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Sport wirkt wie eine Verjüngungskur

Sport hält fit - das ist bekannt. Wie groß der Einfluss auf den Körper jedoch wirklich ist, zeigt jetzt eine Studie der Medizinischen Hochschule Hannover. Menschen, die noch nie zuvor Sport getrieben hatten, trainierten täglich - mit erstaunlichen Ergebnissen.

Von Michael Engel | 05.02.2013
    "Rebirth aktiv" nannten Wissenschaftler der Medizinische Hochschule Hannover eine Studie, an der Mitarbeiter zwischen 45 und 60 Jahren teilnahmen, vorausgesetzt, sie hatten vorher noch nie Sport gemacht. 67 Mitarbeiter meldeten sich, vom Pflegedienstleiter bis zum Laborassistenten, um 30 Minuten täglich ins Schwitzen zu kommen. Dass Sport fit macht, hatten die Wissenschaftler schon aus anderen Studien vermutet. Dass die Effekte aber ein so klares Signal setzen, hatte keiner erwartet: Das körperliche Lebensalter konnten innerhalb dieser kurzen Zeit um mehr als zehn Jahre gesenkt werden. Zusammen mit der Deutschen Herzstiftung wird jetzt an einer Folgestudie mit 300 Probanden gearbeitet, auch aus anderen Betrieben, um die Daten auf ein breiteres Fundament zu stellen. Michael Engel über die noch nicht veröffentlichte "Rebirth-aktiv-Studie":

    30 Jahre lang hatte Martin Schlieske keinen Sport gemacht. Als ihn sein Arbeitgeber, die Medizinische Hochschule Hannover, vor gut einem Jahr fragte, ob er an einer sportmedizinischen Studie teilnehmen möchte, sagte der 55-Jährige spontan zu. Vor allem wegen seiner Rückenschmerzen. Seitdem ist er mehrmals in der Woche dabei, trainiert im hauseigenen Fitness-Raum der Sportmedizinischen Abteilung und kommt dabei ganz schön aus der Puste:

    "… kein Sport getrieben zu haben bedeutet keine Kondition zu haben. Kurze Bänder, wenig Muskeln, Gelenkschmerzen, Bänderschmerzen, alles was dazugehört. Nach kurzer Zeit habe ich einen riesigen Effekt erlebt. Gleichzeitig erlebt, dass ich die Müdigkeit, die ganz profane Müdigkeit verloren habe. Ich kann mittlerweile ohne das Gefühl zu haben, mich konzentrieren zu müssen, zehn, zwölf Stunden arbeiten. Das war vorher nicht möglich."

    Dass Sport fit macht, ist eine Binsenweisheit. Doch was passiert dabei im Körper eigentlich genau? Diese Frage sollte eine Studie beantworten. Auch Martin Schlieske, Leiter des Pflegedienstes, war mit dabei. Sechs Monate trainierten 67 Mitarbeiter der Medizinischen Hochschule täglich eine halbe Stunde: Ergometer, schwimmen, schwitzen. Herzchirurg Prof. Axel Haverich über das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Studie:

    "Die linke Herzkammer – die Hauptkammer - hat sich in der Funktion signifikant verbessert. Das war ein Befund, den wir alle nicht erwartet hätten. Der Blutdruck war sehr viel besser reguliert. Die Herzfrequenz in Ruhe ist herunter gegangen. Und auch die Kreislaufreliabilität hat sich deutlich verbessert. Also das ging eben einher mit einer Zunahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, die sie durchschnittlich um 10,2 Jahre jünger gemacht haben."

    Verjüngungseffekte traten sogar in den einzelnen Blutzellen der Versuchspersonen auf. Bei genetischen Analysen stellte sich nämlich heraus, dass die sogenannten "Telomere" - die endständigen Abschnitte der DNA – der Erbmoleküle – immer länger wurden. Am Ende der sechsmonatigen Studie um 15 Prozent. Für Prof. Uwe Tegtbur, Direktor der Sportmedizin, ein sicherer Indikator für die sportlich ausgelöste Verjüngung:

    "Im Grunde ist es ja so, dass sich die Telomere im Laufe des Lebens stetig verkürzen und in der Zelle selbst es viele Substanzen gibt, die die Telomere beeinflussen. Und diese Substanzen inklusive der Telemere waren alle positiv verändert."

    Auch die Personalabteilung der Medizinischen Hochschule war begeistert: Der Krankenstand der Trainingsteilnehmer war um 40 Prozent reduziert. Bei der sogenannten "Workability", der subjektiven Selbsteinschätzung zur Arbeitsfähigkeit, errechneten die Wissenschaftler eine Verjüngung um 7,6 Jahre. Sport, so der Direktor der Kardiologischen Klinik, Prof. Johann Bauersachs, sollte in den Betrieben eine viel größere Bedeutung bekommen:

    "Wir glauben das Wichtige ist da das niederschwellige Angebot, dass man das Training in das tägliche Leben leicht integrieren kann. Und auch wie hier in der Medizinischen Hochschule beispielsweise das Training möglich war im Rahmen, sogar als Teil der Arbeitszeit oder unmittelbar im Anschluss an die Arbeitszeit hier im Institut für Sportmedizin. Also diese Niederschwelligkeit des Angebots ohne größeren, zusätzlichen Aufwand, das ist glaube ich der Schlüssel für den Erfolg."
    Gesundheit lässt sich allerdings nicht auf Vorrat trainieren. Die positiven Effekte nehmen leider sofort wieder ab, wenn das tägliche Training eingestellt wird. Für Manfred Schlieske kam das aber ohnehin nicht infrage. Der Sport hat ihm einen großen Teil der Lebenszufriedenheit zurückgebracht. Auch mental. An Aufhören ist jetzt nicht mehr zu denken:

    "Es hat ja auch eine Perspektive. Es ist keine Momentaufnahme. Für mich macht das nur Sinn, das als dauerhafte Aktivität zu begreifen."