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SPD-Rentenkonzept
"Stabilisierung ist eine wichtige Botschaft"

Die von der SPD geplante Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent sei ein wichtiger Schritt, sagte Amelie Buntenbach, Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, im DLF. Sie fordert eine weitere Anhebung auf 50 Prozent - und hält das trotz steigender Beiträge gerade auch als Perspektive für junge Menschen für wichtig.

Annelie Buntenbach im Gespräch mit Peter Kapern | 07.06.2017
    DGB-Bundesvorstand Annelie Buntenbach steht am 20.09.2016 bei einer Tagung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zur Rentenpolitik in Berlin vor einer Tafel mit der Aufschrift "Meine Rente muss reichen für...".
    Annelie Buntenbach, Mitglied des DGB-Bundesvorstands. (picture alliance/dpa - Bernd von Jutrczenka)
    Peter Kapern: Im Herbst hatte Sozialministerin Andrea Nahles von der SPD noch von einem Rentenniveau von 46 Prozent gesprochen. Heute legte sich Martin Schulz auf 48 Prozent fest. Herrscht jetzt Partylaune bei den Gewerkschaften? Das habe ich vor der Sendung Annelie Buntenbach vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes gefragt.
    Annelie Buntenbach: Nein, Partylaune herrscht sicherlich nicht, denn die Flasche Sekt würden wir dann aufmachen, wenn die 48 Prozent Stabilisierung auch wirklich im Gesetz stehen. Denn das wäre der erste wichtige Schritt, damit das Absinken des Rentenniveaus, die Kürzungen der Renten, die in den letzten Jahren ja immer weitergegangen sind, dann auch beendet werden. Aber wir begrüßen natürlich, dass die SPD hier ein Halteniveau bei der Rente einziehen will, das ist das eine. Das Zweite aber, dass sie das auch bei dem Niveau von 48 Prozent tut oder tun will, das heißt, dass es aus ihrer Sicht keine weiteren Rentenkürzungen mehr geben soll. Das ist in der Tat aus unserer Sicht ein Schritt weiter, als wir im Herbst noch mit dem Konzept von Andrea Nahles bei den 46 Prozent waren. Die Gewerkschaften fordern ja, dass es im weiteren Schritt eine Anhebung des Rentenniveaus auf 50 Prozent geben soll. Das wäre nötig, damit wir hier mit der Rente für die Zukunft gut stehen. Aber der erste Schritt der Stabilisierung jetzt heute, das ist schon mal eine wichtige Botschaft.
    Kapern: Es gibt ja noch eine weitere Stabilisierung, die Martin Schulz den Wählerinnen und Wählern verspricht. Er sagt, mit mir wird es kein höheres Renteneintrittsalter als 67 geben. Ist der DGB damit auch schon glücklich, oder möchten Sie weiterhin ein Zurück zu den alten Renteneintrittsaltern?
    Buntenbach: Es ist gut, jetzt festzuhalten, dass es keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters geben soll, denn diese Diskussion, die immer wieder losgetreten wird, von Jens Spahn zum Beispiel oder Wolfgang Schäuble oder auch Raffelhüschen und anderen, dass das Renteneintrittsalter immer weiter steigen sollte, das wird von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Drohung empfunden. Denn viele schaffen es heute schon nicht, gesund und aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bis zu 65, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu kommen. Und bis zu 67 schon gar nicht. Das macht uns als Gewerkschaften große Sorgen. Deswegen kämpfen wir für ein realistisches Renteneintrittsalter. Und da ist jetzt zu sagen, es wird keine weiteren Anhebungen des Renteneintrittsalters geben, eine gute Botschaft. Die zweite gute Botschaft wäre, wenn es denn wirklich gelingen kann, die Menschen vor dem Absturz am Ende des Arbeitslebens besser zu schützen. Und dafür brauchen wir bessere Übergänge, bessere sozial abgesicherte Übergänge.
    Kapern: Nun erkauft sich ja die SPD ihr Rentenkonzept, das sie heute vorgestellt hat, durch eine, wenn man so sagen will, gewollte Kurzsichtigkeit. Dieses Rentenkonzept reicht nur bis zum Jahr 2030 und dann sind die Baby-Boomer gerade alle in Rente, die Beiträge explodieren und der Generationenkonflikt bricht so richtig auf, oder?
    "Langfristige Absicherung der Rente"
    Buntenbach: Das ist nicht zwangsläufig der Fall. Ich glaube in der Tat, dass wir eine langfristige Absicherung der Rente und des Rentenniveaus brauchen, über das Jahr 2030 hinaus, was jetzt in dem SPD-Konzept nicht enthalten ist. Wir haben als Gewerkschaften ja mit den Zahlen, die die Arbeitsministerin im vergangenen Herbst auch bis zum Jahr 2045 vorgelegt hat, ja noch mal gerechnet und haben da auch eigene Vorschläge zur Stabilisierung des Rentenniveaus beziehungsweise Anhebung gemacht. Zu einer leistungsfähigeren Rente, in die die junge Generation dann auch Vertrauen haben kann, und das geht. Das ist finanzierbar, das ist machbar und jetzt anzufangen damit, dass wir sagen, auf dem heutigen Niveau stabilisieren, das ist da ein erster ganz entscheidender Schritt. Aber da werden weitere Schritte folgen müssen. Und ich glaube, gerade für die junge Generation ist das extrem wichtig, dass sie klar haben, dass das Rentenniveau nicht noch weiter sinkt und gleichzeitig für sie die Beiträge steigen würden. Das wäre ein wirklich schlechter Deal.
    Kapern: Aber die Beiträge werden dann ja mutmaßlich steigen nach 2030, wenn sich die SPD so sehr ausschweigt über das, was dann danach kommt, eben unter der Anforderung, dass die ganzen Renten der Baby-Boomer finanziert werden müssen.
    Buntenbach: Die Beiträge werden in jedem Fall steigen. Das sagen die Prognosen, die Zahlen, die auf dem Tisch liegen, seit dem Herbst ja deutlich aus. Und da wird es auch nach dem Jahr 2030 dazu kommen. Die Frage ist nur, wenn jetzt die Politik nichts ändert und die Weichen weiter so gestellt bleiben wie jetzt im Moment, dann wird das Rentenniveau ja weiter absinken bis auf 41,7 Prozent im Jahr 2045. Und gleichzeitig werden trotz sinkendem Rentenniveau die Beiträge steigen. Das wäre auf jeden Fall ein schlechter Deal.
    Kapern: Aber sie würden weniger stark steigen, die Rentenbeiträge?
    "Rentenfrage entscheidende Frage der sozialen Gerechtigkeit"
    Buntenbach: Ich würde mir als junger Mensch mehr Sorgen darüber machen, dass, wenn die Rente weiter so in den Keller geht, ich dann, wenn ich später in Rente gehen will, ich dann keine mehr bekomme, mit der ich überhaupt über die Grundsicherung komme.
    Kapern: Frau Buntenbach, was denken Sie, bewegt die Rentenfrage derzeit die Mehrheit der Deutschen? Oder anders ausgedrückt: Kann man mit einem Rentenkonzept Wahlen gewinnen?
    Buntenbach: Ich glaube, dass die Rentenfrage eine ganz entscheidende Frage der sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Sicherheit ist. Denn letztlich ist das, was dann nachher im Alter man bekommt, ja auch ein Stück, sage ich mal, Bilanz dessen, wie die Gesellschaft aufgestellt ist, wie die Löhne, wie die Arbeitsverhältnisse ausgesehen haben. Und dass man, wenn man jahrzehntelang gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, dann am Ende auch eine Rente bekommt, von der man auch über die Runden kommen kann und in Würde leben kann, das halte ich schon für eine ganz entscheidende Frage. Dass nicht alle, die heute 20 sind, schon an ihre Rente denken, das ist, glaube ich, auch klar. Aber es ist eine gesellschaftliche Gerechtigkeitsfrage, die zwischen den Generationen austariert werden muss und wo es auch darum geht, wie denn hier auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrgenommen wird. Denn da wird es auch darum gehen, dass der Bundeszuschuss, der hier in die Rente fließt, auf Dauer dann auch angehoben werden muss.
    Kapern: Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.