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SPD-Landesparteitag in NRW
G-8 Flexi soll es richten

Acht oder neun Jahre bis zum Abitur? Die Delegierten im SPD-Landesparteitag in Bochum haben sich für "G-8-Flexi" ausgesprochen. Mit dem flexibilisierten G-8 sollen Kinder und Eltern entscheiden, wie intensiv das Lernen der Kinder sein soll. Damit käme sowohl G-8 oder G-9 am Gymnasium infrage.

Von Moritz Küpper | 26.09.2016
    Acht oder neun Gymnasialjahre? Was ist sinnvoller? Darüber streitet man gerade in Nordrhein-Westfahlen.
    Nachdem sich die grüne NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann zuletzt für eine flexiblere Schulform ausgesprochen hatte, zog jetzt der große Koalitionspartner der Landesregierung nach. (picture alliance/ dpa/ Armin Weigel)
    Denis Waldästl ist ehrlich: Der SPD-Ratsherr in St. Augustin, einer kleinen Stadt bei Bonn, hätte Anfang des Jahres nicht gedacht, dass die Parteispitze sich des Themas G-8/G-9 in Nordrhein-Westfalen doch noch einmal annimmt:
    "Wir haben bei uns in St. Augustin mit verschiedenen Akteuren seit Jahresbeginn eine Debatte darüber geführt, wie wir uns die Schule der Zukunft vorstellen und sind dann im Juni 2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass wir eine Auflockerung von G-8 und vom Grundsatz her ein Zurück zu G-9 wollen."
    Und genau das brachte Waldästl auf den Weg, stellte zum SPD-Landesparteitag in Bochum einen Antrag auf Rückkehr zu G-9 - den er allerdings nach Rücksprache mit der Partei-Spitze zurückzog – und sich deren Antrag anschloss:
    "Der Antrag heute ermöglicht aber auch, trotzdem für die große Masse der Schülerinnen und Schüler, G-9 einzuführen."
    Flexiblere Schulform
    Denn: Nachdem sich die grüne NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann zuletzt für eine flexiblere Schulform ausgesprochen hatte, zog am Wochenende der große Koalitionspartner der Landesregierung nach: Die gut 470 Delegierten in Bochum nahmen mit überwältigender Mehrheit einen Antrag des Parteipräsidiums an: "G-8-Flexi", so heißt die Idee in einem Übersichts-Papier. Marc Herter, stellvertretender Parteivorsitzender und einer der Autoren des Papiers erläutert:
    "Wir wollen mit dem flexibilisierten G-8 darauf eingehen, dass Kinder unterschiedlich schnell lernen, dass Eltern unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, wie intensiv das Lernen der Kinder sein soll und wollen es deshalb freistellen, ob die Kinder G-8 oder G-9 am Gymnasium haben."
    G-8 als Regelfall
    Letztendlich solle G-8 zwar der Regelfall bleiben, Schüler könnten an der gleichen Schule aber auch nach neun Jahren Abitur machen. Um die Dichte des Lernstoffs und den damit verbundenen Druck bei den jüngeren Schülern zu verringern, soll die Sekundarstufe I wieder um ein Jahr auf sechs Jahre verlängert werden. Die letzte Jahrgangsstufe der Sek I - also die 10. Klasse - würde zur Einführungsphase der Oberstufe, so das SPD-Papier. Leistungsstarke Schüler wechseln danach nahtlos in die Jahrgänge 11 und 12. SPD-Mann Herter:
    "Wir wollen aber nicht unterschiedliche Bildungsgänge daraus machen, sondern nach der zehn entscheiden die Kinder bzw. mit ihren Eltern zusammen, dann, welchen Gang sie gehen. Ob sie den Turbo aufsetzen und in acht Jahren dann ins Abitur gehen oder ob es dann zusätzliches Jahr – wir nennen das Orientierungsjahr – gibt und man dann nach neun Jahren genauso gut zum Abitur kommt. Zum gleichen Abitur."
    Eine komplette Rückkehr zum herkömmlichen G-9 ist für Herter dagegen keine Option. Viele Eltern kämen mit der aktuellen Variante gut zurecht. Und:
    "Vielleicht gibt es ja auch welche, die das Jahr, das wir als Orientierungsjahr anbieten wollen, die das als Auslandsjahr machen wollen. Auch das würde dann hinterher zu einer neunjährigen Schulzeit führen. Wir glauben, dass beide Ansätze letztendlich legitim sind, dass sie beide vertretbar sind und deshalb stehen wir nicht an als Politik mal wieder zu sagen, was ist gut oder was ist schlecht, sondern zu sagen: Beides ist möglich, entscheidet Euch, ihr habt echt Wahlfreiheit in Nordrhein-Westfalen."
    Stoffverdichtung bleibt gleich
    Diese Idee ist nun ein Vorschlag für Beratungen am Runden Tisch, zu dem Schulministerin Löhrmann alle relevanten Akteure für den Oktober eingeladen hat.
    Doch für Marcus Hohenstein, den Kopf der Initiative "G-9 jetzt", die im vergangenen Jahr bereits mit einer Volksinitiative über 100.000 Unterschriften gegen G-8 in NRW sammelte, geht der SPD-Vorschlag am Ziel vorbei. Denn:
    "De facto bleibt aber die Belastung für die Schülerinnen und Schüler mit der hohen Stundenzahl, die durch G-8 eingeführt wird, gleich und die Stoffverdichtung bleibt auch gleich."
    Statt in der Mittelstufe würde es für die Schüler anderswo schwieriger, so Hohenstein:
    "Die Belastung wird noch stärker in die Oberstufe verlegt. Das heißt: Jetzt schon haben die Oberstufen-Schüler 34 Pflicht-Stunden plus Freistunden. Und dann sollen sie zukünftig 36 Pflicht-Stunden plus Freistunden haben."
    "G8-Flexi" ist für Hohenstein ein Etikettenschwindel:
    "Es bleibt G-8 und die Belastung bleibt."
    SPD-Mann Waldästl aus St. Augustin, ursprünglich ja auch G9-Anhänger, sieht seine Partei dagegen auf dem richtigen Weg:
    "Wenn man damit, mit diesem Kompromiss hinbekommt, dass dann ein Schulfrieden herrscht, dann ist das, glaube ich, eine gute Lösung, die hier erarbeitet worden ist in den letzten Tagen."