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Sparzwang in Spanien

In Spanien ist das Gesundheitssystem immer noch fest in staatlicher Hand: Der Hausarzt ist öffentlicher Angestellter und behandelt mit anderen Kollegen in einem lokalen Ärztezentrum. Das System ist zwar für Patienten nicht sehr flexibel, hält aber die Kosten niedrig. Und trotzdem gibt es auch hier Finanzierungsprobleme.

Von Hans-Günter Kellner | 22.03.2010
    In Spanien darf jeder zum Arzt, auch, wer keine Beiträge zahlt, und dennoch ist der Besuch kostenlos. Kein Zufall also, dass sich US-Präsident Obama für das spanische Modell interessierte, als es an die Vorbereitung der US-Gesundheitsreform ging. Rund fünf Prozent seiner Wirtschaftskraft gibt Spanien für sein Gesundheitssystem aus, knapp die Hälfte der Krankenkosten, die etwa in Deutschland anfallen.

    Ein Grund für die niedrigen Ausgaben ist: Der Staat kann die Kosten recht leicht kontrollieren, denn er ist der Verantwortliche für Krankenhäuser und Arztzentren. So will Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez bei wirkstoffgleichen Medikamenten nur noch das presiwerteste bezahlen. Und bei diesen sogenannten Generika will Spanien der pharmazeutischen Industrie per Dekret auch noch einen Preisnachlass verordnen. Sie sollen 25 Prozent billiger werden. Die Ministerin erklärte dazu:

    "Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, dass unser System langfristig finanzierbar bleibt. Sie werden aber nicht die Qualität des Systems und der Leistungen beeinträchtigen. Und vor allem: Wie werden die Bürger nicht belasten."

    Auch für die Medikamente mit gültigen Patenten, für die es also keine wirkstoffgleichen Kopien gibt, sollen die Preise fallen. Die Regionen wollen künftig gemeinsam als Einkäufer und somit in einer besseren Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern auftreten. Auch bei den Personalkosten soll gespart werden, erklärt Ministerin Jiménez:

    "Wir wollen auch die Personalausgaben begrenzen und landesweit vereinheitlichen. Die dafür zuständigen Gesundheitsminister der Regionen haben damit bereits begonnen. Die Bürger sollen wissen: Wir arbeiten an der Tragfähigkeit des Systems. Aber unser Modell für ein Gesundheitssystem und die Leistungen sind garantiert."

    Trotzdem protestieren auch die Gewerkschaften nicht gegen die Sparpläne beim Personal. Gewerkschaftssprecher Carlos Amaya:

    "Die meisten Regionen setzen diese Maßnahme ja schon um. Es wird schon lange niemand mehr eingestellt. Es muss eben gespart werden. Wir halten das für folgerichtig angesichts der Krise im ganzen Land."

    Grundsätzlich soll sich nichts am System ändern. Es finanziert sich weiterhin aus Steuern und belastet damit die Lohnkosten nicht. Kaum eine andere Sozialreform würde mehr Proteste hervorrufen, als eine tiefgreifende Umgestaltung der Gesundheitsfürsorge. Mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen wollen die Gesundheitspolitiker rund zwei Milliarden Euro einsparen - zu wenig, meint Ana Pastor von der oppositionellen Volkspartei:

    "Wir brauchen einen großen Pakt in der Gesundheitspolitik, keine kleinen Reparaturen. Angesichts der großen Probleme werden wir uns nicht aus unserer Verantwortung stehlen. Das habe ich auch der Ministerin so gesagt. Wir werden weiter an der Tragfähigkeit des Systems arbeiten. Die Bürger sollen die bestmögliche Versorgung haben, aber unser System hat im Augenblick auch ein Loch von 10 Milliarden Euro."

    Es muss also weiter gekürzt werden – oder mehr Geld ins System fließen. Dies mit Steuererhöhungen zu erreichen, ist trotz der hohen regionalen Haushaltsdefizite umstritten. Auch in Spanien denken die Gesundheitspolitiker darum über Modelle wie eine Kofinanzierung nach französischem Vorbild nach: Ein Viertel der Behandlungskosten könnten den Patienten berechnet werden. Doch eine solchen Vorschlag öffentlich zu machen, traut sich noch niemand. Zwar sollen die Spanier künftig über die Behandlungskosten informiert werden. Die Rechnung zahlt vorerst jedoch weiterhin der Staat mithilfe des Steuerzahlers.