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Power-to-Liquid
Klimaneutrale Treibstoffe für die Luftfahrt

Um die Klimaziele umzusetzen, muss der Verbrauch fossiler Energieträger eingeschränkt werden. Bei Autos bieten Batterien und Brennstoffzellen Alternativen. Wie klimaneutraler Treibstoff für Flugzeuge hergestellt werden könnte, war Thema der Konferenz "Greener Skies Ahead". Im Mittelpunkt: das Verfahren Power-to-Liquid.

Arndt Reuning im Gespräch mit Ralf Krauter | 14.11.2018
    Ein Flugzeug hinterlässt Kondensstreifen vor einem blauen und wolkenlosen Himmel.
    Synthetische Kraftstoffe könnten in Zukunft Kerosin im Flugverkehr ersetzen. (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Ralf Krauter: Deutschland hat sich ambitionierte Ziele beim Klimaschutz gesetzt: Bis zum Jahr 2050 soll der Ausstoß von Kohlendioxid um mindestens 80 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Doch gerade im Verkehrssektor liegen wir noch weit hinter den angestrebten Reduktionen zurück. Für die Autos auf den Straßen dürfte klar sein, wohin die Reise geht: Batterien und Brennstoffzellen werden die Fahrzeuge in einer "dekarbonisierten" Welt antreiben. Beim Flugverkehr dürfte das zumindest in naher Zukunft keine Option darstellen. Hier werden andere Lösungen diskutiert, wie zum Beispiel gestern in Bonn auf der Konferenz "Greener Skies Ahead". Mein Kollege Arndt Reuning war vor Ort. Arndt, was haben Sie herausgefunden: Wie könnten sich Flugzeuge klimaneutral in die Luft erheben?
    Arndt Reuning: Im Mittelpunkt der Konferenz standen drei Buchstaben: P – t – L. Das ist eine Abkürzung, die steht für Power-to-Liquid. Dahinter verbirgt sich ein Verfahren, mit dem sich klimaneutral Treibstoffe herstellen lassen, die aber ansonsten chemisch nahezu identisch sind mit den Substanzen, die heutzutage verwendet werden. Vom Prinzip her ist das eine Art Recycling von Kohlenstoff. Man nimmt sich "verbrauchten" Kohlenstoff, also Kohlendioxid. Aus Wasser gewinnt man Wasserstoff durch eine Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen. Kohlendioxid und Wasserstoff lässt man reagieren zu einem Gemisch aus Kohlenwasserstoffen. Und das wir dann aufgespalten in die bekannten Fraktionen: Benzin, Diesel, Kerosin. Der Clou ist natürlich: Wird dieser Treibstoff verbrannt, dann gelangt nur soviel Kohlendioxid in die Atmosphäre, wie man ihr vorher entnommen hat. Und daher ist dieser PtL-Treibstoff klimaneutral. Und was eben auch wichtig ist: Er kann Kerosin einfach ersetzen und in heutigen Flugzeugen eingesetzt werden.
    Die Technologie ist vorhanden
    Krauter: Ist dieses Verfahren denn schon marktreif?
    Reuning: Ich denke, da herrschte gestern auf der Konferenz breiter Konsens, dass die technischen Herausforderungen der Herstellung von PtL-Treibstoffen gelöst sind. Es wird sicher noch sehr viel Feinarbeit nötig sein, aber im Prinzip funktioniert das schon. An der Konferenz haben auch Referenten teilgenommen von Firmen, die bereits Containerlösungen anbieten. Zum Beispiel die Firma Ineratec aus Karlsruhe, über die wir auch schon berichtet haben. Die bietet Container an mit einer kleinen Chemiefabrik im Inneren, wo diese Umwandlung von Kohlendioxid und Wasserstoff zum synthetischen Treibstoff stattfinden kann. Der Wasserstoff wird dabei allerdings nicht vor Ort erzeugt in dem Container. Dafür hätte dann H-Tec Systems aus Lübeck eine Container-Lösung. Diese Firma hat ihre Elektrolyse-Einheiten vorgestellt, mit denen sich "grüner" Wasserstoff erzeugen lässt mit Strom aus Wind- und Solarkraft. Also: die Technologie ist vorhanden. Und im Grunde genommen ist diese chemische Umwandlung an sich ja auch nicht neu. Dahinter steckt das bereits in den 1920er Jahren entwickelte Fischer-Tropsch-Verfahren.
    Krauter: Der Kohlenstoff für die PtL-Treibstoffe stammt komplett aus Kohlendioxid, das ist also so eine Art geschlossener Kohlenstoffkreislauf. Aber wie sieht es denn aus mit der Energie, die hineingesteckt wird - die könnte die Ökobilanz ja verhageln?
    Reuning: Die Energie muss natürlich aus erneuerbaren Quellen stammen, sonst ergäbe das Verfahren keinen Sinn. Ein Großteil der Energie wird zugeführt in Form von chemischer Energie, die der Wasserstoff mit sich bringt. Das hat zum Beispiel Patrick Schmidt betont von der Ludwig-Bölkow-Stiftung: Der Wasserstoff muss durch Elektrolyse mit Strom aus Sonne und Wind erzeugt werden – und nicht wie heutzutage üblich durch die Reaktion von Wasserdampf mit Kohle oder Erdgas. Denn dabei würde ja wieder neues CO2 entstehen. Aber damit PtL-Treibstoffe nachhaltig sind, müssen auch alle anderen Einzelschritte nachhaltig sein. Dazu gehört zum Beispiel auch die Frage, woher das Kohlendioxid stammt. Man könnte es ja dort abgreifen, wo es in großen Mengen anfällt: in Kohlekraftwerken, in Zementwerken, in der Stahlerzeugung und so weiter. Wenn man jetzt aber mal in die Zukunft schaut ins Jahr 2050, da möchte man ja die Industrie weitgehend dekarbonisiert haben. Kohlekraftwerke fallen da weg als Quelle für Kohlendioxid. Deshalb plädierten die Experten auf der Konferenz dafür, das CO2 direkt aus der Luft zu nehmen, auch wenn es dort nur in Spuren vorhanden ist (0,04 Volumenprozent). Man möchte ein Lock-In-Risiko vermeiden, wie Patrick Schmidt das nannte. Also dass fossile Kraftwerke am Leben erhalten werden, nur um PtL-Treibstoffe herzustellen.
    Power-to-Liquid-Treibstoffe mit Vorteilen gegenüber Biotreibstoffen
    Krauter: Als Kohlenstoff-Quelle waren in der Vergangenheit auch Biotreibstoffe im Gespräch, Stichwort Kerosin aus nachwachsenden Rohstoffen. Welche Rolle spielen die denn noch?
    Reuning: In der Industrie gibt es noch Projekte. Aber im Vergleich zu den Biotreibstoffen besitzen die PtL-Treibstoffe doch einige Vorteile. Den Vergleich hat gestern Rainer Schweppe angestellt vom Fraunhofer ICT in Pfinztal. Bei den nachwachsenden Rohstoffen, bei der Biomasse, gibt es die Diskussion Teller versus Tank. Also soll man zum Beispiel Mais anbauen, um daraus Sprit zu erzeugen oder doch vielleicht lieber Nahrungsmittel. Diese Konkurrenzsituation vermeidet man mit den PtL-Treibstoffen. Die PtL-Technologie braucht viel weniger Platz und Wasser als der Anbau von Energiepflanzen. Sie ist prinzipiell unabhängig vom Standort. Und man muss nicht die Biomasse einsammeln und zu einer zentralen Anlage transportieren. Daher favorisieren die Fachleute aktuell eher dieses Verfahren.
    Krauter: Wie sieht es aus mit den Kosten?
    Reuning: Die hängen grob gesagt von zwei Faktoren ab: vom Preis für das Kohlendioxid und vom Preis für den Strom. Und die wiederum werden zum Großteil vom Standort bestimmt. Es gibt also Regionen, die sich für die Herstellung von PtL-Kraftstoffen besonders eignen: zum Beispiel die Küste von Australien oder auch Patagonien. Man braucht eine hohe Sonneneinstrahlung und stetigen Wind für die Stromerzeugung für die Elektrolyse. Dadurch kann man die Herstellungskosten deutlich senken. Aber das wurde gestern auch deutlich: Für die Markteinführung dürften die Preise erst einmal höher sein als für konventionelles Kerosin. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang in Bonn über eine Kerosinsteuer, die umso niedriger ist, je mehr PtL-Treibstoff zugemischt wird. Die Teilnehmer der Konferenz hoffen, dass die Politik nun die Rahmenbedingungen setzt für solche Modelle.