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Spielfilm "Big Eyes"
Geschichte eines Plagiators

Sie ist Malerin, er ein Schwindler: Das Ehepaar Margaret und Walter Keane wird in den 1960er-Jahren durch Bilder von großäugigen Kindern zur Kunstsensation in den USA. Aber sie werden auch zu Fälschern. Der Regisseur Tim Burton hat den schrägen Stoff mit Amy Adams und Christoph Waltz inszeniert.

Von Josef Schnelle | 18.04.2015
    Der Filmregisseur Tim Burton steht auf einer Bühne, Mikro in der Hand.
    Filmregisseur Tim Burton, Meister der schrillen Spielart des Kinos. (picture alliance / dpa / Christopher Jue)
    "Und was ist mit Ehrlichkeit?" - "Och Himmel. Auf den Bildern steht Keane. Ich bin Keane. Du bist Keane. Von jetzt an sind wir ein und derselbe."
    Das ist der Moment in dem der große Schwindel entsteht, von dem dieser Film erzählt. Margaret Keane ist in Wahrheit die Malerin, die Kinder und Kuscheltierporträts mit überdimensional großen Augen zu ihrem Markenzeichen macht. Walter Keane aber - ein mäßiger Künstler aber ein Vermarktungsgenie - schwatzt seiner Frau, die anscheinend mit ihrer Hausfrauenrolle zufrieden ist, das Urheberrecht an den Bildern ab, die Ende der 1950er Jahre den Nerv der Zeit treffen. Warum sind die Augen so übernatürlich groß, fragt Walter seine Margaret einmal. Sie sagt: "Die Augen sind doch das Tor zur Seele." Mit dieser Bemerkung geht Walter ab jetzt selbst hausieren wann immer er gefragt wird und er tut das so eloquent, dass nie Zweifel daran entstehen, dass er die Bilder gemalt hat. Auch wenn ihn mancher Reporter fast auf die Schliche kommt, wenn er Acryl mit Öl verwechselt.
    Der Erfolg stieg ihm zu Kopf
    "Ich wüsste gern mehr über Ihre Technik. Wie lange haben Sie für das hier gebraucht?" - "Monate. Zuerst die Überlegungen. Skizzieren. Dann die Zeit mit nur mir und den Ölfarben." - "Öl? Aber ist das nicht Acryl?"
    Tim Burton, Meister der schrillen Spielart des Kinos, stürzt sich lustvoll auf eine wahre Geschichte aus den 1960er Jahren. Nicht die kitschigen Bilder von Margaret Keane mit den tieftraurigen Kulleraugen revolutionierten die Kunstwelt, sondern deren geniale Vermarktung, die bald die Kunstdrucke der röhrenden Hirsche in Amerikas Wohnzimmern ablöste. Jeder wollte einen Keane, wenn nicht einen echten, dann doch einen Druck oder ein Poster. Der sagenhafte Erfolg dieser Trivialkunst erschütterte den Kunstbetrieb.
    "17 Millionen Dollar. Die Kunstwelt ist in Aufruhr. Er verkauft die Originale. Dann verkauft er Drucke von den Originalen und dann Postkarten von den Drucken der Originale." - "Herrgott es ist eine Bewegung." - "Es ist reinster Kitsch." - "Ja genau: Ich liebe es." - "Du bist wie Warhol." - "Warhol ist wie ich." - "Woher nehmen Sie ihre Ideen?" - "Was meinen Sie?"
    Doch der Erfolg, an dem Walter Keane ja nur den geringsten Anteil hatte, stieg ihm zu Kopf. Wenn seriöse Kritiker im Zusammenhang der Bilder von "Pornografie des Sentimentalen" schrieben, dann rastete der reale Keane regelrecht aus. Christoph Waltz spielt im Film diesen Charakter sichtlich selbstironisch als selbstbesoffene Rampensau. Der Pakt mit dem Boulevardjournalismus wird als eine der wichtigsten Marketingtechniken vorgeführt. Walter Keane versteht sich auch auf das Kitzeln der Eitelkeiten zynischer Reporter.
    Der Film bleibt gespalten
    "Dick Nolan, Examiner. He Kumpel, Sie können ganz ruhig schlafen. Ich saug so was in mich rein. Das lässt sich doch prima verarbeiten in meiner Kolumne." - "Ich dachte, Sie machen nur Prominente." - "Sie haben mich verprügelt, jetzt sind sie n B-Promi. Spendieren Sie mir n Drink."
    Bis hierhin ist "Big Eyes" eine ganz normale, überdrehte Gaunerkomödie. Doch immer mehr kommt die Rolle Margaret Keanes ins Spiel. Anfangs hatte sie sich von Walter noch lachend mit Dollarscheinen berieseln lassen und das Geheimnis der "Big Eyes" gerne gehütet. Je mehr sie sich jedoch emanzipierte, desto unzufriedener wurde sie mit der Konstruktion ihres Zwei-Personen-Unternehmens, die Walter alle Anerkennung sicherte, sie jedoch mit einem sinnentleerten Leben im Wohlstand abfand. Amy Adams hat für ihre Darstellung einer zunehmend frustrierten Frau in der frühen Geschichte der feministischen Emanzipation schon einen "Golden Globe" kassiert. Zwischen den beiden Elementen der Story: Zwischen der Schwindlerkomödie und dem melodramatischen Kampf einer jungen Frau um ihre Anerkennung als kreative Künstlerin knirscht es bisweilen gewaltig. Der Film weiß die Probleme dieses Doppelcharakters nicht wirklich aufzulösen. Oft muss man sich zwischen den beiden Lesarten der Story entscheiden. Auf diese Weise verpasst man entweder Christoph Waltz Komödiantenkünste oder Amy Adams sehenswertes Charakterporträt. So bleibt der Film gespalten wie die echte Beziehung der Keanes, die vor Gericht endete.