Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Sponsoring und Bestechlichkeit

Der VW-Konzern soll zur Finanzierung seiner Fußballabteilung seine Vertragspartner dazu gedrängt haben, den VfL Wolfsburg zu sponsern. Koppelgeschäfte dieser Art sind rechtswidrig. Daher hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage erhoben. Der Vorwurf lautet "gemeinschaftliche Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in einem besonders schweren Fall".

Von Matthias Wolf | 07.10.2012
    Felix Magath hat den wohl dehnbarsten Etat der Bundesliga. 70 Millionen Euro für neue Spieler – in den letzten drei Transferperioden. Fast 40 Profis stehen dem VfL Wolfsburg zur Verfügung, ein Rekord in der Bundesliga. Dank Volkswagen. Dem Konzern gehört die VfL Wolfsburg Fußball GmbH zu hundert Prozent. Geld soll Tore schießen – wie bei der Meisterschaft 2009. Doch in dieser Saison geht die Rechnung nicht auf. Mehr noch: Die Konkurrenz darf sich in Schadenfreude üben, dass nichts funktioniert. Obwohl immer deutlicher wird: Der VfL, VW und die Millionen – das könnte man auch Wettbewerbsverzerrung nennen. Zumindest ist die Liaison ein Fall für die Justiz. Zwei Führungskräfte aus der VW-Einkaufsabteilung sind jetzt wegen Bestechlichkeit angeklagt, zwei frühere Manager und ein Ex-Berater von T-Systems wegen Bestechung. Sie sollen sich vor der Wirtschaftsstrafkammer des Stuttgarters Landgerichts verantworten. Auch Garcia Sanz, Einkaufsvorstand bei VW und Aufsichtsratschef des VfL, muss auf Anordnung des Landgerichts als Zeuge aussagen. Garcia Sanz gilt als einer der mächtigsten Vorstände bei VW. Seine Sparte verwaltet Milliardenetats. Claudia Krauth von der Staatsanwaltschaft Stuttgart fasst die Vorwürfe zusammen:

    "Den fünf angeklagten Männern wird gemeinschaftliche Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in einem besonders schweren Fall vorgeworfen. Die Mitarbeiter des Automobilkonzerns, es waren zwei, sollen gefordert haben, dass ein Sponsoring-Vertrag verlängert wird. Dieser Sponsoring-Vertrag hatte ein Volumen von 16 Mio. Euro und eine Laufzeit von vier Jahren. Im Gegenzug haben diese beiden Angeklagten versprochen darauf hinzuwirken, dass das Telekommunikationsunternehmen Aufträge erhalten soll in einer Größenordnung von 345 Mio. Euro und das darüber hinaus ein Einzelvertrag zum Vorteil des Telekommunikationsunternehmen abgeändert wurde."

    Bekommt der deutsche Meister von 2009 Millionen, die er alleine nicht erwirtschaften würde? Die Anklage ist deutlich: VW-Einkäufer sollen einen neuen Vertrag für die Wartung der Computersysteme des Automobilkonzerns mit einer Bedingung verknüpft haben: Aufträge gegen einen Sponsoringvertrag für den VfL Wolfsburg. Eigentlich wollte die Telekom diesen Vertrag mangels Attraktivität des Vereins auslaufen lassen. Laut Aktenlage erschien dem Sponsor der Werbewert des Klubs viel geringer als das, was dem VfL gezahlt wurde. Dass der Einkaufsvorstand Garcia Sanz nun aussagen muss, hat der Kölner Anwalts Björn Gercke veranlasst. Gercke verteidigt einen der Beschuldigten. Er hält seinen Mandanten für ein Bauernopfer. Und hat beantragt, den VW-Einkaufsvorstand nachträglich zu vernehmen, ebenso wie Reinhard Clemens aus dem Telekom-Vorstand in Bonn. Gerckes Mandant selbst wurde gefeuert, nachdem die Telekom Kenntnis von den Vorgängen bei T-Systems erhalten - und selbst Anzeige wegen Korruptionsverdacht erstattet hatte.
    "Wir gehen davon aus, dass sowohl der Vorstand der VW AG als letztlich auch zumindest Teile des Vorstands der Telekom über die Vorgänge durchaus informiert waren. Alles andere wäre aus meiner Sicht lebensfremd", ist der Rechtsanwalt überzeugt."

    Er kann darin allerdings nichts Anstößiges erkennen und sieht daher auch seinen Mandanten zu Unrecht beschuldigt:

    ""Es handelt sich um ein zulässiges Vorgehen und das Einverständnis der jeweils führenden, also der Geschäftsführung bzw. des Vorstands, schließt hier sowieso eine Strafbarkeit der handelnden Mitarbeiter aus."

    Die Telekom will sich mit Verweis auf das schwebende Verfahren nicht mehr äußern. Die polizeilichen Ermittlungen lassen aber das Sponsoren-Portfolio des Vereins in einem neuen Licht erscheinen: Im Stadion wimmelt es laut Ermittlungsbericht nicht zufällig nur so vor Werbebanden – mit etlichen Zulieferern von VW. Darunter Firmen wie "Kuka", die Industrieroboter herstellen, die Millionen kosten. Und die sich kein normaler Zuschauer leisten kann. Pressesprecher Gert Butter rechtfertigt das Engagement der Augsburger Firma beim VfL Wolfsburg.
    "Wir wollten unsere Marke an den Markt bringen, der FC Augsburg war damals noch nicht in der ersten Bundesliga und wir mussten uns eben einfach einen suchen und da ist die Wahl auf Wolfsburg gefallen."

    Anscheinend also reiner Zufall, dass man in Wolfsburg wirbt? Und gibt es weitere solcher Zufälle? In den Ermittlungsakten tauchen Firmen auf, die nicht angeklagt sind - auf die anscheinend aber Druck ausgeübt wurde. Eines der dort aufgeführten Unternehmen ist Dell. Doch der Computerhersteller Dell will sich dazu nicht äußern. Auch bei BP-Castrol soll es laut Ermittlungsakten einen Zusammenhang zwischen Sponsoring und Umsatz geben. Castrol vertreibt über VW sein Motoröl und beschreibt sich selbst als Toppartner der Wolfsburger. Ihr Schmierstoff wird bei der Erstbefüllung von Neuwagen der Volkswagen AG verwendet. Ein gewaltiges Geschäft. Angeblich geht es um vier Millionen für den VfL Wolfsburg und 200 Millionen für BP-Castrol. Auf Nachfrage antwortet der Motorölhersteller, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Investment beim VfL Wolfsburg und VW gibt. Doch für den Sportökonomen Markus Kurscheidt von der Uni Bayreuth haben viele Marketing-Maßnahmen im Zusammenhang mit Bundesligaspielen mehr als nur ein Geschmäckle.

    "Für Zuliefererfirmen lohnt sich ein Sponsorship beim VfL Wolfsburg vor allen Dingen durch Geschäftsbeziehungen zu Volkswagen. Das liegt relativ eindeutig auf der Hand. Ich sehe es als relativ problematisch an. Wenn es viele Fälle gibt, wo man darauf aufmerksam wird, dass Wirtschaftsmacht genutzt wird, um Sponsoren in eine Partnerschaft reinzudrängen. Das spricht natürlich nicht für das Ansehen der Fußball-Bundesliga."

    VW-Chef Martin Winterkorn will seinen VfL auf Augenhöhe mit Europas Fußballadel sehen. Das lässt er sich einiges kosten. Im Fall Wolfsburg geht aus Unterlagen der Deutschen Fußball-Liga hervor, dass VW allein für das Hauptsponsoring bereits vor zwei Jahren 70 Millionen Euro pro Spielzeit bezahlt hat. Dazu kommt ein Dauerkredit über 30 Millionen Euro. Und jetzt noch die anrüchigen Sponsorengelder. Die Wölfe hängen am Tropf von VW.

    Eines ist klar – zumindest die Kassenlage stimmt zurzeit beim VfL Wolfsburg. Wie aber das Geld der Sponsoren in die Kasse gelangt, das wird von der Staatsanwaltschaft jetzt geklärt. Ein Prozess, der die ganze Business-Branche Bundesliga interessiert.