Freitag, 19. April 2024

Archiv


SPD will mehr Geld in Bildung investieren

Die Aufhebung des Kooperationsverbotes von Bund und Ländern ist eines der wichtigsten Ziele der SPD. Das zur Finanzierung notwendige Geld werde durch Änderungen in der Steuerpolitik aufgebracht, sagt Ulla Burchardt, die Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses.

Ulla Burchardt im Gespräch mit Manfred Götzke | 12.03.2013
    Manfred Götzke: Gestern haben die Sozialdemokraten ihr Wahlprogramm veröffentlicht mit dem wohlklingenden Namen "Deutschland besser und gerechter regieren". In 20 von 100 Seiten geht es darin um Bildungspolitik, und diese Seiten hat Ulla Burchardt mitverfasst. Sie ist die Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses. Bevor wir darüber sprechen, zitiere ich mal ein paar Schlagworte: Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft Senken; gebührenfreie Bildung von Kita bis Hochschule; mehr individuelle Förderung. Frau Burchardt, das klingt alles so, als sei das ein Wahlprogramm für Nordrhein-Westfalen oder Bayern, denn das alles können ja bisher nur die Länder umsetzen.

    Ulla Burchardt: Ja, der entscheidende Punkt ist, dass alle festgestellt haben, dass das Kooperationsverbot im Grundgesetz, was vor sechs, sieben Jahren festgelegt worden ist, dass das ein Irrweg gewesen ist in der Bildungspolitik. Und dass wir die Aufgaben, die im Bildungswesen insgesamt - unabhängig, um welches Land es sich handelt -, dass wir die nur gemeinsam schultern können, Bund und Länder gemeinsam. Und deswegen wollen wir das Kooperationsverbot aufheben und sagen, der Bund muss sich auch an der Finanzierung von Bildungsaufgaben beteiligen können.

    Götzke: Nur an der Finanzierung oder wollen Sie die Länder komplett entmachten, denn das klingt so, wenn man das Wahlprogramm liest?

    Burchardt: Nein, überhaupt nicht, also das könnten wir auch innerparteilich schon gar nicht durchsetzen, weil wir haben ja sehr starke Länder auch innerhalb der SPD, und starke und durchsetzungsfähige Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, und die sagen natürlich, Bildung muss Länderhoheit bleiben. Davon bin ich auch zutiefst überzeugt, in einem Staat mit 80 Millionen Menschen kann es keine zentralistische Bildungspolitik geben, das wäre für nichts gut. Aber was möglich sein muss, ist ein kooperativer Föderalismus. Die Zusammenarbeit muss möglich sein. Und vor ein paar Jahren, bei der Grundgesetzänderung, haben die meisten Länder oder eigentlich alle Länder damals gesagt, also der Bund soll sich ganz raushalten. Und alle haben zwischenzeitlich festgestellt, das war ein Fehler. Und zur Lernfähigkeit gehört auch, dass man zugibt, wenn man Fehler gemacht hat, und sagt, man will es besser machen.

    Götzke: Nun war bei dem Thema ja auch die Bundesregierung durchaus lernfähig. Sie hat sich ja in den vergangenen Wochen und Monaten für die Abschaffung des Kooperationsverbotes auch eingesetzt. Sie haben es scheitern lassen.

    Burchardt: Nein, das ist falsch, wenn ich das so sagen darf. Die damalige Bundesbildungsministerin wollte ausschließlich das Kooperationsverbot für einen kleinen Teil von Hochschulen aufheben, nämlich für Exzellenz-Unis. Und nicht für den Bildungsbereich insgesamt. Und wir haben gesagt, das reicht nicht, dass der Bund sich nur an der Finanzierung von Spitzen-Unis beteiligt, sondern der Bund muss sich in der gesamten Breite des Bildungswesens beteiligen. Zum Beispiel warten ganz, ganz viele Eltern und Schüler darauf, dass es bessere Ganztagsschulangebote gibt. Das können die Länder überhaupt nicht alleine stemmen. Nur die Bundesregierung ist leider zu keinerlei Gesprächen beispielsweise mit den Bundestagsfraktionen bereit gewesen und hat es scheitern lassen.

    Götzke: Tja, was wollen Sie denn jetzt machen, auch wenn die SPD Regierungsverantwortung übernimmt im Herbst, werden Sie eine Zweidrittelmehrheit brauchen, und die bekommen Sie auch nur mit Zustimmung der Union. Die wird ihre Position ja da nicht geändert haben.

    Burchardt: Ach, ich glaube, wir haben in den letzten Monaten festgestellt, dass die Union so viele Positionen geräumt hat, also wenn Sie die Abstimmungen im Bundestag freigeben würden, ob das Kooperationsverbot im gesamten Bildungsbereich fallen sollte, dann würde es mehr als eine Zweidrittelmehrheit geben. Das sind im Moment ganz merkwürdige Festlegungen innerhalb der Union, warum diese Abstimmung nicht so läuft, wie die Menschen erwarten, dass sie ausgehen sollte.

    Götzke: Da sind Sie jetzt aber sehr optimistisch. Dann lassen Sie uns noch mal ganz kurz über einzelne Punkte sprechen. Wie groß sollte der Einfluss des Bundes beim Thema Schulpolitik sein?

    Burchardt: Schulpolitik soll in Länderhoheit bleiben. Was aber notwendig ist, wir brauchen dringend einen Ausbau der Infrastruktur, sprich die Ganztagsschulangebote müssen ausgebaut werden. Das ist zum einen ganz wichtig dort, wo überall G8 eingerichtet worden ist, das stellen wir ja fest, die Schulen sind überhaupt nicht dafür ausgelegt, dass die Schüler sieben Stunden, teilweise acht Stunden in der Schule sind. Da gibt es kein vernünftiges Mittagessen und alles.

    Götzke: Das heißt, Sie wollen da Geld geben.

    Burchardt: Aber natürlich.

    Götzke: Wie viel?

    Burchardt: Das kann man im Moment nicht so genau beziffern. Wir haben gesagt, dass bis 2020 auf jeden Fall die Ganztagsschulangebote deutlich ausgeweitet werden sollen. Auch da, wo es gewünscht wird, über alle Schulformen hinaus.

    Götzke: Ein anderer Punkt, den Sie in Ihrem Regierungs- oder Wahlprogramm drin stehen haben, ist der Kita-Ausbau, den wollen Sie weiter forcieren. Das ist ja momentan sogar Sache der Kommunen, wie wollen Sie die Kommunen unterstützen, und wo will der Bund, eine Bundes-SPD fehlende Erzieherinnen her bekommen, die Sozialdezernenten in den Kommunen vor Ort auch nicht finden?

    Burchardt: Also wir haben ja damals schon in den letzten Monaten der rot-grünen Koalition durchgesetzt, dass der U3-Ausbau gefördert wird. Dieses Vier-Milliarden-Programm haben wir damals ja mit angestoßen. Und indem wir sagen, wir wollen tatsächlich das Steueraufkommen erhöhen, indem wir den Spitzensteuersatz erhöhen und auch die Vermögenssteuer einführen, wird es genügend Geld geben sowohl beim Bund wie bei Ländern. Jeder muss zehn Milliarden Euro im Jahr mehr aufbringen, um diese Ausbauleistungen in der Infrastruktur zu gewährleisten. Und, Sie haben völlig recht, wir brauchen auch eine bessere Qualifizierung des Personals. Alle reden davon, dass Inklusion wichtig ist, alle reden davon, dass die Sprachförderung in der Kita besser werden muss, und dazu ist es wirklich notwendig, das vorhandene Personal auch besser und regelmäßiger zu qualifizieren.

    Götzke: Ein wichtiger Punkt in der Bildungspolitik, in dem der Bund lange Zeit viel Einfluss hatte, ist die Hochschulpolitik. Wollen Sie etwa ein Hochschulrahmengesetz wieder einführen, um diese Differenziertheit, die Ausdifferenzierung der Studiengänge wieder zurückzudrehen?

    Burchardt: Nein, von einem Hochschulrahmengesetz ist nicht die Rede. Aber auch bei den Hochschulen gilt, dass viele neue Herausforderungen auf die Hochschulen zugekommen sind und die zudem seit vielen Jahren strukturell unterfinanziert sind. Und deswegen ist es auch hier wichtig, dass der Bund sich an der Grundfinanzierung der Hochschulen mit beteiligt, und dieses findet sich tatsächlich auch so wörtlich in dem Wahlprogramm wieder. Wir wollen, dass es auch mehr Personal gibt an den Hochschulen, damit die Betreuungsrelation verbessert wird, sprich, mehr Lehrende auf die Studierenden kommen. Diese Zahl hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr unglücklich entwickelt. Und wir müssen natürlich dafür sorgen, dass alle die jungen Menschen, die einen Bachelor-Abschluss gemacht haben, prinzipiell auch die Möglichkeit haben, einen Master-Abschluss zu machen.

    Götzke: Wenn man das jetzt alles zusammen summiert, kommt man auf Summen von 30, 40, vielleicht 50 Milliarden Euro, die Sie da zusätzlich in die Bildung investieren wollen – woher wollen Sie das alles nehmen?

    Burchardt: Na ja, das kommt ja nicht alles auf einmal. Ich hab ja vorhin gesagt, dass wir im Bereich der Steuerpolitik gesagt haben, Steuerpolitik ist Gesellschaftspolitik - und gemäß der Devise von Johannes Rau, dass starke Schultern mehr tragen können als schwache, dass wir den Spitzensteuersatz erhöhen wollen auf 49 Prozent für Einkommen bei Verheirateten ab 200.000 Euro. Dass wir die Vermögenssteuer einführen und dass wir die Privilegien für sehr, sehr reiche Erben bei der Erbschaftssteuer abschaffen werden. Da kommt einiges hinzu – Finanztransaktionssteuer wäre auch noch ein Stichwort – da kommt einiges zusammen. Und unsere Finanzer haben errechnet, dass damit jedes Jahr zusätzlich zehn Milliarden Euro mehr über den Bund für das Bildungswesen aufgebracht werden können. Und zehn Milliarden mehr von den Ländern. Und man muss sehen, das ist ja nicht ein Fass ohne Boden, sondern jeder Euro, den Sie in das Bildungssystem investieren, zum Beispiel in Personal, der zahlt sich ja mehrfach wieder aus. Also insofern sind letztlich Mehrausgaben für Bildung, sind die auch ein nicht sich völlig selbst finanzierendes System, aber je mehr Sie in Bildung investieren, desto mehr Menschen sind beschäftigt, desto höher ist das Wachstum, da gibt es eindeutige Zusammenhänge. Und insofern ist das auf jeden Fall gut investiertes Geld, was sich rechnet.

    Götzke: Die SPD hat ihr Wahlprogramm veröffentlicht. Ein Hauptthema darin die Bildungspolitik. Was die SPD bildungspolitisch so alles vorhat, hat uns Ulla Burchardt, die Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses erläutert. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.