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Sportabzeichen im Zeitenwandel

Viele Freizeitsportler wollen auf Zentimeter und Sekunden genau wissen, wie fit sie sind: Sie legen das Sportabzeichen ab. Diese Möglichkeit gibt es seit 1913. Heute vor genau 100 Jahren wurde seine Einführung beschlossen.

Von Gerd Michalek | 10.11.2012
    100 Jahre Deutsches Sportabzeichen
    100 Jahre Deutsches Sportabzeichen (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)
    "Mit 18 Jahren habe ich das erste Mal Sportabzeichen gemacht. Es ist ja jedes Jahr wieder eine Herausforderung und in meinem Alter, ich werde im Dezember 90. Dass ich die Zahl 58 geschafft habe, darüber freue ich mich."
    Klaus Höller ist ein typischer Abzeichen-Wiederholer. Er hat das Prüfzeichen zum ersten Mal 1941 absolviert, 2012 inzwischen zum 58. Mal!

    "Ich habe das insgesamt fünf Mal gemacht, das letzte Mal war schon 2009 und danach habe ich es vergessen, weil es nur einmal im Jahr ist. Oder nicht mehr dran gedacht."

    Wie Lisa geht es vielen jungen Sportlern, denen Trendsport lieber ist - als die Basissportarten Schwimmen, Laufen, Radfahren, Turnen. Insgesamt haben im letzten Jahr immerhin 891.000 Deutsche das Sportabzeichen erworben. Es sind 35 Millionen insgesamt seit 1912. Wie es damit in Deutschland begann, erklärt Sporthistoriker Ansgar Molzberger:

    "Das Deutsche Sportabzeichen wurde eingeführt auf Anraten von Carl Diem, dem deutschen Sportfunktionär. Er hatte bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm festgestellt, dass es ein entsprechendes Sportabzeichen in Schweden schon seit 1907 gab. Von der Idee des Breitensports für die gesamte Bevölkerung war er sehr angetan."

    Eingeführt wurde das Abzeichen am 10. November 1912 vom "Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele". Im Kaiserreich war das Abzeichen zunächst auf Männer beschränkt. Ab 1921 durften auch Frauen und Jugendliche teilnehmen. Sport-politisch verfolgte Carl Diem mit dem Prüfsiegel zwei Ziele.

    "Volksgesundheit war natürlich ein Thema, was wir heute unter Freizeitsport verstehen. Das war eine Motivation. Und es war ein Werbemittel für den Sport als solchen: Dass man Leichtathletik und Schwimmen als Sportarten betrieb, damit kabbelte man sich stark mit den Turnern. Insofern war das Abzeichen auch eine Möglichkeit für den Olympischen Sport zu werben."

    Geprüft wurde Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination - auf überraschend hohem Niveau: Der Prüfkatalog von 1913 verlangte von jungen Männern, die 100 Meter in 13,0 Sekunden zu sprinten und 4,75 Meter weit zu springen - mehr als derzeit bei der Aufnahmeprüfung der Sporthochschule Köln verlangt wird! Trotzdem schafften bis zum Beginn der Weimarer Republik insgesamt 169.000 Männer die Prüfung. Mit Beginn des Hitler-Regimes 1933 wurde das Prüfzeichen nahtlos in die Nazi-Ideologie integriert.

    "Stichwort Volksgesundheit mit starkem Charakter von Wehrerziehung, und für die Frau das Bild der Volksgesundheit als gute Mutter. Sowohl die SA hat ein eigenes Abzeichen eingeführt als auch die Hitlerjugend und der Bund deutscher Mädel."

    Von daher versteht sich, dass dem Sportabzeichen nach 1945 zunächst mit Vorbehalt begegnet wurde. Erst 1951 wurde es in der Bundesrepublik Deutschland - parallel dazu in der DDR - unter freizeitsportlichen Gesichtspunkten reaktiviert. In der Folge wurde teilweise auch dem Zeitgeist entsprochen. Alternativ zum Ausdauerlauf konnte man sich auch im Inline-Skaten prüfen lassen. Weil inzwischen viele Erwachsene das Sportabzeichen nicht mehr so attraktiv finden, hat der Deutsche Olympische Sportbund eine Reform durchgeführt. Von den künftigen Änderungen sind nicht alle begeistert. Prüfer Dieter Siegers:

    "Direkt glücklich bin ich nicht darüber. Jede Übung wird in drei Stufen aufgeteilt.
    Je nach Leistungsstärke gibt es künftig ein Abzeichen in Gold, Silber und Bronze. Es wächst damit der Leistungsaspekt. In der Vergangenheit war es ja so, dass man durch mehrmalige Ablegung des Abzeichens dann aufsteigen konnte zu Silber und Gold. Das soll beibehalten werden, das Kumulative."

    Eingeführt wird die Neuversion am 1. Januar 2013.