Dienstag, 23. April 2024

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SPD weist Unionskritik an der Gesundheitsreform zurück

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann hat sich gegen Änderungen bei der geplanten Gesundheitsreform ausgesprochen. Sie wies die Kritik aus den Reihen der Union mit den Worten zurück, sowohl die Länder, als auch die CSU seien zu jeder Zeit in die Verhandlungen über die Eckpunkte des Gesetzentwurfs einbezogen gewesen.

Moderation: Gerd Breker | 03.01.2007
    Gerd Breker: Frau Reimann, wenn im Gesetzentwurf etwas steht, wovon die Union keine Ahnung hat und was man so nicht vereinbart hat, was ist es dann, ein Missverständnis, oder versucht die SPD-Ministerin den Koalitionspartner über den Tisch zu ziehen?

    Carola Reimann: Also ich kann das nicht verstehen. Der Gesetzentwurf ist auf der Basis der Eckpunkte geschrieben worden, und es gab eine begleitende Arbeitsgruppe, wo die CSU immer beteiligt war, die den Gesetzentwurf auch noch begleitet hat. Jetzt liegt der Gesetzentwurf Wochen und Monate vor, und jetzt plötzlich sind Dinge im Gesetz angeblich, die nicht in den Eckpunkten drin gestanden haben.

    Breker: Also die CSU war ausreichend mit einbezogen?

    Reimann: Die Länder waren zu jeder Zeit eingebunden, und die CSU war auch mit eingebunden. Die CSU in Gestalt von Herrn Stoiber hat ja auch diese Eckpunkte mit verhandelt und hat ja das Gesetz auch mit beraten.

    Breker: Aber die einzelnen Formulierungen halt nicht?

    Reimann: Das ist richtig, aber dazu gibt es ja auch den Bundesrat und eine Gegenäußerung. Aber die einzelnen Formulierungen, auch das, dieser Gesetzentwurf ist mit einer kleinen Arbeitsgruppe mit Beteiligung der CSU erarbeitet worden.

    Breker: Die Unionsländer, aus denen jetzt Kritik zu hören ist, die fürchten eine Ländermehrbelastung in Milliardenhöhe. Mal abgesehen von dieser Höhe, das wird sich ja klären, wenn das Gutachten vorliegt, das ist doch im Prinzip gewollt?

    Reimann: Ja, das ist aber auch wie so eine Echternacher Springprozession. Das ist ja ein Thema, das auch im Sommer schon mal besprochen worden ist. Es ist gewollt, und jede bundesweit agierende Kasse macht ja diesen Ausgleich schon in sich, und die Ministerpräsidenten gerieren sich quasi so als Besitzer der allgemeinen Ortskrankenkassen, die ja landesweit nur agieren, und da ist es möglich, dass Bundesländer, die sehr einkommensstarke Regionen haben, dass da unter Umständen etwas abfließt. Aber dafür gibt es eine Konvergenzklausel, die auch verhandelt worden ist mit Herrn Stoiber, man kann auch sagen, Bayern-Klausel, die jedes Land davor schützt, mehr als 100 Millionen da im Prinzip zu verlieren.

    Breker: Und da hat man ja auch schon Zahlen. Wenn man etwa Nordrhein-Westfalen nimmt bei den allgemeinen Ortskrankenkassen, es sind 900.000 Euro, die da jährlich abfließen.

    Reimann: Da gibt es jetzt verschiedene Zahlen. Wir hatten als Bundestag und als Gesundheitsausschuss eine umfangreiche Anhörung durchgeführt, und in den Anhörungen ist eigentlich unisono gesagt worden, dass nicht erwartet wird, dass diese Konvergenzklausel überhaupt greifen wird, weil diese 100 Millionen gar nicht erreicht werden. Das war da die allgemeine Einschätzung. Jetzt gab es da unterschiedliche Positionen dazu, und jetzt gibt es ja auch verschiedene Gutachten, die das von verschiedenen Seiten her nochmal beleuchten werden, und da wird es ja auch nochmal Gutachten geben in dieser Woche.

    Breker: Wenn Sie sich das Hin und Her jetzt anschauen, Frau Reimann, kann es sein, dass es den Unionsländern gar nicht um die Gesundheitsreform geht, sondern um ein Faustpfand, was man später vielleicht beim Länderfinanzausgleich, wenn es dann um die Föderalismusreform Teil zwei geht, benutzen kann?

    Reimann: Ja, also ich finde, die Situation wird schon langsam unerträglich. Die Leute haben es einfach satt, das muss man klar sagen. Silvester sagt die Kanzlerin, die Union steht zur Reform, Tag zwei des neuen Jahres hält sich kein Mensch mehr dran, und es sind immer diese gleichen Argumente, die da ins Feld geführt werden, also es entbehrt eigentlich jeder sachlich-fachlichen Grundlage, was da passiert.

    Breker: Es gibt Experten, Frau Reimann, die sagen, die Positionen der beiden großen Parteien sind immer noch so weit auseinander, dass es besser wäre, keine Gesundheitsreform als so eine.

    Reimann: Also es ist ein Kompromiss, das ist natürlich klar. Wir wissen, dass die Haltungen sehr unterschiedlich sind, aber es kann nicht sein, dass man auf die gesamte Reform verzichtet, denn es wird im Moment der Eindruck erweckt, man kann auch einfach mal nichts tun, und das geht ja nicht. Das ist eigentlich auch allen klar gewesen, auch im Bundestagswahlkampf und auch danach, und deswegen kann sich auch keiner leisten, gar nichts zu tun. Das, was jetzt da liegt, ist ein Kompromiss, zugestanden, aber es ist natürlich immer noch besser, als wenn man gar nichts täte, das kann gar nicht sein.

    Breker: Kann man denn Teile davon, etwa den Gesundheitsfonds, weglassen?

    Reimann: Es gehört schon alles miteinander, weil das ist ja das große Problem bei diesem komplexen Thema Gesundheit, dass, wenn Sie bestimmte Dinge ändern, das natürlich auch immer Wechselwirkungen und Nebenwirkungen in andere Bereiche hat. Deswegen hat es auch so lange gedauert, weil man nicht einzelne Bereiche da herausnehmen kann, herausgreifen kann, sonst hätte man sie auch isoliert für sich regeln können.

    Breker: Aber die Union will ja noch Änderungen. Also wird es noch Änderungen geben?

    Reimann: Also wir haben natürlich immer in jedem Gesetzgebungsverfahren noch Änderungsbedarf, Konkretisierungsbedarf. Ein Punkt war zum Beispiel der Bereich Anwendung des Insolvenzrechts auch auf die allgemeinen Ortskrankenkassen. Da gibt es eine Fülle von Details, die natürlich besprochen werden müssen, das war aber von Anfang an klar, dass es über das Gesetzgebungsvorhaben passieren muss, und da sehe ich auch, dass da noch Änderungs- und Veränderungsbedarf da ist, aber an den zentralen Punkten und an den zentralen Linien und auch im Bereich der privaten Krankenversicherung, in den die CSU ja immer zielt, da kann es keine Änderungen mehr geben, da gibt es einen Kompromiss, und dazu müssen jetzt auch alle stehen.