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Spitzentreffen im Kanzleramt
Die Gräben nicht noch tiefer erscheinen lassen

Die Spitzen der Großen Koalition kommen heute im Kanzleramt zusammen. Nach der anhaltenden Kritik der CSU dürfte ein wichtiges Thema erneut die Flüchtlingspolitik sein. SPD-Chef Sigmar Gabriel will mit einem Sechs-Punkte-Plan auch andere Themen in die Runde einbringen, etwa eine zügige Reform der Erbschaftssteuer.

Von Volker Finthammer | 11.09.2016
    Das Bundeskanzleramt in Berlin
    Wenn sich Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) heute im Kanzleramt treffen, dürfte es hinreichend Gesprächsstoff geben. (dpa/picture-alliance/Lukas Schulze)
    Horst Seehofer trifft schon gegen Mittag im Kanzleramt ein. Vor dem eigentlichen Koalitionstreffen soll es noch ein Vier-Augen-Gespräch mit der Bundeskanzlerin geben. Im Gepäck hat er die eindeutigen Beschlüsse der CSU-Vorstandsklausur.
    Nur in einem Punkt sind die Christsozialen zurückgerudert: Der Zuwanderungsvorrang für Christen steht so nicht mehr in dem Positionspapier. Aber das Burkaverbot und die jährliche Obergrenze von 200.000 Zuwanderern umso unverrückbarer. Das machte der CSU-Chef heute sogleich in der "Bild am Sonntag" deutlich: "Die Union kommt aus dem Verlierermodus nur heraus, wenn wir eine klare Antwort geben, wie wir die Zuwanderung begrenzen wollen", betonte Horst Seehofer.
    CDU-Generalsekretär Tauber setzt auf Verständigung
    Gestern hatte er im oberpfälzischen Schwarzenfeld erklärt, er wolle die Gemeinsamkeit mit der CDU, aber nicht um jeden Preis. Die Ankündigung in der Bild klingt dagegen nicht mehr ganz so konfrontativ: "Wir werden uns mit gutem Willen auch bei diesen kontroversen Fragen in nächster Zeit verständigen."
    Auch auf Seiten der CDU ist man bemüht, die Gräben nicht tiefer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Gestern hatte bereits CDU-Fraktionschef Volker Kauder erklärt, dass man in vielen Fragen gar nicht so weit auseinander liege. Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber setzte diese Bemühungen fort. "Wir sollten den Eindruck vermeiden, dass wir völlig gegensätzliche Vorstellungen haben", erklärte Tauber gegenüber der "Welt am Sonntag". "Die CSU geht in einigen Punkten vielleicht weiter als wir - aber wir gehen in die gleiche Richtung", sagte Tauber.
    Gabriel will Themen außerhalb der Flülchtlingspolitik einbringen
    Und CDU-Vize Thomas Strobel ergänzte gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: Nichts schade CDU und CSU so sehr wie ein Streit unter den Unionsschwestern. In der Flüchtlingskrise sei es "fahrlässig so zu tun", als zeigten die beschlossenen Maßnahmen keine Wirkung, sagte Strobel in Richtung CSU. Scheindebatten über Randthemen seien kübelweise Wasser auf die AfD-Mühle.
    Es würde also schon hinreichend Gesprächsstoff geben, wenn es allein zu einem Treffen von Angela Merkel und Horst Seehofer käme. Aber nach dem Vier-Augen-Gespräch kommt auch noch der Koalitionspartner und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dazu. Gabriel will mit einem Sechs-Punkte-Plan auch andere Themen in die Runde einbringen, die einmal mehr vom Streit über die Flüchtlingspolitik überlagert wird.
    Nicht mehr als eine mögliche Marschrichtung
    Unter diese sechs Punkte fallen ein schneller Kabinettsbeschluss über das Gesetz für Lohngerechtigkeit, eine zügige Einigung bei der Reform der Erbschaftssteuer, die im Vermittlungsauschuss zwischen Bundesrat und Bundestag wieder nicht erreicht werden konnte, die Angleichung der Renten in Ost und West aus Steuermitteln, die Einführung der Lebensleistungsrente, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, sowie eine erneute Mietrechtsreform.
    Die Spitzenrunde müsse den Beweis antreten, dass die Koalition den Willen und die Kraft aufbringe, den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu festigen, sagte Gabriel gegenüber der "Bild am Sonntag". Der SPD-Chef hat im Wesentlichen die Fragen formuliert, die in der Koalition noch offen sind und die in dieser Legislaturperiode noch gelöst werden sollten. Aber mehr als eine mögliche Marschrichtung wird man von diesem Treffen nicht erwarten können.