Herrmann, die sich die barrierefreie Zweigstelle zurückwünscht.
    "Früher konnten die Leut' mit ihrem Rollator hier rein, das geht ja alles gar nicht. Ich find das furchtbar, ich mein' immer', es gibt bald Krieg."
    "Geld hole – da geh mer jeder Schritt."
    Um an Geld zu kommen, gibt man alles in Monzingen, lachen die einen beim Erklimmen des Busses. Andere grollen, weil sie sich mit 75 Minuten wöchentlicher Öffnungszeit von der Sparkasse als Dorfbewohner diskriminiert sehen. Das stehe im Widerspruch zum öffentlichen Auftrag dieses Kreditinstituts.
    "Es ist ´ne Katastrophe, dass irgendwo Paläste gebaut werden, zum Beispiel in Bad Kreuznach und die Landbevölkerung immer weiter zurückgelassen wird. Ich finde einfach, das ist kein Service. Die Sparkasse war ja immer ganz gut frequentiert hier, das ist alles erstickt worden."
    "Ja, das kann ich nur bestätigen, die haben da Filialen runderneuert oder generell neu gebaut, Future-mäßig, mit Touch-Informationsfeldern, hat viel Geld gekostet, schön zum Repräsentieren. Also, ich hab meine Bank-Beziehung zur Sparkasse fast vollkommen abgebrochen. Ich hab dem Chef der Sparkasse auch geschrieben: "Wenn ihr geht, geh' ich auch", und das habe ich dann auch umgesetzt und hab' meine Kontoverbindungen geändert und bin von der Sparkasse weg."
    Hin zur Volksbank. Die allerdings schloss ihre Monzinger Filiale kurz darauf ebenfalls, hat aber immerhin noch einen Bankautomaten am Ort. ‚"Bald besteht das selbstbestimmte Leben der alten Monzinger darin", so ätzt Peter Herrmann, "dass sie ihren Verwandten Geldkarte und PIN-Nummer geben, damit die ihre Bankgeschäfte erledigen".
    "Was soll man machen. Es ging eben nicht anders damals," meint Karl-Heinz Tressel, Sparkassen-Pensionär und Kunde. Doch die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Zweigstelle dicht zu machen, bezweifelt Peter Herrmann. Als Berufstätiger nutzt ihm ein Bus am späten Morgen nichts. Im vergangenen Jahr sammelte er 400 Unterschriften gegen die Filialschließung. Ein Batzen für einen Ort mit 1.700 Einwohnern. Jürgen Saurwein von der Sparkasse Rhein-Nahe nahm die Unterschriften damals entgegen. Zum Interview bittet der Vertriebsleiter zwar nicht in einen Palast. Aber mit großzügigen Schalter- und Beratungsräumen samt modernster Lichttechnik und trendigen roten Sitzmöbeln wartet die runderneuerte ehemalige Kreissparkasse Bad Kreuznach schon auf. Auch in Monzingen und Odernheim versorge die Sparkasse Kunden gemäß ihrem öffentlichen Auftrag, betont Jürgen Saurwein.
    "Wir kommen in beiden Orten, so wie es gebraucht wird. Das wird gut genutzt und ist damit auch in Ordnung. Wir haben unsere fahrbaren Geschäftsstellen, zwei Stück an der Zahl, schon seit Jahrzehnten in Betrieb, also auch in Orten, wo es noch nie eine Geschäftsstelle gab," weil die Kleinstgeschäftsstellen sich nicht rechneten, schon gar nicht, wenn sie wegen neuer Auflagen saniert werden müssten, so wie das in Monzingen der Fall gewesen wäre. Die Monzinger Kritiker um Peter Herrmann halten die Umbaukosten für vorgeschoben, ahnen aber, dass sie den Kampf mit der Sparkasse verloren haben. Und was, wenn die Volksbank auch noch ihren Geld-Automaten abzieht? Herrmann schmunzelt.
    "Dann druck' ich mein Geld selbst!"