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SPD-Sozialstaatskonzept
Der Abschied der SPD von Hartz-IV

Das Sozialstaatskonzept der SPD sieht unter anderem vor, dass Hartz IV durch ein neues Bürgergeld ersetzt werden soll. Nach dem Willen von Parteichefin Andrea Nahles soll es zum Teil noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Doch nicht nur aus der Union kommt scharfe Kritik.

Von Frank Capellan | 11.02.2019
    Andrea Nahles, Bundesvorsitzende der SPD, spricht nach einer Klausurtagung der Spitze und des Vorstandes der SPD im Willy-Brandt-Haus, der Bundeszentrale der Partei, während einer Pressekonferenz.
    Will die SPD mit den Beschlüssen zur Sozialpolitik aus der großen Koalition aussteigen? Das war "null Thema", so SPD-Chefin Nahles (picture alliance / Gregor Fischer)
    Andrea Nahles sucht die Offensive. Die Stimmung war gut im Parteivorstand. Die Abkehr von Hartz IV – ein Befreiungsschlag für die SPD! Das Bürgergeld soll eine Last von den Genossen nehmen. Wer maximal drei Jahre lang Arbeitslosengeld 1 bezogen hat, der muss nicht gleich sein Vermögen hergeben oder in eine kleinere Wohnung ziehen, um das zu erhalten, was sich heute noch Hartz IV nennt.
    "Dann sollen sich die Leute auf die Arbeitssuche konzentrieren und nicht Sorge haben, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen, dass Sanktionen drohen. Generell haben wir das Sanktionsregime angefasst und gesagt, unsinnige Sanktionen gerade bei Jüngeren, verschärfte Sanktionen, müssen weg."
    Sehr konkrete Pläne
    Sanktionen für Hartz IV-Empfänger, die nicht mit den Arbeitsagenturen kooperieren, ein zentraler Punkt für die Sozialdemokraten. Die SPD-Vorsitzende verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht gerade prüft, inwieweit solche Einschnitte rechtens sind. Da werden wir uns bewegen müssen, glaubt die langjährige Arbeitsministerin. Nahles unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass die neuen Pläne der SPD daher viel konkreter seien als es mancher in der Koalition wahr haben wolle.
    "So dass ich glaube, dass auch Teile von dem, was wir in unserem Sozialstaatspapier haben, auch in den nächsten Monaten auf die Tagesordnung kommen, und das wäre ja jetzt nicht das erste Mal, dass wir nun auch Sachen miteinander verabreden und in Gesetze gießen, die nicht im Koalitionsvertrag im Detail aufgeschrieben wurden, das wird man ausloten müssen, aber wir können mit Sicherheit auch eine ganze Reihe von Teilaspekten auch umsetzen."
    Linke: Bei uns abgeschrieben
    Klar ist: Die Grundrente deutlich über den Hartz IV Satz muss kommen, sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart und soll schon übermorgen beim Koalitionsgipfel Thema sein. Aber auch über einen auf zwölf Euro anzuhebenden Mindestlohn wollen die Sozialdemokraten mit der Union verhandeln. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hält es für legitim, dass sich die SPD mit einem Linksruck profilieren möchte. Das Bürgergeld ist wohl der weitestgehende Punkt, meint Brinkhaus.
    "Ich glaube nur, das wird nicht funktionieren, da haben die Menschen ein gutes Gefühl für, all das, was ausgegeben wird, muss finanziert werden, und im Zweifelsfall wird es nicht vom ZDF-Moderator oder vom Bundestagsabgeordneten bezahlt, sondern von Menschen, die durchaus weniger verdienen als wir beide!"
    Die SPD denkt an einen höheren Spitzensteuersatz und die Vermögenssteuer, um ihre Sozialreformen zu finanzieren. Zuspruch kommt da von der Linkspartei. "Sie haben bei uns abgeschrieben", erklärt deren Parteichef Bernd Riexinger, und fordert die SPD zugleich dazu auf, ihre Pläne zur Koalitionsfrage zu machen.
    "Wenn man feststellt, es geht mit der CDU nicht, und es wird mit der CDU nicht gehen, muss man diese Koalition verlassen!"
    Will die SPD das Bündnis mit der Union verlassen?
    Dass der Regelsatz bei Hartz IV nicht unmittelbar erhöht werden soll, kritisieren Linke und Grüne gleichermaßen. Kindergrundsicherung, Grundrente, nette Ideen, sagt Anna-Lena Baerbock, doch auch für die Grünen-Vorsitzende, ist nun wichtig:
    "Dass Union und SPD nicht so lange philosophieren, dass im Ende bei dem Konkreten, was gesetzlich geregelt werden kann, nichts bei den Menschen ankommt."
    Der Verdacht liegt nahe, dass die Sozialdemokraten einen Vorwand suchen, aus der Koalition auszusteigen. Sollte die angekündigten Sozialstaatspläne auch bei den nächsten Wahlen nicht greifen, dürfte der Druck wachsen, das Bündnis mit der Union zu verlassen – noch aber so versichert Parteichefin Nahles, sei das überhaupt kein Thema.
    "Ich wüsste nicht, was die Beschlüsse dieses Wochenendes jetzt mit der Frage, Verbleib oder Nicht-Verbleib in der Koalition zu tun hätten. Es war Null-Thema, um genau zu sein!"