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Spiel statt Streit

Verhaltensforschung. - Bei den afrikanischen Bonobos dient Spiel dem Stressabbau zwischen Tieren, die fremden Gruppen angehören. Sogar die erwachsenen Männchen machen dabei mit, wie eine chilenische Wissenschaftlerin auf einer Konferenz der Verhaltensforscher im englischen Newcastle berichtete.

Von Joachim Budde | 09.08.2013
    Erst einmal ist das Geschrei groß. Wenn sich im tropischen Regenwald Gruppen von Bonobos begegnen, liegt Spannung in der Luft. Im Gegensatz zu den Treffen bei anderer Menschenaffen aber zeigen die Bonobos kaum Aggressivität, sagt Isabel Behncke, die drei Jahre lang nahe der Forschungsstation in Wamba im Kongo die Menschenaffen beobachtet hat.

    "Zu Beginn ist die Anspannung groß, die Gruppen schreien sich an, auch ihre Welt ist nicht perfekt. Aber gerade das macht es für mich so interessant: Denn die Bonobos haben einen Weg gefunden, den Konflikt zu entschärfen. Schon bald kann man viel Sex beobachten, Sex zwischen den Weibchen der beiden Gruppen. Es ist als bestimmten die Weibchen den Ton der Begegnung."

    Das dominante Gehabe der Männchen lässt dadurch bald nach. Je länger die Begegnung dauert, desto mehr lassen sich auch die erwachsenen Männchen auf Spiele ein mit Jungtieren der fremden Gruppe. Und sie sind dabei sehr sanft.

    "Jetzt könnte man einwenden, ich hätte eine einmalige Begebenheit beobachtet. Doch dagegen spricht, dass die Mütter der Jungen niemals nervös wurden, als sich ihr Nachwuchs fremden Männchen genähert hat. Das zeigt mir deutlich, dass die Muttertiere solche Begegnungen kannten. Denn grundsätzlich schützen Primaten ihre Jungen vor anderen Männchen, weil die fremden Nachwuchs häufig töten."

    Isabel Behncke vermutet außerdem, dass die Männchen auf die freundliche Tour versuchen, sich den Weibchen der anderen Gruppe zu nähern.

    "Und dann ist da noch: Spaß. Ich glaube, das ist ein Verhalten, um sich selbst zu belohnen, das sie immer und immer wieder suchen. Darum lassen sich sogar die Männchen darauf ein, wenn Jungtiere sie zum Spielen auffordern."

    Die Biologin hat ein außergewöhnliches Beispiel für solch ein Zusammentreffen beobachtet.

    "Das Alpha-Männchen der einen Gruppe spielte zehn bis fünfzehn Minuten lang mit einem Teenager der anderen Gruppe. Es ließ sogar zu, dass das Junge ihn an den Genitalien festhielt, während er herumhüpfte und ein lustiges Gesicht aufsetzte."

    Ein überaus riskantes Verhalten für das Alpha-Männchen. Denn es riskiert, dass ihn das Junge schwer verletzt.

    "Und das ist typisch für das Spiel bei den Bonobos: Der eine geht ein Risiko ein, der andere muss sich zurückhalten, um ihn nicht zu verletzen. Die Beteiligten müssen sich gegenseitig also vertrauen, auch wenn das den Stress erst einmal fördert."

    So ein Treffen zwischen verschiedenen Bonobo-Gruppen kann mehrere Tage dauern. Bei anderen Menschenaffen wäre so etwas undenkbar. Schimpansen etwa gehen sich wenn irgend möglich aus dem Weg. Denn wenn sie einander zu nahe kommen, gibt es Mord und Totschlag. Darum haben viele Wissenschaftler diese Art von Spiel auch bei erwachsenen Bonobos lange angezweifelt. Zwar hatten bereits in den Achtzigern japanische Forscher von solchem Spielverhalten berichtet, doch sie konnten keine ordentlichen Filmaufnahmen vorweisen, sagt Isabel Behncke.

    "Sogar für Affenforscher liegen solche Begegnungen im Reich der Mythen. In wissenschaftlichen Artikeln konnte man bisher die japanischen Beobachtungen nicht zitieren, weil viele Reviewer der Meinung waren: Das ist nicht klar belegt worden."

    Die Skeptiker müssen sich jetzt eines besseren belehren lassen.