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Spionage-Affäre
Das verloren gegangene Vertrauen

Geheimnisverrat und Misstrauen zerstören jede Freundschaft. Auch jede politische Freundschaft - und so sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen in dieser Woche auf einem Tiefpunkt angelangt. Abgeordnete in Washington fordern ihre Regierung nun zur Schadensbegrenzung auf.

Von Marcus Pindur | 12.07.2014
    US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen am 02.05.2014 nach einem Treffen auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington (USA) zu den Medienvertretern.
    Die deutsch-amerikanischen Beziehungen leiden unter der Spionageaffäre. (dpa picture alliance / Kay Nietfeld)
    Echte Partner müssten voneinander lernen und einander vertrauen, so Barack Obama vor sechs Jahren, in Berlin, unter der Siegessäule, noch vor seiner ersten Präsidentschaftswahl. 200.000 Deutsche jubelten ihm zu. Der neue Kandidat war für viele eine große Projektionsfläche, der Anti-Bush, die Verehrung hatte teils messianische, teils lächerliche Züge. Sechs Jahre, in denen sich vieles geändert hat, und vom Vertrauen unter den Partnern Obama und Merkel zumindest ist nicht viel übrig geblieben.
    "Es handelt sich, wenn das so ist, um einen sehr ernsthaften Vorgang. Der Generalbundesanwalt ermittelt. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, so steht das für mich in einem klaren Widerspruch zu dem, was ich unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Diensten und Partnern verstehe."
    Spionage unter Verbündeten sei eine Verschwendung von Energie, meinte die Kanzlerin. Experten in den USA bezweifeln ebenfalls, dass diese Energie der amerikanischen Geheimdienste sinnvoll investiert war. So zum Beispiel der ehemalige CIA-Mitarbeiter Philipp Mudd. Es habe offensichtlich keine politische Risiko-Analyse gegeben, als man den Mitarbeiter in der Poststelle des BND abgeschöpft habe.
    "Wenn man sich inmitten in eines Geheimdienstskandals über die NSA und Snowden befindet, warum muss man dann einen Agenten im BND führen? Zumal dieser Agent keine wirklich für die USA sicherheitsrelevanten Informationen hat? Ich verstehe einfach nicht, warum man das gemacht hat."
    Klar ist, dass es gut für die deutsch-amerikanischen Beziehungen gewesen wäre, wenn die amerikanischen Freunde etwas Selbstbescheidung geübt hätten. Besonders vor dem Hintergrund der Snowden-Affäre, des abgehörten Kanzlerinnen-Handys und einer hysterischen Reaktion in Teilen der deutschen Öffentlichkeit darauf. Dies alles sollte in Washington bekannt gewesen sein, und Spionage in Deutschland sollte für die Obama-Regierung Chefsache gewesen sein.
    "Wir müssen als Deutsche vielleicht nüchterner realistischer werden"
    Wenn es das trotz aller Vorgänge des letzten Jahres nicht war, dann liegt ein klares politisches Versagen vor. Hat der Geheimdienstapparat sich verselbständigt, hat die Obama-Administration ein ebenso großes Problem.
    Ein Problem haben besonders auch die Transatlantiker unter den deutschen Politikern. Eine Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages unter der Leitung von Norbert Röttgen musste in der vergangenen Woche die Erfahrung machen, dass ihre Kollegen im Kongress nur langsam die Tragweite der Krise realisieren.
    "Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass wir uns so verhalten, dass der Schaden nicht vergrößert wird. Das, was an Fehlverhalten im Bereich der Geheimdienste entstanden ist, sollte nicht zum Maßstab der deutsch-amerikanischen Beziehungen gemacht werden. Wir müssen vielleicht auch realistischer sehen, wie das geheimdienstliche Verständnis der USA ist. Wir müssen als Deutsche vielleicht nüchterner realistischer werden."
    Doch die Reise der Parlamentarier hat Wirkung gezeigt. Der demokratische Senator Bob Menendez ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses:
    "Das ist ein großes Ärgernis in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Ich habe mich mit deutschen Parlamentariern getroffen und sie haben mir erzählt, wie sehr das Thema die deutsche Öffentlichkeit aufwühlt. Wir haben aber gleiche Werte und, zum Beispiel beim Thema Ukraine, auch gleiche Interessen. Ich bin sehr besorgt über die Wolke, die derzeit über unserem Verhältnis hängt. Gerade mit Blick auf die Ukraine und weitere Sanktionen brauchen wir aber einander."
    Auch die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, Dianne Feinstein, meinte, die Regierung müsse handeln. Der republikanische Senator Jim Risch, ebenfalls im Geheimdienstausschuss, forderte Obama auf, sich endlich einzubringen. Die Regierungen beider Länder müssten sich an einen Tisch setzen und versuchen, das zu lösen. Der Druck aus dem Kongress auf die Administration ist in vielen Fällen entscheidend. Die deutschen Parlamentarier haben den richtigen Hebel angesetzt.