Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

SPD-Integrationspolitik
Teilhabe statt Ausgrenzung

Wie steht Kanzlerkandidat Martin Schulz zur Einwanderungsgesellschaft? In gut einer Stunde Redezeit verdeutlichte er gestern sein Integrationsprogramm. Dabei wurde deutlich: Ginge es nach dem SPD-Politiker, würde dem Bundesinnenministerium die Zuständigkeit für Integrationsaufgaben entzogen werden.

Von Paul Vorreiter | 16.08.2017
    Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz hält am 15.08.2017 vor geladenen Gästen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin eine Berliner Rede zur Integrationspolitik.
    Positioniert sich gegen eine "ideologisch aufgeladene Integrationsdebatte": SPD-Kanzlerkandidat Schulz bei seiner Rede in Berlin (dpa / picture alliance / Wolfgang Kumm)
    Die für diese Bundestagswahl doch sehr sensiblen Themen Integration, Migration und Flüchtlinge in gut einer Stunde Redezeit verständlich, packend und umfassend zu diskutieren, ist nicht einfach: Persönliche Anekdoten können aber helfen, den Kern eines Integrationsprogramms deutlich zu machen - auf diese Weise hat es zumindest der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz versucht, in einer Rede in Berlin. Schluz erinnerte an seine Schulzeit im nordrhein-westfälischen Würselen, wo er auf Kinder mit Migrationshintergrund traf:
    "Mit denen bin ich zusammen zur Schule gegangen, und die Väter haben zusammen unter Tage gearbeitet, und unter Tage mussten sich die Männer aufeinander verlassen können, bei ihnen spielte es keine Rolle, wo der Kumpel, der Kollege geboren war oder welche Sprache der gesprochen hat. Bei uns gab es das Sprichwort 'Vor der Kohle sind alle schwarz'."
    Schulz wirbt mit Bildungsoffensive
    Kurzum: Sozialdemokratische Integrationspolitik will auf Teilhabe setzen statt auf Ausgrenzung. Der konservativen Seite wirft Schulz dagegen eine "Wir gegen die"-Rhetorik vor. Dem will der SPD-Kanzlerkandidat eine sozialdemokratische Bildungsoffensive entgegensetzen: Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni, Garantie auf einen Ganztagsschulplatz, besseres Bafög, mehr Durchlässigkeit in der beruflichen Bildung.
    Wie das zu finanzieren ist? Schulz verweist auf Haushalts-Überschüsse bei Bund, Ländern und Kommunen und kritisiert falsche Prioritäten bei Kanzlerin Merkel. Statt das Geld in Bildung zu stecken, wirft er der Union vor, es in Rüstung zu investieren, um den NATO-Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben zu erreichen.
    Schulz attackiert de Maizière
    Besonders heftig teilt der SPD-Kanzlerkandidat allerdings in Richtung des Bundesinnenministers de Maizière aus. Die Themen Migration und Integration sollten nach dem Willen der SPD in Zukunft dem Innenressort entzogen werden und in einem anderen Ministerium gebündelt werden. Martin Schulz begründet das wie folgt:
    "Ich erinnere daran, wie der Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Debatte um Islamisten oder türkischstämmige Erdogan-Anhänger das Thema der Mehrstaatlichkeit hochkochte; damit macht der Innenminister de Maizière die Integrationsdebatte zu einer Sicherheitsdebatte und lädt sie damit ideologisch auf. Ich finde das ist gefährlich."
    Auch Linke und Grüne plädieren dafür, dem Bundesinnenministerium die Zuständigkeit für Migration und Integration zu entziehen - sie wollen dafür aber ein eigenes Ministerium schaffen. Was Schulz mit der Aussage auch verdeutlichen will: Mit ihm wird an der doppelten Staatsbürgerschaft nicht gerüttelt, so wie das die Union in ihrem Regierungsprogramm fordert. Schulz verlangt außerdem mehr Schutz vor Diskriminierung. Ein Einwanderungsgesetz soll nach dem Willen der SPD den Zuzug von Fachkräften regeln.
    Schulz hält europäisches Asylsystem für notwendig
    In Bezug auf die Flüchtlingspolitik mahnt Schulz schnellere Asylverfahren an und erneuert seine Forderung nach einer gerechteren Lastenverteilung in der Europäischen Union: Schulz will ein europäisches Asylsystem schaffen und verlangt von den mittelosteuropäischen Ländern, etwa Polen oder Ungarn, ihren Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aufzugeben:
    "Aber wenn es im europäischen Verbund heißt: Sanktionen, ja bitte, Strukturkohäsionsfondsmittel, ja bitte, aber 'Flüchtlinge, nein Danke!', ist das nicht der Solidaritätsgedanke, auf dem Europa aufgebaut ist. Deswegen brauchen wir als Bundesregierung auch eine klare Ansage an diese Länder - Solidarität ist keine Einbahnstraße."
    Offen bleibt, wie der SPD-Kanzlerkandidat die Länder zu einem Umdenken bewegen will. Schulz ist nicht der einzige Politiker, der in der Gesprächsreihe des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und dem Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung auftritt. Nach einer Rede von Grünen-Chef Cem Özdemir folgen noch Beiträge von CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier und der Linken-Vorsitzenden Katja Kipping.