Donnerstag, 25. April 2024

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SPD stimmt für GroKo
"Die Art und Weise der Debatte war großartig"

Als Gegnerin der GroKo ist die SPD-Generalsekretärin in Sachsen, Daniela Kolbe, zwar enttäuscht über das Abstimmungsergebnis, kann es aber trotzdem akzeptieren. Die Debatte innerhalb der Partei sei sehr kontrovers und trotzdem konstruktiv gewesen, sagte sie im Dlf. Davon brauche die SPD mehr.

Daniela Kolbe im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 05.03.2018
    Daniela Kolbe, spricht auf einer Pressekonferenz, im Hintergrund das SPD-Logo
    Die SPD-Politikerin Daniela Kolbe hatte sich vor der Abstimmung gegen eine Große Koalition ausgesprochen. (Arno Burgi/dpa)
    Jörg Münchenberg: Immerhin ein Drittel der SPD-Mitglieder hat die Neuauflage der Großen Koalition abgelehnt. Trotzdem ist es am Ende eine klare Niederlage für die GroKo-Gegner, die den ständigen Kurswechsel bei der SPD in den letzten Monaten eben nicht mittragen wollten. Der damalige Parteichef Martin Schulz hatte ja mehrfach betont, die SPD gehe in die Opposition, und daraus wird nun bekanntlich nichts. – Am Telefon ist nun Daniela Kolbe, SPD-Generalsekretärin in Sachsen, Mitglied des Bundestages und erklärte Gegnerin einer Großen Koalition. Frau Kolbe, einen schönen guten Morgen.
    Daniela Kolbe: Einen wunderschönen guten Morgen, Herr Münchenberg.
    Münchenberg: Frau Kolbe, wie enttäuscht sind Sie über den Ausgang der Mitgliederbefragung?
    Kolbe: Ja, ich bin schon enttäuscht. Es war ja eine Situation: Die SPD stand an einer Weggabel und musste sich entscheiden, welchen schwierigen Weg sie nimmt. Ich habe ganz explizit dafür geworben, nicht in eine Große Koalition zu gehen, und da wäre es schon merkwürdig, wenn ich nicht enttäuscht wäre. Aber nach einmal darüber schlafen bin ich durchaus auch schon mental einen Schritt weiter, denn wenn man sich das Ergebnis anguckt, zwei Drittel derjenigen, die abgestimmt haben, haben mit Ja gestimmt, mehr als die Hälfte aller SPD-Mitglieder hat mit Ja gestimmt, das hilft dann auch ein wenig, das Ergebnis zu akzeptieren und zu sagen, na gut, dann wird es jetzt eben dieser Weg. Wir haben auf die Gefahren hingewiesen und vielleicht ist es ja auch hilfreich, wenn in der Partei jetzt sehr viele auf diese Gefahren auch weiterhin hinweisen, und das sehe ich auch als meine Aufgabe mit an, dass wir in der Regierung eine gute Arbeit machen, aber auch den Erneuerungsprozess vorantreiben.
    "Spannende Debatten müssen Teil des Erneuerungsprozesses in der SPD sein"
    Münchenberg: Trotzdem stellt sich ja die Frage, Frau Kolbe: Wie geschlossen ist die SPD? Man sei zusammengewachsen, so hat es der Interims-Parteichef Olaf Scholz gestern gesagt. Sehen Sie das auch so? Ist die SPD wirklich geschlossen, wenn immerhin ein Drittel der Mitglieder Nein sagt zur GroKo?
    Kolbe: Was tatsächlich geholfen hat, war die Art und Weise der Debatte, die wir geführt haben. Das war großartig, das war spannend wie ein Krimi, das war leidenschaftlich und trotzdem respektvoll und ich habe zum Schluss des Prozesses gedacht, davon brauchen wir mehr, das muss Teil des Erneuerungsprozesses sein, dass in der SPD spannende Debatten stattfinden, die in der Gesellschaft auf der Tagesordnung stehen.
    Münchenberg: Trotzdem, sagen Sie ja selber, hat Sie das letztlich nicht überzeugt, diese spannende Debatte, weil Sie waren ja trotzdem eigentlich gegen die Große Koalition.
    Kolbe: Ja! Aber es ging ja nicht in der Art um Schwarz oder Weiß, richtig oder falsch. Es war ein Ringen um die besten Argumente. Das ist vielleicht auch etwas, was unsere Gesellschaft unter Frau Merkel ein bisschen verlernt hat, eine konstruktive, wertschätzende, aber auch kontroverse Debatte, die hart in der Sache ist. Davon brauchen wir mehr und davon braucht gerade auch die SPD mehr. Wir haben ja gesellschaftliche Herausforderungen wie den digitalen Wandel auch in der Arbeitswelt. Das sind Themen, die sind der SPD eigentlich auf den Leib geschneidert. Da müssen wir Antworten drauf finden und ich hoffe, dass wir das jetzt stärker annehmen und diese Debatte lebendig führen. Es sind 25.000 Menschen in die SPD eingetreten. Viele davon haben diesen Parteitag in Bonn angesehen und festgestellt, oh, hier geht ja richtig was zur Sache, hier wird richtig diskutiert, und das müssen wir uns mitnehmen. Insofern würde ich sagen, wir sind nicht gespalten, sondern wir stehen vor einer großen Herausforderung. Das werden spannende Zeiten jetzt, die vor uns liegen. Aber wir haben auch gemerkt, was in uns steckt an Kraft.
    "Die kritischen Stimmen müssen eingebunden werden"
    Münchenberg: Frau Kolbe, lassen Sie uns das trotzdem vielleicht noch mal ein bisschen genauer fassen. Was erwarten Sie denn jetzt von der Parteispitze? Wie muss sie mit den Kritikern und Gegnern, die es ja doch gibt auch in den eigenen Reihen, jetzt umgehen? Was erwarten Sie da ganz konkret?
    Kolbe: Ich erwarte ganz konkret, dass das, was in der Debatte immer wieder auch angeklungen ist, dass es jetzt einen Erneuerungsprozess gibt, dass es sich nicht ausschließt, zu regieren und sich zu erneuern, dass dem jetzt auch Taten folgen, dass klar und verbindlich auch den Kritikern dargelegt wird, wie der Erneuerungsprozess stattfinden wird, und dass die kritischen Stimmen auch eingebunden werden, allen voran der Juso-Bundesvorsitzende, der ja zum Gesicht dieser Kritiker geworden ist.
    Münchenberg: Das heißt, aber ganz konkret noch mal, dass ihm auch ein wichtiges Amt übertragen wird?
    Kolbe: Er hat ja ein wichtiges Amt. Aber wenn wir daran gehen, die SPD zu erneuern, dann braucht es da ja Prozesse, und in diese Prozesse muss Kevin Kühnert sichtbar eingebunden werden. Jetzt haben sich alle erst mal ein paar Tage Durchschnaufen verdient, aber danach werden diejenigen, die gegen die Große Koalition geworben haben, genau darauf achten, dass das auch verbindlich wird und nicht nur bei schönen Reden bleibt.
    "Wir wollen klarmachen, wofür die SPD eigentlich steht"
    Münchenberg: Kevin Kühnert, der Juso-Vorsitzende hat ja gestern selber gesagt, es gehe jetzt nicht darum, hier jemanden einzukaufen. Sie sagen selber, er muss trotzdem mit eingebunden werden. Wie könnte das trotzdem erfolgen? Sie sagen auch, er hat ein wichtiges Amt. Aber wie kann er jetzt vielleicht auch in diese neue Regierungsarbeit stärker eingebunden werden?
    Kolbe: Ich habe das nicht so wahrgenommen, dass Kevin Kühnert jetzt anstrebt, es in der Großen Koalition abgelehnt hat, in Regierungsfunktionen eingebunden zu werden. Ich glaube, es geht in der Tat um die Einbindung in den innerparteilichen Prozess, den ich für ebenso wichtig halte wie eine gute Regierungsarbeit. Wir haben ja durchaus viel Gutes rausverhandelt als SPD. Das wollen wir jetzt umsetzen. Wir wollen aber auch immer klarmachen, wofür die SPD eigentlich steht, und dazu brauchen wir diesen Erneuerungsprozess, dass inhaltlich wieder klarer wird, wofür steht denn die SPD, wenn es um Arbeitswelt der Zukunft geht, wenn es um die Verteilungsfrage geht. Das muss wieder klarer werden und da muss Kevin Kühnert eine wichtige Rolle spielen.
    "Ich lasse mich einbinden in die Fraktionsdisziplin"
    Münchenberg: Wie werden Sie denn jetzt abstimmen, wenn es darum geht, die Bundeskanzlerin wiederzuwählen? Sie waren ja vorher eine Gegnerin der Großen Koalition. Werden Sie jetzt mit Ja stimmen im Bundestag?
    Kolbe: Ich habe im Vorfeld immer gesagt, dass ich ein Ergebnis akzeptieren werde. Jetzt hat mehr als die Hälfte aller SPD-Mitglieder mit Ja gestimmt. Das heißt für mich, dass ich natürlich das akzeptiere, und das heißt für mich auch, dass ich erstens dafür streiten werde, dass ich die guten Sachen in der Rente, bei der Parität in der Krankenversicherung, in der Pflege, dass ich die mit umsetzen werde, und das heißt aber auch, dass ich natürlich Teil der Fraktion bin, die dann auch die Regierung bildet. Das heißt, natürlich lasse ich mich da einbinden in eine Fraktionsdisziplin.
    Münchenberg: … sagt Daniela Kolbe. Sie ist SPD-Generalsekretärin in Sachsen und Bundestagsabgeordnete. Frau Kolbe, besten Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Kolbe: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.