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Spenden für die Umwelt

So manche Umweltorganisation könnte ohne Spenden von Wirtschaftsunternehmen nur schwer überleben. Doch kann eine Organisation trotz dieser Spenden unabhängig bleiben? Unter Umwelt-Aktivisten ist man da ganz unterschiedlicher Meinung.

Von Michael Castritius | 11.12.2012
    Dass andere Umweltverbände das Lied der Industrie sängen, weil sie deren Brot essen, das will niemand aus der Branche behaupten. Auch die nicht, die selber keine Spenden, kein Sponsoring aus der Wirtschaft dulden. Aber die Gefahr, eine Melodie mitzusummen, sie als Ohrwurm unbewusst mit sich herumzutragen, die bleibt, sagen die Puristen unter den Umweltschützern. Dazu gehört Greenpeace, das keine Spenden von Unternehmen annimmt. Stefan Krug, Leiter des Berlin-Büros:

    "Ich bin davon überzeugt, dass man jemandem, von dem man Geld bekommt, anders gegenübertritt als jemandem, mit dem man keinerlei Beziehungen und vor allem keine Geschäftsbeziehung hat."

    Greenpeace gegen Green-Washing – das geht aber nicht so weit, dass sich Greenpeace-Aktivisten vom Naturschutzbund NABU distanzieren, weil dieser bei einzelnen Veranstaltungen mit Volkswagen kooperiert und von Volkswagen gesponsert wird. Obwohl Greenpeace den Konzern derzeit attackiert:

    "Wir haben dann natürlich eine etwas seltsame Situation, wenn wir eine Kampagne gegen ein Unternehmen führen, das gleichzeitig mit anderen NGOs zusammen Positiv-Kampagnen macht und Gelder für diese NGOs bereitstellt. Mit diesen Greenwash-Aktivitäten können diese Unternehmen sich natürlich ein Image verschaffen, das sie von der Sache her unserer Meinung nach gar nicht haben. Das sind Konzerne, die unterm Strich der Umwelt schaden und nicht nutzen."

    Greenpeace etwa prüft jede größere Spende, ob sich dahinter unsaubere Interessen verbergen.

    "Und wir überweisen auch schon mal zurück,"

    sagt Stefan Krug.

    Beim NABU ist das "Geldeintreiben", Fundraising, gleich in einer Abteilung mit Marketing und Kommunikation angesiedelt, geleitet von Klaus-Henning Groth. Er betont die Chancen, die sich aus der Zusammenarbeit mit rund 30 Konzernen wie VW ergeben.

    "Für uns ist es wichtig, dass die Unternehmen zu uns passen, dass sie sich erkennbar auf den Weg gemacht haben, in Richtung Nachhaltigkeit, in Richtung einer Umweltverträglichkeit, umweltverträgliches Wirtschaften. Früher waren Umweltschützer vor den Toren angekettet und haben protestiert. Heute ist es so, dass wir zusammensitzen am Tisch und gemeinsam besprechen, was man tun kann, um Umweltfolgen unternehmerischen Handelns zu mildern oder tatsächlich Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit grundsätzlich besser aufzustellen."

    Kooperation statt Konfrontation: Konzernpolitik von Innen im Sinne des Umweltschutzes verändern – das ist der Kerngedanke. So gewinnt in vielen Verbänden - neben Mitgliedsbeiträgen, Privatspenden und staatlicher Unterstützung - das Engagement der Wirtschaft an Bedeutung. "Aber nicht deren Einfluss, dafür sind wir längst viel zu stark", argumentieren Befürworter der Kooperationen. Grün gewaschenes Geld stinkt nicht. Das bezweifelt allerdings Helmut Röscheisen, Urgestein der Umweltschützer-Szene, Generalsekretär des Dachverbandes Deutscher Naturschutzring.

    "Sie müssen sich einfach in die Lage von Firmenvertretern versetzen, die jetzt Kooperationen mit gemeinnützigen Organisationen eingehen: Was sind die Ziele dieser Unternehmen? Das betrifft uns ja alle, auch mich: Wenn ich mit jemand intensiv zusammenarbeite, entsteht da Nähe. Und da gibt es ein gutes Heilmittel gegen: möglichst viel Transparenz!"

    Transparenz, damit diese Nähe nicht zur Verführung werden kann. Aber so mancher Spender, dass wissen auch die Umweltverbände spätestens seit Helmut Kohl, will lieber anonym bleiben. Aus persönlichen Gründen, oder um der Konkurrenz keine Einblicke zu gewähren. In solchen Fällen solle zumindest die Branche genannt werden, aus der der Geldsegen kam, fordert Helmut Röscheisen. Dann könnten Mitglieder und Förderer des jeweiligen Verbandes einschätzen, ob der Zweck die eingenommenen Mittel rechtfertigt.

    Zum Beispiel Geld von Rußfilter-Herstellern, die die Deutsche Umwelthilfe erhält – und gleichzeitig ökologisch für den Einbau solcher Filter wirbt. Klientelpolitik sei das aber nicht, schließlich habe sich die Umwelthilfe erst für das Thema engagiert, dann seien die Spenden gekommen – und keinesfalls umgekehrt. Gerd Rosenkranz, er leitet die Politik-Abteilung der Umwelthilfe, begründet solche Kooperationen kurz und bündig:

    "Erstens brauchen wir das Geld, ganz einfach. Und zweitens ist die Wirtschaft einfach wichtig."

    Einen Realo würde man Rosenkranz in der grünen Partei nennen, der intensiv und offensiv mit der Industrie zusammenarbeitet.

    "Ich möchte gerne erreichen, dass die unterschiedlichen Formen der Finanzierung nicht mehr unterschiedlich moralisch bewertet werden. Ich finde das völlig in Ordnung, was wir machen, wir knien uns rein in die neuen Sicherheitskonzepte, die nicht umgesetzt werden. Greenpeace steigt den Atomkraftwerken aufs Dach und hat schöne Bilder. Das sind dann unterschiedliche Ergebnisse, aber mit demselben Ziel."

    Wege zum Ziel mag es so viele geben wie Umweltverbände: kooperative und konfrontative. Aber eines haben alle Gruppen gemeinsam: Ihr wichtigstes Kapital ist die Glaubwürdigkeit. Und um die zu erhalten, braucht es größtmögliche Transparenz.