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SPD-Wahlprogramm
"Wir sagen ganz konkret, was wir für Familien tun wollen"

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig hat den Programm-Entwurf der Parteispitze zur Bundestagswahl verteidigt. "Es ist ein Programm, was viele Menschen in Deutschland erreichen wird", sagte Schwesig im DLF. Durch wegfallende Kita-Gebühren sollen Familien unterstützt werden. Auch kleinere und mittlere Einkommen will die SPD entlasten.

Manuela Schwesig im Gespräch mit Christine Heuer | 23.05.2017
    Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig (SPD), aufgenommen am 17.11.2016 auf einer Pressekonferenz zur Demenz-Versorgung in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommmern).
    "Wir stecken das Geld in Bildung und nicht in Aufrüstung" - die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    Christine Heuer: 70 Seiten hat die SPD schon zusammen für ihr Wahlprogramm. Ende Juni soll die Partei es beschließen. Gestern hat die SPD-Spitze es schon einmal beschlossen. Allerdings: Über Steuern und Renten steht wenig bis nichts drin im Wahlprogramm der SPD. Eine wichtige Leerstelle für die Wähler und gefehlt hat bei der Präsentation gestern in Berlin auch der Kanzlerkandidat. Das war jetzt nicht so gut im Ergebnis. Die Kritik ist ziemlich groß an dem Wahlkonzept und seiner Vorstellung. Am Telefon ist Manuela Schwesig, Bundesfamilienministerin, stellvertretende SPD-Vorsitzende und Mitautorin des Papiers, über das wir sprechen möchten. Guten Morgen, Frau Schwesig.
    Manuela Schwesig: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Drei Landtagswahlen verloren, Frau Schwesig, ein Wahlkonzept, das Kritik erntet. Vermasseln Sie nach dem Höhenflug von Martin Schulz gerade Ihren Wahlkampf?
    Schwesig: Nein. Die Landtagswahlen sind keine Vorentscheidung zur Bundestagswahl. Das Rennen ist völlig offen. Die Menschen unterscheiden, ob sie die Oberbürgermeisterin wählen, ob sie den Ministerpräsidenten wählen, oder ob es um die Bundestagswahl geht, und insofern gehe ich davon aus, diese Entscheidung ist noch völlig offen. Stimmungen drehen sich sehr schnell, wie wir immer wieder erfahren in der letzten Zeit, und deshalb ist für uns die Wahl offen und wir gehen mit einem guten Kandidaten und vor allem auch einem guten Programm in diese Wahl.
    "Hohe Geschlossenheit in der Partei"
    Heuer: Der Kandidat war gestern schon mal nicht dabei. Der Titel des Konzepts war falsch geschrieben, die Präsentation schwankt. Das alles wirkt wie mit der heißen Nadel genäht. Kann die SPD das nicht besser?
    Schwesig: Ich räume ein, dass gestern das Hin und Her, ob das Pressegespräch stattfindet oder nicht, suboptimal war. Dann kam noch der Schreck insbesondere für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu wegen dem Bombenalarm. Das war ein Morgen, der ein bisschen durchwachsen war. Aber die Präsentation selber, die war sehr gut, und wir haben uns entschieden als Leiter der Programmkommission, Thomas Oppermann, Katarina Barley und ich, das gemeinsam vorzustellen. Wir haben es vorher zusammen im Parteivorstand beraten und dieses Programm ist einstimmig beschlossen worden. Das zeigt, wie hoch die Geschlossenheit in der Partei ist.
    Und dieses Programm haben wir auch nicht mit der heißen Nadel gestrickt, sondern seit zwei Jahren erarbeitet, und auch nicht irgendwie im fernen Berlin, sondern mit vielen Menschen auch vor Ort. Wir haben Familienverbände einbezogen, uns mit Leuten, die im Gesundheitswesen sind, zusammengesetzt, aus den ganz verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, um darüber zu reden, was brauchen wir, wo soll die Reise hingehen in Deutschland. Wir haben vor Ort Programmkonferenzen gemacht, haben sehr, sehr viel Zeit investiert und vor allem es wirklich mit der breiten Basis erarbeitet, und deshalb ist es ein Programm, was auch viele Menschen in Deutschland erreichen wird.
    Heuer: Das hoffen Sie, Frau Schwesig. Jetzt sagen Sie, Sie haben seit zwei Jahren an diesem Programm gearbeitet, und doch steht das, was die Menschen in Deutschland ganz besonders interessiert, nämlich wie Sie sich die Steuerpolitik vorstellen, das steht nicht drin.
    Schwesig: Das stimmt nicht. Sie haben eben gesagt, dazu steht weder bei Rente, noch Steuern wenig bis nichts drin. Das ist nicht so. Wir haben uns bei Rente und Steuern klar festgelegt.
    "Wir wollen kleinere und mittlere Einkommen entlasten"
    Heuer: Aber nicht auf Zahlen, Frau Schwesig. Die Wähler wollen doch von Ihnen wissen, ob Sie die Steuern erhöhen, ob Sie die senken, oder ob Sie die gleich lassen. Können Sie darauf eine Antwort geben?
    Schwesig: Genau! Ja, das kann ich. Ich würde gerne einmal zur Rente was sagen. Bei der Rente ist es so, dass wir uns klar auf die doppelte Haltelinie festgelegt haben. Worum geht es? Es geht darum, wenn man jetzt bei der Rente alles so weiterlaufen lässt, wie jetzt die Gesetze sind, dann wird das Rentenniveau weiter absinken. Wir sagen, wir wollen das mindestens auf dem heutigen Stand stabilisieren. Und die Gefahr wäre dann, dass die Beiträge weiter steigen, und da sagen wir Nein, wir wollen auch, dass die Beiträge stabil bleiben.
    Bei den Steuern haben wir ganz klar uns festgelegt darauf, dass wir kleinere und mittlere Einkommen entlasten wollen, dass wir Menschen, die hohe Erbschaften haben, hohe Vermögen haben, auch stärker zur Verantwortung ziehen wollen. Und was ganz wichtig ist und dazu hat bisher keine Partei ein Konzept vorgelegt: Wir sagen ganz konkret, was wir für die Familien im Steuerrecht tun wollen. Schauen Sie, jetzt ist es so, dass 3,4 Millionen Familien in Deutschland mit Kindern unter 18 Jahren nicht profitieren vom Steuerrecht, weil das Ehegattensplitting an ihnen vorbeigeht, weil sie alleinerziehend sind, weil sie nicht verheiratet sind. Und wir wollen ein sogenanntes Familiensplitting einführen mit einem Kinderbonus, wo jede Mutter, jeder Vater von profitiert.
    Die einzelnen Kosten und die Zahlen, ja, das können wir noch im Konkreten nachliefern. Aber die Grundzüge, die stehen doch schon fest. Und Rente und Steuern, mit Verlaub, ist nicht das Einzige, was die Menschen interessiert. Zum Beispiel treibt viele Familien um, wie geht es weiter mit den Kita-Gebühren.
    "Wir stecken das Geld in die Bildung und nicht in die Aufrüstung"
    Heuer: Frau Schwesig, dazu haben Sie jetzt ganz viel gesagt. Das ist auch alles interessant. Aber ich würde trotzdem gerne noch mal bei den Steuern bleiben. Wenn ich Sie richtig verstehe, versprechen Sie den Deutschen hier und heute früh Steuersenkungen für den Mittelstand.
    Schwesig: Wir haben uns ganz klar darauf festgelegt in unserem Programm, dass wir einerseits Entlastung durch Investitionen wollen, indem wir zum Beispiel die Kita-Gebühren abschaffen. Das ist eine starke Entlastung für Familien mit kleinen Kindern. Und dass wir auch die kleineren und mittleren Einkommen entlasten.
    Heuer: Wie denn? Senken Sie die Steuern?
    Schwesig: Ja, indem wir zum Beispiel den Spitzensteuersatz nach hinten rausschieben werden, und davon werden alle, die in der Progression sind, profitieren. Für uns gehören Investitionen und Steuerentlastungen zusammen.
    Heuer: Die SPD verspricht vor allen Dingen Investitionen, Frau Schwesig - wir kommen an dieser Steuerstelle jetzt nicht so richtig weiter, wir können da offenbar nicht ganz konkret werden in diesem Gespräch, das wir führen. Aber Investitionen kosten Geld. Heißt das, am Ende wird der Steuerzahler mehr zahlen müssen, wenn die SPD ins Kanzleramt einzieht?
    Schwesig: Der Staat hat ja Steuermehreinnahmen. Jedes Jahr nimmt Herr Schäuble Milliarden Steuern mehr ein. Wir haben jetzt die Rekordsumme in den nächsten Jahren von 54 Milliarden Euro. Und im Wahlkampf werden wir deutlich machen, wer wo steht. Die Union hat angekündigt, die Aufrüstung um 20 Milliarden Euro anzuheben. Wir haben angekündigt, das Geld zum Beispiel in die Bildung zu stecken, die Kita-Gebühren abzuschaffen, mehr Ganztagsschulplätze zu bauen, und wir sagen ganz klar, wir stecken das Geld in die Bildung und nicht in die Aufrüstung.
    Heuer: Schon all das kostet aber mehr als 54 Milliarden Euro. Dann sind die Steuermehreinnahmen schon mal futsch.
    Schwesig: Erstens sind es viele Steuermehreinnahmen. Wir haben das ja in den letzten Jahren erlebt. Wir haben ja auch schon hier und da Geld investiert, zum Beispiel in den Kita-Bereich. Aber das reicht eben nicht. In den letzten Tagen haben auch Sie wie viele andere die Zahlen berichtet. Wir brauchen mehr Kita-Plätze, wir brauchen mehr Personal. Und ich will es mal konkret machen, weil Sie den Eindruck erwecken, es geht an den Menschen vorbei. Aber ich will es ganz konkret machen: Mich hat zum Beispiel letztens eine Verkäuferin angesprochen, die endlich Mindestlohn kriegt, und das ist wahrlich nicht viel. Die hat jetzt 1400 Euro, aber sie muss 600 Euro Kita-Gebühren für zwei Kinder zahlen. Das ist ungerecht! Sie hat am Ende weniger, als wenn sie nicht arbeiten gehen würde, und da sagen wir, die hart arbeitenden Menschen in unserem Land, gerade wenn sie Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, müssen besser unterstützt werden.
    Heuer: Manuela Schwesig. Ich glaube, Sie haben Ihren Punkt klar gemacht, Frau Schwesig. Manuela Schwesig, stellvertretende SPD-Vorsitzende und Familienministerin. Ich bedanke mich sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.