Dienstag, 23. April 2024

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SPD-Außenpolitiker hält Ahmadinedschad für berechenbar

Der SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose hat davor gewarnt, den neuen iranischen Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Bezug auf die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm nur negativ zu sehen. Seine religiös-konservative Ausrichtung könne auch zu mehr Berechenbarkeit auf der iranischen Seite führen, erklärte er.

Moderation: Dirk Müller | 04.08.2005
    Müller: Er ist in der zweiten Runde mit deutlicher Mehrheit gewählt worden in einem demokratisch fairen Urnengang, international umstritten ist er dennoch: der neue Präsident des Iran Mahmud Ahmadinejad. Es mehren sich vor allem die Vorwürfe aus Washington, wonach der ultrakonservative Staatschef früher in terroristische gewaltsame Aktionen verwickelt sein soll, Stichwort: die Besetzung der amerikanischen in Teheran Ende der 70er-Jahre. Der neue Mann im Iran gilt als islamistischer Hardliner, wenig kompromissbereit gegenüber dem Westen. Mehr als ein Vorgeschmack ist die jüngste Entwicklung im Atomstreit: Teheran hat angekündigt, wir werden die umstrittene Atomanlage Isfahan sofort wieder in Betrieb nehmen, ein offener Affront gegen die EU und die USA, doch nun lenkt Teheran offenbar wieder ein. Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose, stellvertretender Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses im Bundestags. Guten Morgen.

    Klose: Guten Morgen.

    Müller: Wie lange ärgern Sie sich schon über den Iran?

    Klose: Ärger ist eigentlich keine Kategorie, die einen Außenpolitiker leitet. Wir sind seit Jahren mit dem Iran im Gespräch über politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit und seit einiger Zeit ganz besonders intensiv über die Behandlung der Nuklearfrage. Die Verhandlungen dazu haben sich von Anfang an schwierig gestaltet, aber jeder wusste, dass das so sein würde.

    Müller: Sie ärgern sich auch nicht über Rückschläge?

    Klose: Rückschläge sind Anlass nachzudenken, sich über die bisherige Verhandlungslinie zu beraten, nicht nur innerhalb der EU sondern auch mit anderen Partnern, mit Amerika, Russland, ich glaube auch China und Japan werden von Zeit zu Zeit konsultiert und dann muss man sehen, dass wir die Schwierigkeiten, die aufgerichtet werden, überwinden. So eine Schwierigkeit hatten wir jetzt gerade, ob sie überwunden ist, wird sich zeigen.

    Müller: Ist der neue Mann an der Spitze des Staates ein Rückschritt?

    Klose: Das Problem ist, dass keiner von uns ihn kennt. Selbst im Iran ist er ein weitgehend unbekannter Mann gewesen und es war eine allgemein große Überraschung, wenn man so will rund um die Welt, dass er gegen den alten Fuchs Rafsanjani gewonnen hat. Wenn man einen Menschen nicht kennt, ihm nie begegnet ist, nicht mit ihm gesprochen hat, ist es schwer, ihn zu beurteilen. Er gilt als ein Hardliner, als ein sehr konservativer Vertreter der islamischen Richtung. Das kann Nachteile aber auch Vorzüge haben, weil er vielleicht berechenbarer ist als frühere Politiker.

    Müller: Vielleicht erläutern Sie das noch ein wenig, wieso kann das Vorzüge haben, wenn jemand als Hardliner in Teheran die Macht übernimmt?

    Klose: In der Außenpolitik haben wir von Helmut Schmidt gelernt, ist Berechenbarkeit eine Tugend und einen berechenbaren Partner zu haben im Iran, von dem man weiß, wie er reagiert, macht möglicherweise Verhandlungen einfacher als das bisher der Fall gewesen ist. Der Iran ist ja ein sehr vielschichtiges Gebilde, das sind nicht einfach alles nur Mullahs, die da regieren, sondern das ist eine Gesellschaft, in der die Religion eine sehr starke Rolle spielt, aber es gibt auch eine Zivilgesellschaft, die sich langsam entwickelt, es gibt Intellektuelle, Journalisten, Schriftsteller. Wie er einzuordnen ist - ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, wir sollten abwarten und ihn kennenlernen und dann urteilen.

    Müller: Bisher war das offenbar ein Katz- und Maus-Spiel von Teheran in Richtung Westen. Wie lange darf das der Westen akzeptieren?

    Klose: Ob es das gewesen ist, weiß ich nicht, das ist die Interpretation in den USA gewesen, obwohl sich dort die Sichtweise in den vergangenen Monaten ein wenig geändert hat. Man wird es sehen, wie die Dinge jetzt in der nächsten Woche weitergehen. Die EU-Drei haben ja angekündigt, dass sie das versprochene neue Vorschlagspaket vorlegen werden und dann wird der Iran reagieren. Hoffentlich entsprechend dem Rat des religiösen Führers nicht übereilt sondern vernünftig. Sie wissen, es wird über drei Komplexe geredet und der schwierigste sind die nuklearen Fragen da geht es um die Anreicherung und wenn sie betrieben wird, wird der Iran potentiell nuklearwaffenfähig. Das ist das Problem.

    Müller: Der Westen wiederum steht auf einer legitimen Grundlage, das dem Iran zu untersagen?

    Klose: Der Iran hat sich durch den Beitritt zur IAEO verpflichtet, auf nuklearische Nutzung zu verzichten, er hat ein recht auf zivile Nutzung. Das Problem besteht darin, dass viele den Absichten des Iran misstrauen, weil man vermutet insgeheim setzt er doch alles in Bewegung, um eine Nuklearmacht zu werden. Wenn das so wäre müsste man fragen, warum das so ist und dann kommen Sicherheitsaspekte aus iranischer Sicht ins Spiel, über die müsste man bei den Verhandlungen mit dem Iran auch reden und dabei insbesondere die Amerikaner einbeziehen.

    Müller: Was glauben Sie?

    Klose: Ich glaube, dass der Iran in Richtung nuklearer militärischer Nutzung nachdenkt, aber ich sehe derzeit nicht, dass er die Möglichkeit hat, in kurzer Zeit Nuklearmacht zu werden. Ob die neuen Informationen der amerikanischen Dienste zutreffen, dass das erst etwa um das Jahr 2015 der Fall sein wird kann ich nicht beurteilen, das ist eine Interpretationsfrage. Ich denke aber für die Verhandlungen und die Perspektive des Umgangs mit dem Iran sollten wir die Möglichkeit, dass die Absicht besteht, militärische Nuklearmacht zu werden und vorhanden ist, berücksichtigen.

    Müller: Was soll der Westen tun, wenn Teheran nicht nachgibt?

    Klose: Da gibt es ja eine Vereinbarung zwischen den Europäern und Amerikanern, wenn die Verhandlungen endgültig scheitern sollten, wird man nicht nur im Gouverneursrat der IAEO beraten, sondern den Fall auch vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bringen, der dann Beschlüsse fassen wird. Welcher Art, darüber will ich jetzt nicht spekulieren.

    Müller: Es gibt politische, wirtschaftliche und auch militärische. Womit fängt man an?

    Klose: Ich glaube, dass es eine militärische Option nicht gibt, aber in dem Punkt bin ich kein Experte und ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass der amerikanische Präsident keine Option ausschließen will. Bisher aber war es immer Position der Amerikaner zu sagen, wenn die Verhandlungen und Bemühungen der Europäer scheitern, eine politische Lösung herbeizuführen, muss der UN-Sicherheitsrat beraten und notfalls ein Sanktionsregime gegenüber dem Iran aufrichten.