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Spiele spielend weiterentwickeln

Computerspiele können eine Gefahr sein, wenn man es nicht versteht, mit ihnen umzugehen. Sie können aber auch logisches Denken und Kreativität fördern. Die Initiative Creative Gaming versucht zu zeigen, wie man es richtig macht.

Von Oliver Kranz | 17.12.2012
    "Geh weg, geh weg! Geh doch mal."

    Vier Jungen sitzen vor einem Bildschirm und klammern sich an die Eingabegeräte ihrer Spielkonsole. Sie spielen "Spectaculum".

    "Hier geht es darum, dass wir in einer bürokratischen Wüste sind – das heißt, es sieht auch relativ wüstenähnlich aus. Die Gegner kommen alle in Anzügen daher und hauen einen mit Aktentaschen. Man selbst, also vier Spieler zusammen, sind Zigeuner und müssen ihren Zigeunerwagen ziehen. … Das Spannende hier ist, wenn man sich die Leute hier anschaut, dass das eigentliche Spiel gar nicht direkt im Spiel passiert, sondern davor."

    Matthias Löwe meint die vier Jungen, die sich nicht einig sind.

    "Ich mach's, geht weg. Au, Mann!"

    ""Man muss versuchen, diesen Wagen gemeinsam hochzuziehen. Wenn einer sagt, ich setze mich hinten drauf und ihr zieht, das machen die meisten Spieler nicht mit."

    Matthias Löwe ist Spieleforscher und Mitglied der Initiative Creative Gaming. Computerspiele, die zur Kommunikation zwingen, findet er interessant.

    "Es gibt eine Menge Spiele da draußen, die sich darauf berufen, dass man die normalen Handlungen immer wieder und wieder macht. Darum finden wir diese grundlegenden Game-Design-Sachen sehr langweilig. Shooter XY ist schon wieder das gleiche. Man läuft, man schießt und es gibt nur ein paar andere Grafiken da drüber. Worum es uns geht, ist das man Dinge hervorstellt im Game Design, die anders funktionieren."

    Die Initiative Creative Gaming bietet deutschlandweit Vorträge und Workshops an. Zuletzt in Potsdam. Im Rahmen eines kleinen Festivals wurden Jugendliche eingeladen, Drehbücher für Computerspiele zu schreiben. Einige Spielideen konnten gleich programmiert werden.

    "Wir wollen zuerst natürlich eine Welt haben, richtig? Das macht man mit diesem Pinsel. Wenn man da draufklickt, gibt es zwei Optionen. Das eine ist, wie der Pinsel aussehen soll, ich nehme jetzt einfach einen runden. Und auf der Seite, mit welchem Untergrund man meinen möchte. Hinweis gleich von Anfang an: links an der Leiste sieht man immer, was man alles drücken kann und was dann passiert."

    Mit der kostenlosen Software Kodu ist Programmieren so einfach, wie das Malen in einem Grafikprogramm. Statt endlos lange Befehle einzutippen, können mit vorgegebenen Werkzeugen Landschaften geschaffen und Spielaktionen festgelegt werden. Beim Workshop sind schon nach einer Dreiviertelstunde die ersten Entwürfe fertig. Die 15-jährige Elena erklärt.

    "Ich habe erst mal eine Welt erstellt mit vielen Bäumen und Steinen und auch diesen Kodo. Man jetzt bin ich noch am Programmieren. Kodo, wenn er einen Apfel sieht, soll den essen. … Da muss ich noch ein bisschen dran feilen."

    "Das pädagogische Ziel ist, dass wir Computerspiele nicht als Black Boxes wahrnehmen. Das heißt: Spiel kaufen und dann spielt man das und fertig ist es, sondern dass man die tatsächlich als kreative Medien begreift, die man aufbrechen und verändern kann. Und mit denen halt wirklich arbeitet."

    … und dazu ist es meistens nicht einmal nötig, das Programm zu ändern. Schieß-Spiele zum Beispiel lassen sich umfunktionieren, wenn sich die Spieler einig sind, nicht aufeinander zu schießen.

    "Als Übung machen wir das so, dass wir einen Kameraspieler haben, der fliegt im Prinzip über die 3-D Welt und zeigt auf einen Ort und dann kommen die Spieler dorthin und müssen dort Plumpsack spielen. Die stellen sich im Kreis auf, einer rennt ringsrum und da, wo er sich kurz hingehockt hat, das ist der, wo der Plumpsack abgelegt wurde. Plötzlich wird da ein ganz anderes Spiel gespielt."

    Und Plumpsack im Ego-Shooter macht garantiert nicht aggressiv. Natürlich kann eine solche Spielidee nicht alle erreichen, aber Matthias Löwe erlebt es in seinen Workshops immer wieder, wie begeistert Jugendliche sind, wenn man ihnen erklärt, dass es möglich ist, Spiele umzugestalten. Mit Musik, können die Ego-Shooter-Figuren sogar Ballett tanzen.

    "Plötzlich sitzen alle gespannt da. Die Musik wird eingespielt: 1 – 2 – 3 – 4 – jetzt du, jetzt du und jetzt du. Springt! – Und diese Gemeinsamkeit, die dann entsteht, weil niemand mehr an das ursprüngliche Spiel denkt, öffnet den meisten ganz merkwürdig die Augen. Das ist – wenn man das hier machen kann – auch in anderen 3D-Spielen möglich, in denen man sich vernetzen kann."

    Kinder und Jugendliche lernen schnell, mit Computerspielen kreativ umzugehen. Bei Erwachsenen hingegen gibt es oft Denkblockaden.

    "Ich sehe das gerade auf den Festivals, wenn ich Eltern oder Großeltern habe, die uns hier besuchen kommen mit ihren Kindern, dass sie ganz viel sagen: Das Thema geht mich nichts an. Ich bin auch zu alt dafür. Ich kenne mich nicht aus."

    … sagt Medienpädagogin Tina Ziegler, ebenfalls Mitglied der Initiative Creative Gaming.

    "Eltern sagen: Können Sie meinem Kind sagen, dass es den Computer einfach mal ausmachen soll. Und ich sage immer: Auf unserem Festival sollen die Kinder sogar spielen, sich ausprobieren, hinter die Kulissen schauen, ganz viel reflektieren. Zuhause müssen Sie das machen."

    Kinder brauchen Regeln – das ist beim Computerspielen nicht anders als beim Fernsehen oder Süßigkeitenessen. Eltern, die es nicht schaffen welche vorzugeben, sollten sich Rat holen – vielleicht bei Workshops der Initiative Creative Gaming.