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Sport-Kommentar: Schwaches Bild der FIFA beim Confederations Cup

Die Brasilianer nutzen den Confederations Cup als Bühne für ihre Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit und zeigen, dass Fußball und Politik eng miteinander verknüpft sind. Die FIFA sieht das jedoch anders und spricht von einer "Beschmutzung des Sports".

Von Jonas Reese | 30.06.2013
    Wenn heute zum Abschluss des Konföderationen-Pokals im Gastgeberland wieder Hundertausende auf die Straßen gehen, wenn sie wieder Plakate mit Sprüchen wie: "Die Copa für wen?", "Millionen für das Volk, nicht für die FIFA!" Oder: "Sepp Blatter ist nicht unser Präsident", in die Höhe halten und wenn es wieder zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der Polizei kommt, dann sind es nun am Finaltag schon fast gewohnte Bilder, die man sieht. Begleitumstände eines Sport-Events, an die man sich schon fast gewöhnt hat.

    Die Protestierenden in Brasilien nutzen den Confed-Cup als Bühne für Ihre Forderungen nach mehr Investitionen in Bildung und Gesundheit, für Ihren Unmut gegen Korruption und Misswirtschaft in ihrem Land und um dem Ärger über die Ausrichtung einer teuren Fußball-Weltmeisterschaft Ausdruck zu verleihen. Und diese Strategie scheint aufzugehen. Selten hat sich die Welt mit den Problemen in Brasilien so sehr beschäftigt wie zurzeit. Noch nie war die Situation im größten südamerikanischen Land so bedeutend wie jetzt, als Ausrichter von WM und Olympischen Sommerspielen.

    Und wie reagiert die Sportwelt? Sie diskutiert bei den Bildern von Steine werfenden Demonstranten oder knüppelnden Polizisten, ob die Großevents in diesem offenbar fragilen Staat überhaupt stattfinden können. FIFA-Präsident Sepp Blatter hatte Brasilien anscheinend wegen der Proteste nach Beginn des Turniers gleich wieder verlassen. Er beschuldigte die aufgeregte Masse, seinen geliebten Fußball für ihre Zwecke zu missbrauchen. Sein Generalsekretär Valcke sagte schon weit vor Beginn der Ausschreitungen, ein demokratisches Land mache die Ausrichtung eines Großturniers nicht leichter. Jetzt hofft er, dass die Bewegung auf der Straße nicht bis zur WM 2014 anhält. Und auch Brasiliens Sportminister sorgt sich bei diesen Bildern um das Image seines Landes – gilt Brasilien doch schon jetzt für viele als "außer Kontrolle geraten". Obwohl es, auch wenn die Fernsehbilder etwas anderes vermuten lassen, seitdem nicht unsicherer geworden ist in Brasilien, obwohl es sich bei den Randalierern nur um einen winzigen Bruchteil der ansonsten friedlichen Masse handelt.

    Dennoch werden längst Alternativausrichter für die WM 2014 gehandelt. England, die USA aber auch Deutschland sollen bereitstehen. Wie einfach und wie erbärmlich ist diese Haltung der Sportregenten. Wie leichtfertig vergeben sie hier eine große Chance, sich und ihren geliebten Fußball in ein gutes Licht zu rücken. Statt in die gewohnte Rhetorik zu verfallen, anstatt ihrer Angst über die Beschmutzung ihres unbefleckten Sports Ausdruck zu verleihen, wäre das genaue Gegenteil doch die viel wirksamere Strategie.

    Blatter und Co. Sollten begrüßen, dass ein Volk ihr Sportereignis als Bühne für seine tiefliegenden Sorgen benutzt. Ein Event, das nicht nur Menschen in die Stadien, sondern auch auf die Straße lockt. Eine Veranstaltung, die nicht nur unterhält, sondern auch den demokratischen Diskurs stärkt. Ein Fußball-Spiel, das nicht nur zum Konsumieren einlädt, sondern auch zum Demonstrieren, das wäre doch langfristig viel erfolgreicher zu vermarkten.

    Allein: Es ist eine naive Vision.

    Fußball zieht die Massen an, doch wenn sie schließlich kommen, freut das offenbar niemanden. Brasilien geht auch deswegen gegen die Demonstranten mit harter Gewalt vor, weil es Angst vor den Sanktionen der FIFA hat. Entzöge der Weltverband dem Land die WM, wäre das ein Desaster für Brasilien. Ein Teufelskreis. Denn: Das brutale Einschreiten der Sicherheitskräfte erzeugt bei den Protestierenden wiederum noch mehr Wut.

    Was wäre das für ein Signal, wenn sich Sepp Blatter nach einem Spiel vor die Kameras stellen und sagen würde: Es ist schön zu sehen, dass es in Brasilien eine Öffentlichkeit gibt, ein Volk, das für seine Ideale eintritt. Und noch schöner ist es, dass der Fußball da einen kleinen Beitrag der Unterstützung leisten kann. Fußball verbindet, sagt Blatter stattdessen gerne. Doch dass genau das derzeit in Brasilien geschieht, sieht er nicht.

    Der Sport darf nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Diese Funktionärsfloskel ist spätestens mit den Vorkommen in Brasilien endgültig unglaubwürdig. Sport ist Politik. Je offener alle Beteiligten das zugeben, desto machtvoller werden sie in Zukunft sein. Denn dann würden sie auch von der demonstrierenden Masse umjubelt werden. Und sie könnten ihre Spiele auch wieder an andere Länder als Russland und Katar vergeben.