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Speichertechnologie
50 Quantenbits auf einem Chip

Quantenchips sind in der Speichertechnik das nächste große Ding: Wenn ihre Kinderkrankheiten gelöst sind, könnten sie riesige Datenmengen auf kleinstem Raum speichern und verarbeiten. Die Computerfirma IBM hat in diesem Rennen gerade die 50-Quantenbit-Marke geknackt. Aber beim Schreiben und Auslesen gibt es noch Schwierigkeiten.

Von Thomas Reintjes | 20.11.2017
    Computer-Artwork der Schaltkreise eines Quantencomputers
    Bei alten Computerchips konnte man genau sagen, wo eine 1 und wo eine 0 gespeichert ist. Bei Quantenchips kann ein Bauteil viele unterschiedliche Informationen enthalten. (imago / Alfred Pasieka)
    50 Bits, das ist in der Computerwelt eigentlich nichts. 50 Transistoren, die je nach Schaltzustand entweder die Zahl 0 oder 1 repräsentieren, damit kann man fast nichts anfangen. Schon in den 1970ern hatten Prozessoren Tausende Bits, heute haben sie mehrere Milliarden. 50 klassische Bits sind in punkto Rechenleistung also ein Witz. Doch bei 50 Quantenbits sieht die Sache ganz anders aus. Denn Quantenbits, kurz Qubits, sind die Recheneinheiten von Quantencomputern und können die Werte 0 und 1 gleichzeitig repräsentieren, was hochparallele Datenverarbeitung ermöglicht:
    "50 Qubits, das ist eine Größenordnung, ab der man Quantencomputer kaum noch simulieren kann - nicht mal auf dem schnellsten Supercomputer."
    Das sagt Matthias Steffen, Forscher bei IBM in den USA. Quantum Supremacy, Quanten-Überlegenheit, wird diese Schwelle deshalb genannt. Und theoretisch haben sie bei IBM diese Schwelle jetzt erreicht. Man habe erfolgreich einen funktionierenden Prototyp eines 50-Qubit-Prozessors gebaut, meldete das Unternehmen kürzlich. Die Qubits darauf sind supraleitende Leiterschleifen, die sich in einen quantenmechanischen Überlagerungszustand versetzen lassen.
    Kompakt, aber höchst ablenkbar durch Nachbarn
    Überlegen ist der Quantenchip klassischen Computern aber noch nicht. Denn seine Rechenoperationen sind noch sehr fehleranfällig. Matthias Steffen: "Wenn man viele Qubits auf einem Chip unterbringt, dann hat jedes Qubit mehr Nachbarn, die seinen Speicherzustand stören können. Es gibt eine Menge Dinge, die unter der Haube passieren und die es schwierig machen, Quantenprozessoren weiterzuentwickeln."
    Dazu gehört auch, das Mikrowellensignal zu steuern, mit dem die Qubits programmiert werden. Wenn die Qubits dreidimensional angeordnet sind, kann es schwierig werden, die Mikrowellen so zu fokussieren, dass sie gezielt nur ein innenliegendes Qubit adressieren. Was die Sache nicht einfacher macht, ist, dass Quantencomputer es kalt lieben. Die Maschinen bei IBM laufen bei zehn Millikelvin, also 0,01 Grad über dem absoluten Nullpunkt.
    "Man hört das Geräusch eines unserer Kühlgeräte, das Quietschen eines Pulsröhrenkühlers. Der bringt die erste Stufe runter auf vier Kelvin. Er komprimiert Helium und lässt es sich wieder ausdehnen."
    Hohe Rechenleistung vor allem für Wissenschaft interessant
    Der Quantenchip steckt in einer weißen Stahlröhre, die oben an einem Metallgestell befestigt ist. Daneben stehen klassische Computer, um den Quantencomputer zu kontrollieren.
    Aber die Quantencomputer von IBM lassen sich auch von außerhalb steuern. Ein Fünf-Qubit- und ein 16-Qubit-Prozessor lassen sich von jedermann kostenlos über das Internet nutzen. Der Zugriff auf eine 20-Qubit-Variante soll noch dieses Jahr angeboten werden, dann allerdings gegen Gebühr. Und früher oder später wird IBM auch das 50-Qubit-Modell kommerziell verfügbar machen. Vor allem für wissenschaftliche Anwendungen könnte das interessant sein, etwa, wenn es in der Chemie darum geht, Moleküle zu simulieren.
    Matthias Steffen: "Quantensysteme auf einem klassischen Computer zu simulieren, bedeutet einen exponentiellen Mehraufwand. Deshalb will man ein Quantensystem nehmen, das wir gebaut haben, das wir gut verstehen, um ein anderes Quantensystem zu simulieren, das wir nicht gut verstehen."
    Auch Harvard und Google sind im Quantenchip-Rennen
    Richtig interessant wird aber auch das erst bei einem Quantenchip mit hunderten Qubits, sagt Matthias Steffen. Und ob der als erstes von IBM präsentiert werden wird, da ist das Rennen noch offen. Auch Google will dieses Jahr noch einen 50-Qubit-Chip vorstellen, und Universitäten wie Harvard sind mit ihrer Forschung ebenfalls bei dieser Größenordnung angekommen.