Freitag, 29. März 2024

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Interview mit Whistleblower
Snowden sieht investigativen Journalismus in Gefahr

Die Presse könne die Monopolstellung der Regierungen am besten kontrollieren, sagte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden im Deutschlandfunk. Damit betonte er die große Bedeutung der Medien sowie das Recht auf freie Rede und Veröffentlichung.

Stefan Fries im Gespräch mit Mirjam Kid | 16.09.2019
Einzigartige Einsichten in das Innenleben amerikanischer Geheimdienste liefert Edward Snowden in seiner Biografie.
Edward Snowden (S. Fischer Verlag)
Am 17. September erscheint unter dem Titel "Permanent Record" die Autobiografie des Whistleblowers Edward Snowden. Kurz zuvor äußerte er sich im Interview mit dem Deutschlandfunk zu seiner heutigen Situation in Russland und der von ihm angestoßenen Debatten um Überwachung und Datensicherheit – mit Blick auf den Journalismus wurden dabei auch Bedenken deutlich.
"Wenn wir über unabhängigen Journalismus sprechen und die Bedrohungen, kommen diese Bedrohungen aus verschiedenen Richtungen. Ich sehe in den USA einfach, dass immer mehr Medien unternehmerisch handeln. Wenn alles umsonst weggegeben wird, ist das problematisch. Deshalb haben sie jetzt ein Überwachungsmodell, ein Werbemodell kreiert, wo sie wirklich große Hoffnung haben. Aber die Menschen, die diese Werbungen schalten möchten, sind Facebook und Google."
Snowden sprach im Interview mit @mediasres davon, dass es strukturell eine Bedrohung für die Ethik des Journalismus gebe. Das begründete er mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf etliche Medienhäuser.
Deutschlandfunkredakteure im Gespräch mit US-Whistleblower Edward Snowden
Deutschlandfunkredakteure im Gespräch mit US-Whistleblower Edward Snowden (Deutschlandradio / Jens Becker)
Edward Snowden über die Bedeutung der Pressefreiheit (03:47)
Stefan Fries, der zusammen mit Stefan Koldehoff das Interview mit Snowden führte, sagte im Deutschlandfunk, dass Edward Snowden sich auch aus dem russischen Exil für andere Whistleblower einsetzten könne – unter anderem als Präsident der "Freedom of the press Foundation", die sich für Presse- und Meinungsfreiheit einsetzt. Außerdem arbeite er mit an der Weiterentwicklung von sicheren Messenger-Diensten.
Journalisten und Verlage seien schon seit Jahren mit ihrer Arbeit im Fokus von staatlichen Stellen, wie Snowden darlegt. So berichtete er im Dlf-Interview ausführlich über Einflussnahme der US-Politik auf Medien und machte das deutlich am Beispiel des Überwachungsprogramms "Stellar-Wind", das von der Bush-Regierung verantwortet wurde.
"Die Presse, zum Beispiel die 'New York Times', die größte Zeitung der USA, hatte die Geschichte und sie hätten diese Geschichte, diesen Artikel veröffentlichen können. Aber das Verlagshaus, Arthur Sulzburger von der 'New York Times' haben einen Anruf vom Weißen Haus bekommen, von George Bush und seinem Personal, und sie haben gesagt, wenn sie diesen Artikel veröffentlichen, werden Menschen sterben. Und sie haben diesen Artikel nicht veröffentlicht, denn sie hatten Angst."
US-Whistleblower Edward Snowden im Gespräch mit dem Deutschlandradio
US-Whistleblower Edward Snowden im Gespräch mit dem Deutschlandradio. (Deutschlandradio / Jens Becker)
Edward Snowden über Gefahren für investigativen Journalismus (03:55)
Doch nicht nur Journalisten und Medienhäuser, sondern auch Nutzer könnten in den Blick von Geheimdiensten und anderen staatlichen und nicht-staatlichen Stellen geraten, so Snowden.
"Die Regierungen sehen so viel, was wir machen. Konzerne sehen so viel, was wir machen. Selbst wenn Microsoft ein Leck hat, können sie intern ermitteln. Sie können schauen, wer intern auf ein gewisses Dokument Zugang hatte und wer dann dafür zuständig ist, dass es veröffentlicht wurde. Waren sie auf der Seite dieser Zeitung? Sie können diese Ermittlungen betreiben und dadurch können sie Verdächtige ausfindig machen und sie oft auch verurteilen. Und deshalb sehe ich leider, dass der investigative Journalismus wirklich gefährdet ist."
Eine Rückreise in seine amerikanische Heimat schloss Snowden auf absehbare Zeit aus. Neben einem unfairen Prozess drohe ihm in den USA auch eine sehr hohe Haftstrafe bis an sein Lebensende. Auch sei ihm von dem zuständigen Generalstaatsanwalt lediglich eine schriftliche Zusicherung angeboten worden, dass man ihn nicht foltern werde.