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Spitzenuniversitäten
In Cambridge bleibt die Elite unter sich

Wer an britische Elite-Unis will, sollte seine Hoffnung nicht auf Summer Schools setzen. Denn für Studierende, die nicht von einer Privatschule kommen, bleibt es schwer, dort einen Studienplatz zu bekommen. Das zeigt die neue Studie eines britischen Bildungs-Thinktanks.

Von Sandra Pfister | 11.12.2018
    Gebäude in Oxford
    Die Universität Oxford gilt als eine der angesehensten und beliebtesten Universitäten der Elite (imago stock&people)
    Elite hat in Großbritannien einen durchaus positiven Klang, und die meisten einigermaßen gebildeten britischen Eltern würden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit ihre Kinder es nach Oxford oder Cambridge schaffen.
    Nur: Das ist für alle diejenigen, die es nicht auf eine teure britische Privatschule schaffen, ein sehr steiniger Weg. Das wird schon länger kritisiert, und Oxford und Cambridge betreiben Summerschools, um sich für Menschen jenseits der klassischen wohlhabenden Bildungselite zu öffnen. Das scheint aber nicht ganz so gut zu fruchten, wie eine neue Studie des renommiertesten britischen Bildungs-Thinktanks gerade ergeben hat.
    "Wenn du akademisches Potential hast, dann muss du da hin. Das ist es, was Oxford will."
    "Die interessieren sich wirklich nicht dafür, was du vorher gemacht hast, die wollen nur wissen, was du in Zukunft leistest."
    "Ich meine: Wir können alle nicht zaubern."
    Mehr als die Hälfte aller Studierenden in Oxford und Cambridge kommen von englischen Eliteschulen
    Zaubern können sie vielleicht nicht, aber die drei jungen Oxford-Studierenden, - eine aus einem Arbeiterhaushalt in Nordengland, zwei schwarz - sind an Eliteunis wie Oxford oder Cambridge eine verschwindende Minderheit. Mit diesem Werbespot wirbt die Universität Oxford um britische Studierende, die weder mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden noch eine Eliteschule besucht haben. Doch nun zeigt sich: In "Oxbridge", so werden die beiden Unis von der Bildungselite in England gerne abgekürzt, bleibt die weiße, wohlhabende Bildungselite immer noch gerne unter sich.
    Laut der Studie des britischen Bildungs-Thinktank "Sutton Trust" kommen immer noch mehr als die Hälfte aller Studierenden in Oxford und Cambridge von acht englischen Eliteschulen. Damit stammen mehr Schüler an den beiden britischen Elite-Universitäten von diesen Elite-Schulen als von allen anderen Schulen zusammen. Sutton-Trust-Gründer Peter Lampl war selbst überrascht.
    "Als unsere Daten darauf hingedeutet haben, dachte ich: Das kann nicht stimmen. Also habe ich zu den Forschern gesagt: Schaut euch das noch mal alles ganz genau an. Aber es stimmt. Das ist ein Ergebnis, das wirklich zu denken gibt."
    Die acht englischen Top-Schulen, die ständig das Rennen bei Oxford und Cambridge machen, wurden namentlich nicht genannt. Aber ihnen stehen 2900 staatliche Schulen gegenüber, die es zusammen auf weniger als die Hälfte der Oxbridge-Studierenden bringen.
    Viele der Top-Schulen sind Privatschulen. 42 Prozent der Studienplätze in Oxford und Cambridge gehen an Privatschüler, obwohl die nur sieben Prozent aller britischen Schüler insgesamt ausmachen – ein krasses Missverhältnis. Es entstehe, glaubt Peter Lampl, vor allem dadurch, dass Eltern, die zwischen 12- und 25 Tausend Euro pro Kind und Jahr für die gute Betreuung in der Privatschule zahlen, keine Hemmung haben, noch mehr in Nachhilfe zu investieren. Viele Schüler aus Brennpunkten hingegen glauben, sie hätten keine Chance.
    Studierende von einer Gesamtschule sind die Ausnahme
    "Bei mir in der Schule sind Lehrer regelmäßig überhaupt nicht aufgetaucht. Ich wusste überhaupt nicht, ob meine Noten gut genug sein würden."
    "Ich war die erste in meiner Schule, die sich jemals für Oxford und Cambridge beworben hat."
    "Diese Leute sagen: Nein, du kannst das nicht. Und ich habe gesagt: Doch, ich kann das."
    Diese junge Frau ist die Ausnahme. Sie kommt von einer Comprehensive, einer Gesamtschule, dem verbreitesten Schultyp in England. Doch selbst die besten Schüler an den besten staatlichen Comprehensives bewerben sich nur halb so oft in Oxbridge wie die vergleichbar leistungsstarke Gruppe an Privatschulen. Peter Lampl glaubt: Es liegt am abschreckenden Bewerbungsverfahren.
    "Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Kind aus Lincolnshire, einem der Landstriche, wo sehr wenig Schüler nach Oxbridge gehen. Sie müssen sich drei Monate vorher bewerben, das ist ein Hindernis. Und dann müssen Sie ein College auswählen. Ich weiß nicht, was welches College macht. Dann muss man ein Examen in dem Fach absolvieren, in dem man sich bewirbt, Sie wissen nicht, wie Sie sich vorbereiten müssen. Und dann kommen noch die Bewerbungsgespräche. Das macht jedem Angst. Aber besonders einem solchen Kind. "
    Das Kind aus dem nördlichen Lincolnshire nutzt Lampl nicht ohne Grund als Paradebeispiel. Denn die Untersuchung des Sutton Trust zeigt nicht nur, dass Oxford und Cambridge immer noch Hochburgen ehemaliger Privatschüler sind, sondern auch fest in der Hand von Engländern aus dem wohlhabenderen Süden des Landes.
    Lampl schlägt eine Reform des Auswahlverfahrens vor
    Weder Oxford noch Cambridge wollten sich hierzu direkt äußern. In Pressemitteilungen kontern sie, sie machten zunehmend Werbung in staatlichen Schulen; sie nennen das kurz "Outreach" – auf andere zugehen. Und sie haben ihre Stipendientöpfe aufgestockt. Peter Lampl hält das allerdings für Tropfen auf einen heißen Stein.
    "Wir glauben nicht, dass Stipendien sehr viel bringen. Outreach ja. Es gibt in Cambridge eine Summerschool für 600 Schüler. Aber das ist nicht groß genug, die erreicht zu wenige. Es gibt Tausende Schulen und Colleges in England, die überhaupt niemanden dorthin schicken können. Das ist wirklich ein großes Problem."
    Lampl hingegen schlägt eine radikale Reform des Auswahlverfahrens vor. Darin soll stärker der soziale Kontext der Bewerber zum Tragen kommen. Viele amerikanische Spitzenunis, sagt er, hätten gute Erfahrungen damit gemacht, bei Bewerbern mit schwierigerem Background leichte Abstriche bei der Abiturnote zu machen. Und zwar nicht nur aus Nächstenliebe:
    "Warum machen diese Unis das? Sie wollen den Seminaren ein bisschen Schwung verleihen. Ein britisches Kind aus der Arbeiterschicht mischt die Klasse auf; jeder lernt mehr von den Leuten, mit denen er zusammen studiert, als von den Professoren."