Donnerstag, 25. April 2024

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SPD: Post ist am Zug

Der postpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Barthel, hat die Deutsche Post AG aufgefordert, im anstehenden Tarifstreit ein verbessertes Angebot abzugeben. Insbesondere die Vergrößerung der Zustellbezirke habe in den vergangenen Jahren zu einem erhöhten Arbeitsdruck bei der Post geführt. Das bekämen auch die Kunden zu spüren, betonte Barthel.

Moderation: Christoph Heinemann | 21.04.2008
    Christoph Heinemann: Im Tarifkonflikt bei der deutschen Post sinken die Chancen, einen unbefristeten Streik doch noch abwenden zu können. Ein Ver.di-Sprecher sagte, die Gewerkschaft sei nur dann zu weiteren Gesprächen mit dem Bonner Konzern bereit, wenn dieser ein neues Angebot vorlege. Ein Post-Sprecher betonte dagegen, Ver.di müsse sich jetzt bewegen. Die Gewerkschaft setzte ihre Warnstreiks fort und legte nach eigenen Angaben in der Nacht neun Briefverteilzentren lahm. Weitere Arbeitsniederlegungen sollen folgen und am 2. Mai dann ein unbefristeter Streik beginnen. Hauptstreitpunkte zwischen beiden Seiten sind die Arbeitszeiten. Die Post möchte die Wochenarbeitszeit für die Angestellten um 30 Minuten erhöhen. Sie bietet eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent für zwei Jahre und einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis Juni 2011 an. "Reicht nicht!" sagt Ver.di. Am Telefon ist jetzt Klaus Barthel, der postpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag!

    Klaus Barthel: Schönen guten Tag Herr Heinemann!

    Heinemann: Herr Barthel, rechnen Sie mit einem flächendeckenden unbefristeten Streik bei der Post?

    Barthel: Man muss es befürchten, aber es gibt noch Chancen, dass sich der Streik vermeiden lässt.

    Heinemann: Und wer muss sich da bewegen?

    Barthel: Ich glaube, dass sich beide Seiten natürlich bewegen müssen, aber dass die Post am Zuge ist, denn es ist ja etwas erstaunlich, dass man jetzt die Verhandlungen scheitern lässt und danach dann erklärt, das sei noch nicht das letzte Wort gewesen.

    Heinemann: Die Post hat ein Angebot vorgelegt. Was ist daran unzureichend? Inwiefern muss sich die Post bewegen?

    Barthel: Ich denke man muss erst einmal sehen, dass in den letzten Jahren der Arbeitsdruck bei der Post enorm zugenommen hat und das ja inzwischen auch negative Auswirkungen auf die Kundinnen und Kunden hat. Ich bekomme immer mehr Klagen darüber, dass zum Beispiel die Zusteller ihre Arbeit nicht schaffen und deswegen die tägliche Postzustellung teilweise verzögert wird oder ausfällt. Die Zusteller sind enorm überlastet. Die Bezirke sind vergrößert worden und jetzt kommt die Post noch zusätzlich mit einer Arbeitszeitverlängerung. Ich glaube, dass das einer der schwierigsten Punkte in den derzeitigen Verhandlungen ist, weil es dabei natürlich einmal um die Belastungen für die einzelnen Beschäftigten geht, aber auf der anderen Seite auch noch um noch einmal eine fünfstellige Zahl an Arbeitsplätzen, die gefährdet sind.

    Heinemann: Nun rechnet die Post so: 30 Minuten mehr Arbeit pro Woche, das wären sechs Minuten pro Tag. Ist das unzumutbar?

    Barthel: Das ist ja nicht alles, weil gleichzeitig noch die bezahlte Pause gestrichen werden soll und für die Beamtinnen und Beamten die Arbeitszeit auf 40 Stunden verlängert werden soll. Das heißt also für die sind es dann eineinhalb Stunden. Die Situation mit den Beamten macht ja das Geschäft auch so unheimlich schwer, weil ein Drittel der Beschäftigten noch im Beamtenstatus sind und die Post AG hier versucht, den einen Teil der Beschäftigten gegen die anderen auszuspielen, also die Arbeiter und Angestellten anders zu behandeln als die Beamten. Das gibt im Betrieb nicht nur Probleme mit der Arbeitsorganisation, sondern das gäbe natürlich auch eine Spaltung der Belegschaften und das ist natürlich etwas, was die Gewerkschaft auf jeden Fall verhindern will. Genau an diesem empfindlichen Punkt kommt man im Moment offensichtlich nicht weiter.

    Heinemann: Bedeutet denn eine Verlängerung der Arbeitszeit für die ehemaligen Postbeamten automatisch einen Arbeitsplatzabbau für die Angestellten?

    Barthel: Ja, das ist zu befürchten, weil natürlich dann die Beamtinnen und Beamten mehr arbeiten müssen. Das rechnet die Post dann sehr schnell in Stellen um und sie macht ja auch gar keinen Hehl daraus, dass weiterhin Beschäftigung abgebaut werden soll, obwohl man jetzt schon zum Teil Probleme hat, zum Beispiel Beamtinnen und Beamte aus dem Schalterdienst, die dort nicht mehr gebraucht werden, weil die Filialen privatisiert werden, diese alle unterzubringen. Die ständige Umstrukturierung in diesem Konzern birgt auch erheblichen Konfliktstoff, wenn dann noch neue Arbeitszeitregelungen dazu kommen.

    Heinemann: Wenn ich Sie richtig verstehe, benötigt die Post vor allen Dingen mehr Angestellte. Aber das ist doch gar keine Forderung der Gewerkschaft?

    Barthel: Nein! Es geht auch nicht um mehr, sondern es geht darum, die Arbeitsplätze, die da sind, dauerhaft zu sichern. Das ist ja auch ein wichtiger Gegenstand der Verhandlungen und das ist nicht möglich, wenn man gleichzeitig die Arbeitszeit verlängert. Ich sage auch wirklich noch mal dazu, dass das ein Thema insofern für uns politisch ist, weil wir immer mehr erleben, dass das Leistungsangebot und die Dienstleistungsqualität sich verschlechtert und die Bürgerinnen und Bürger sich deshalb bei uns beschweren.

    Heinemann: Arbeitsplätze sichern kann man vor allen Dingen dadurch, indem man die Produktivität steigert, das heißt die Leute auch länger arbeiten lässt.

    Barthel: Das ist richtig, aber das geschieht ja auch ständig schon. Es ist ja zum Beispiel auch in der Berechnung des Portos durch die Bundesnetzagentur ein jährlicher Rationalisierungsfortschritt zugestanden. Diese Rationalisierung setzt die Post auch durch, aber da sind natürlich irgendwann Grenzen gesetzt. Wenn das Sendungsvolumen wie es in den letzten Jahren war in etwa gleich bleibt und jedes Jahr fast 10.000 Stellen wegfallen, dann ist irgendwann der Punkt erreicht, wo die Menschen diese Arbeit nicht mehr schaffen können und wo auch nicht irgendwelche technischen Hilfsmittel noch eingesetzt werden können, weil ein großer Teil durch Handarbeit zu erledigen ist. Man kann ja nicht einen Roboter durch die Städte und Dörfer schicken. Deswegen fällt immer mehr die Leistungsqualität ab und das ist dann wiederum ein Problem, das die Deutsche Post dann im Wettbewerb mit Konkurrenten hat, die unter Umständen schneller und besser sind.

    Heinemann: Herr Barthel, der "Kölner Stadtanzeiger" spricht heute von der vor Monaten noch vorhandenen Liebesbeziehung zwischen Post und Gewerkschaft Ver.di, nämlich bei der Einführung des Mindestlohnes. Das Kribbeln im Bauch ist einem Grummeln gewichen. Wie kam es zu diesem Stimmungswechsel?

    Barthel: Nun war ja einmal ein gemeinsames Anliegen der Post und der Gewerkschaft zu sagen, wir müssen Lohndumping-Konkurrenz durch die neuen Wettbewerber verhindern, und da war man sich schnell einig. Für die Gewerkschaftsseite war aber klar, das muss dann auch helfen, die Arbeitsbedingungen im Konzern Deutsche Post AG zu sichern, während der Vorstand der Deutschen Post sagt, wir möchten weiterhin im Sinne unserer Rendite und unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit trotz allem Kosten im eigenen Konzern einsparen und das fällt uns unter Umständen mit dem Mindestlohn auch leichter, weil zunächst einmal die Konkurrenz Schwierigkeiten damit hat.

    Heinemann: Klaus Barthel (SPD), der postpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!