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Spitzmäuse
Lebende Mini-Bagger

Über Elefanten, Schimpansen und Giraffen wissen wir recht viel. Zahlreiche Biologen haben diese Säugetierarten erforscht. Anders sieht es bei vielen kleinen Tieren aus. Manche führen im wahrsten Sinn ein Schattendasein, wie etwa Spitzmäuse. Es ist nicht einmal bekannt, wie viele Arten es überhaupt gibt.

Von Jochen Steiner | 26.10.2016
    Eine Waldspitzmaus (Sorex araneus) in Dorset, Großbritannien.
    Eine Waldspitzmaus (Sorex araneus). (imago/Nature Picture Library)
    Bereits seit seiner Doktorarbeit Anfang der 1990er-Jahre beschäftigt sich Neal Woodman beruflich mit Spitzmäusen.
    "Wir wissen nicht viel über sie. Als ich damals mit meinen Studien begonnen hatte, gab es nur wenige Forscher, die mit Spitzmäusen gearbeitet haben. Heute sind wir noch immer eine kleine Gruppe, wir kennen uns ziemlich gut. Und weil man über die Spitzmäuse noch so wenig weiß, kann man sich praktisch ein beliebiges Forschungsthema aussuchen und Neues herausfinden. Das ist sehr aufregend!"
    Spitzmäuse sind gar keine Mäuse. Sie mögen ihnen zwar in Größe und Aussehen ähneln, aber sie gehören nicht zu den Nagetieren, sondern zur Ordnung der Insektenfresser.
    "Sie sind klein, haben einen zylindrischen Körper, lange, rüsselartige Nasen, relativ kleine Augen und recht kleine Ohren. Ihre Arme und Beine sind kurz und sie laufen meist relativ schnell über den Boden."
    Über Artenvielfalt und Sozialverhalten von Spitzmäusen ist wenig bekannt
    Neal Woodman ist mittlerweile Kurator für Säugetiere am National Museum of Natural History in Washington, D.C. und untersucht vor allem die Spitzmäuse Nord- und Südamerikas. Die Tiere kommen aber auch in Europa, Asien und fast ganz Afrika vor und leben in gebirgigen Regionen, vor allem in der Nähe von Wasserläufen. Wie viele Arten es gibt, ist unklar. Auch über ihr Sozialverhalten ist noch wenig bekannt.
    "Bei den meisten Spitzmausarten gehen wir davon aus, dass sie solitär leben. Aber die Art, mit der ich mich hauptsächlich beschäftige, lebt in Gruppen zusammen. Sie teilen sich ein Nest und ziehen die Jungen gemeinsam auf."
    Neal Woodman wollte herausfinden, wie sich einzelne Spitzmausarten anatomisch unterscheiden. Dazu benötigte er die Skelette der Tiere.
    "Es gab lange nur wenige Skelette in Museen. Also habe ich meine Kollegen dazu ermutigt, Skelette von Spitzmäusen zu sammeln. Ich habe auch selbst welche gesammelt. Dann habe ich mehrere Merkmale der unterschiedlichen Arten miteinander verglichen."
    Spitzmäuse haben kräftige Grabwerkzeuge
    Dabei fiel dem Biologen auf, dass einige Arten sehr gut an das Graben im Boden angepasst sind. Ihre Unterarmknochen sind kürzer, aber dafür breiter als bei anderen Arten. Auch die Enden dieser Knochen sind verbreitert, damit mehr Muskeln daran ansetzen können.
    "Die Krallen an den Fingern sind bei den grabenden Arten breiter und länger. Und alle Knochen, die die Pfote der Spitzmäuse bilden, sind verkürzt und verbreitert. Zusammen genommen sind das wirklich kräftige Grabwerkzeuge, wie kleine Schaufeln."
    Diese Anpassungen ans Graben lassen sich bei Spitzmausarten in Amerika, aber auch bei Spezies in Afrika finden. Sie seien unabhängig voneinander entstanden, so Neal Woodman. Warum manche Spitzmäuse so gut im Boden wühlen können, darüber herrscht unter den Wissenschaftlern noch keine Gewissheit, aber es gibt Vermutungen.
    "Wahrscheinlich graben sie, um an Nahrung zu kommen. Einige Arten haben sich auf Regenwürmer und Insektenlarven spezialisiert, die im Boden leben."
    Möglich wäre auch, dass die kleinen Säugetiere ihre Nester mit Hilfe der Vorderpfoten graben. Die Forscher wissen es noch nicht. Für Neal Woodman und seine Kollegen gibt es noch viel zu tun.