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Spenderorgane
Bluttest erkennt frühzeitig Abstoßungsreaktionen

Medizin. - Wissenschaftler können aus der Blutprobe eines herztransplantierten Patienten herauslesen, ob das transplantierte Herz abgestoßen wird. Bislang waren dazu aufwendige und schmerzhafte Biopsien notwendig. Die neue Testmethode wird im Fachmagazin "Science Translational Medicine" vorgestellt.

Von Marieke Degen | 19.06.2014
    Eine Blutprobe wird am 30.10.2013 bei einem Journalisten-Workshop der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn (Nordrhein-Westfalen) in einen speziellen Transportzylinder verpackt.
    Mit einer Blutprobe kann auch kontrolliert werden, ob gespendete Organe abgestoßen werden. (dpa / Marius Becker)
    Kiran Khush ist Kardiologin an der Stanford Uniklinik in Kalifornien. Sie betreut dort Patienten, die ein Herz transplantiert bekommen haben. Die ersten zwei Jahre nach der Operation, sagt sie, seien besonders kritisch.
    "Eine der häufigsten Komplikationen ist, dass das fremde Herz vom Körper abgestoßen wird. Manchmal kommen die Patienten dann mit Herzversagen zu uns, sie sind kurzatmig, haben Herzrhythmusstörungen. Es gibt aber auch Patienten, die überhaupt keine Symptome zeigen. Deshalb müssen wir alle Transplantierten regelmäßig untersuchen. Wenn wir eine Abstoßungsreaktion nicht erkennen, könnten die Patienten das Spenderorgan verlieren, schlimmstenfalls sogar daran sterben."
    Mit den richtigen Medikamenten kann man eine Abstoßungsreaktion wieder in den Griff bekommen – wenn man sie rechtzeitig erkennt. Und das geht im Moment am sichersten mit einer Biopsie.
    "In den ersten beiden Jahren machen wir bei jedem unserer Patienten um die fünfzehn Herzbiopsien. Wir entnehmen Gewebe aus dem Spenderherz und untersuchen, ob die Zellen vom Immunsystem des Empfängers angegriffen werden. Eine Herzbiopsie ist für die Patienten alles andere als angenehm. Außerdem kann die Herzklappe dabei geschädigt werden, oder es können Herzrhythmusstörungen auftreten."
    Die Forscher aus Stanford präsentieren jetzt eine Alternative: Einen Bluttest. Und der funktioniert so: Wenn alte Zellen in unserem Körper zersetzt werden, geraten kleine Stückchen unseres Erbmaterials in die Blutbahn, so genannte zellfreie DNA. Bei jedem von uns schwimmt zellfreie DNA im Blut. Bei Menschen mit einem Spenderorgan ist es aber nicht nur die eigene DNA, sondern auch die DNA des Spenders. Die Forscher können die jeweiligen Anteile im Blut messen: Normalerweise ist der Anteil an Spender-DNA sehr gering. Doch wenn das Spenderherz angegriffen wird, werden mehr Zellen zerstört – und der Anteil an Spender-DNA steigt.
    Khush: "Auf diese Weise können wir eine akute Abstoßungsreaktion erkennen."
    Kiran Khush und ihr Team haben den Test im klinischen Alltag erprobt, bei 65 herztransplantierten Patienten. Bei allen wurden ganz regulär Biopsien gemacht, aber gleichzeitig haben ihnen die Ärzte Blut entnommen und die darin zirkulierende freie DNA analysiert.
    "Patienten mit einer akuten Abstoßungsreaktion hatten auch mehr Spender-DNA im Blut. Der Spiegel war sogar schon mehrere Wochen vorher erhöht – lange, bevor wir eine Abstoßungsreaktion per Biopsie diagnostizieren konnten. Mit dem Bluttest könnten wir eine Abstoßung möglicherweise früher detektieren und eingreifen, bevor es zu größeren Schäden am Spenderherz kommt.
    Der Test ist übrigens nicht nur auf Spenderherzen beschränkt. Er schlägt genauso an, wenn andere Spenderorgane wie Lungen oder Nieren abgestoßen werden. Die freie DNA im Blut kann sogar noch viel mehr verraten, sagt Kiran Khush.
    "Im Herbst haben wir gezeigt, dass wir im Blut der Patienten auch Erbgutfragmente von Viren, Pilzen und Bakterien aufspüren können. Wenn also sich also ein Patient sehr schlapp fühlt oder kurzatmig ist, und wir nicht wissen, ob es sich um eine Abstoßungsreaktion oder eine Infektion handelt, dann könnten wir das vielleicht mit einer einzigen Blutprobe klären – indem wir den Anteil an Spender-DNA messen und gleichzeitig das Erbgut von Krankheitserregern nachweisen."
    Einige Firmen arbeiten schon daran, den Bluttest alltagstauglich zu machen. Der Test muss noch etwas einfacher und schneller werden, damit er in der Klinik eingesetzt werden kann. Kiran Khush hofft, dass es in ein bis zwei Jahren soweit ist.