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Spitzensportreform
"Leidenschaft darf nicht zu Ausbeutung führen"

Vor ihrem Besuch im Trainingszentrum in Kienbaum äußert sich Bundeskanzlerin Merkel in ihrem wöchentlichen Podcast. Dabei geht es um die Reform der Spitzensportreform. Viel Konkretes kommt dabei nicht aber nicht rum. Ganz anders bei Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler, der im Dlf klare Ideen äußerte.

Von Carsten Upadek | 16.07.2017
    Der Speerwerfer Thomas Röhler
    Speerwerfer Thomas Röhler fordert Verbesserungen für Trainer in Deutschland (dpa/picture alliance/ Martti Kainulainen)
    Am Dienstag besucht Bundeskanzlerin Angela Merkel das Bundesleistungszentrum im brandenburgischen Kienbaum. Den Termin nahm die Kanzlerin zum Anlass, sich mit Triathletin Laura Lindemann unter anderem über die Spitzensportreform zu unterhalten. Zentrale Punkte bei der Vergabe staatlicher Förderung sind der Fokus auf medaillen-trächtige Sportarten und Zentralisierung. Stützpunkte fallen also weg. Das besorgt Laura Lindemann und so sagte sie zu Kanzlerin Merkel:
    "Ohne den Nachwuchs kann es aber keine Elite in der Zukunft geben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig so ein Nachwuchsstützpunkt ist, weil ich in Potsdam selbst an einem Nachwuchsbundesstützpunkt trainiere, und jetzt habe ich ein wenig Angst, dass dadurch der Nachwuchs wegfallen könnte im Triathlon. Können Sie mir die Angst da nehmen?"
    Die Antwort der Kanzlerin:
    "Na, ich hoffe, dass das nicht passiert. Es gab jetzt ja immer wieder – nach den internationalen Meisterschaften, nach Olympischen Spielen – breite Diskussionen zwischen dem Sportministerium, also dem Bundesinnenministerium, und auch dem Deutschen Olympischen Sportbund, wie man am besten einerseits die Breite erreichen kann, aber andererseits auch genug für die Spitzensportler tut. Und ich glaube, das ist immer wieder ein Prozess des Aushandelns, und ich hoffe, dass trotzdem noch genügend Stätten da sind, wo auch junge Leute Ansatzpunkte finden. Ich werde Ihre Sorge aufnehmen und mich auch nochmal bei den Gesprächen in Kienbaum erkundigen, dass da auch nicht Dinge, die vielleicht entstehen könnten, nicht entstehen können."
    Ohne Trainer kein Erfolg auf Dauer
    Den Breitensport erreichen, die Spitze nicht vergessen und das alles gut aushandeln also. Viel konkreter wurde Merkel nicht vor ihrem Besuch im Bundesleistungszentrum Kienbaum, das ab Dienstag dann "Olympisches und Paralympisches Trainingszentrum für Deutschland" heißen soll. Vielleicht würde ein Gespräch mit den dortigen Trainern helfen. Deren Arbeitsbedingungen kritisiert Speerwerfer Thomas Röhler im DLF-Sportgespräch. Man könne nicht von ihnen erwarten, fast umsonst zu arbeiten.
    "Klar erwartet man die Leidenschaft und nur mit der Leidenschaft geht es auch. Die Leute findet man. Aber ich finde, dass Leidenschaft nicht zur Ausbeutung führen darf."
    Ohne Trainer gebe es auf Dauer auch keinen Erfolg, ist sich Röhler sicher. Da helfe auch eine intensive Talentsuche nichts. Bisher sei die Finanzierung eine Mischkalkulation, die in der freien Wirtschaft undenkbar wäre.
    "Das gibt einem jungen Trainer aber überhaupt keine Planungssicherheit, um über Familie nachzudenken. Man erwartet von Trainern, dass die am Wochenende auf dem Platz stehen und dass sie unter der Woche trainieren. Und wenn sie dann noch Urlaub nehmen müssen, um Trainingslager zu bestreiten mit ihren Athleten, dann ist das eine sehr, sehr harte Arbeitssituation."
    "Es muss besprochen werden: Was erwarten die Athleten?"
    Der Goldmedaillengewinner von Rio 2016 versteht zwar das Interesse der Politik, erfolgreicher im Sport zu sein. Aber:
    "Wenn wir uns auf Sportarten konzentrieren in der Leistungsentwicklung, ist das nichts anderes als eine Bündelung von Ressourcen und da reden wir über nichts anderes als Trainerstellen. Ich hab ein bisschen Hoffnung, dass das neue Konzept auch mal den Trainern hilft."
    Vielleicht mit mehr Geld vom Bund, wie es die Spitzensportreform vorsieht – bisher aber ohne verbindliche Zusagen. Bei ihrem Video-Podcast deutete Bundeskanzlerin Angela Merkel zumindest an, dass auch sie Bedarf dafür sieht:
    "Aber wenn wir uns in der Welt umgucken, wissen wir, dass andere Länder auch sehr, sehr viel tun, und deshalb muss mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und den Sportverbänden immer wieder besprochen werden: Was erwarten die Athleten? Und dann muss die Politik gucken: Wie viel Geld können wir dafür zur Verfügung stellen, und wie können wir es am besten zur Verfügung stellen?"