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Splash - die Drip-Painter und ihre Folgen

Lange haben die USA darunter gelitten, dass ihre kulturelle Tradition im Vergleich zu der fernöstlicher oder europäischer Länder eher kurz ausfällt – auch und gerade im Bereich der Malerei. Um so stolzer war man nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Abstrakten Expressionismus – jene gegenstandslose Malerei der großen Gesten, die vielen bis heute als erster und einziger originärer Beitrag der USA zur Kunstgeschichte gilt.

Von Carsten Probst | 22.10.2010
    Aber es ging ja weiter: Was der Abstrakte Expressionismus damals ausgelöst hat, was nach ihm folgte – das zeigt nun eine Ausstellung in der Deutschen Guggenheim in Berlin.

    Helen Frankenthaler begann in den 50er-Jahren nach ihrer Bekanntschaft mit Jackson Pollock, ihre Ölfarben zu verdünnen und ließ sie durch eine alte Kaffeedose, in deren Boden sie ein Loch gebohrt hatte, auf die Leinwand fließen, die flach auf dem Boden lag. So entstehen ungegenständliche Bilder, die in ihren wolkigen, sich überlappenden Farbflecken fast noch an das europäische Informel erinnern.

    Tatsächlich aber waren diese die ersten Schritte weg von den gestischen Elementen des sogenannten Abstrakten Expressionismus, der die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA beherrscht hatte. Jasper Johns hatte ungefähr zur selben Zeit mit seinen "Flags" und "Targets" ohnehin schon eine völlig andere Auffassung von gemalten Bildern eingeführt. Ihm ging es um Farbmuster, die das Publikum ohne Weiteres wiedererkennen könnte, zum Beispiel die Muster von Zielscheiben oder die rot-weißen Streifen der amerikanischen Fahne.

    Doch während Johns' Malerei eher in Richtung der späteren Alltagssymbolik in der Pop Art zielte und völlig auf künstlerische Intentionen verzichtete, wollten andere Maler das Künstlerische so ohne Weiteres nicht preisgeben. Ihre bekanntesten Vertreter in dieser Ausstellung sind neben Helen Frankenthaler ohne Frage Mark Rothko, Frank Stella, Gene Davis und der jüngst verstorbene Kenneth Noland. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in großen, arrangierten Farbmustern denken, die die emotionalen und atmosphärischen Wirkungen von Farbe erproben sollen. Sie werden oft ohne die klassischen Pinsel, sondern mit alternativen Methoden auf die Leinwand auftragen, wodurch sich oft ein scheinbar unpersönlicher Zug ergibt. Aber im Gegensatz zu Jasper Johns haben diese Bilder immer noch eine gefühlsmäßige Bedeutung, sie sind nicht reine Muster.

    Die Guggenheim Foundation, so lässt sich an dieser Schau bereits erahnen, hat diese kleine, oft unterschätzte Kunstströmung der Farbfeldmalerei oder des "Hard Edge" offenkundig schon damals gewissenhaft gesammelt. Denn auf diese Weise werden nun auch Maler in Deutschland vorgestellt, deren Namen man weniger kennt. Der bereits 1966 relativ jung verstorbene Paul Feeley beispielsweise ist mit einem abstrakten Blütenornament vertreten, das man sich durchaus als Environment vorstellen kann.

    Ähnlich räumlich hat von Beginn an immer auch Mark Rothko gedacht, auch wenn seine charakteristisch wolkigen, wie transparent glühenden Farbfelder scheinbar eine ganz andere Sprache sprechen. Doch letztlich ging es auch ihm um Kontraste und geometrische Figuren. Der russischstämmige Jules Olitski ist dagegen bekannt für seine subtil den Farbton wechselnden Sprühflächen, die durchaus mit Rothkos Malerei vergleichbar sind. Die filigranen, großformatigen Streifenbilder von Gene Davis wiederholen in Pastelltönen immer wieder senk- der waagrecht gezogenen Linien, deren Zusammensetzung jedoch oft einer spontanen Eingebung folgt, die man dieser Malerei auf den ersten Blick gar nicht zutraut.

    Frank Stella ragt schon deshalb heraus, weil er das Prinzip der Räumlichkeit, ja der skulpturalen Kombination von großen Farbtafeln, mit der Abkehr von natürlichen Farben hin zu Industriefarbstoffen und einer streng geometrischen Abstraktion vereint und damit tatsächlichen eine neuen Bildtypus schafft, der auch heute noch durchaus aktuell wirkt. Nähme man noch andere Größen wie Ad Reinhardt oder Ed Ruscha hinzu, wäre diese Ausstellung fürwahr ein stattliches Panorama einer etwas zu Unrecht vergessenen Episode der jüngeren Kunstgeschichte. Leider unterschlägt sie, dass bei aller scheinbaren Abstraktion auch und gerade diese Malerei als Raumkunst doch eine politische Dimension besaß.