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Sportförderung
Sportler und Wirtschaft suchen Win-Win-Situation

Wie kann beides gleichzeitig gelingen: die erfolgreiche berufliche und sportliche Laufbahn? Die Sportstiftung NRW versucht bei ihrem "Captain's Day" am runden Tisch Personalchefs großer Wirtschaftsunternehmen sowie Sportler und Trainer zusammenzubringen.

Von Andrea Schültke | 24.01.2015
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    Im "Projekt Zwillingskarriere" können Sportler in Teilzeit arbeiten und voll trainieren. (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    "Für heute ist alles gesagt, bleiben Sie neugierig und wir sehen uns beim Captain's Day 2016 an gleicher Stelle." So verabschiedete Fecht-Olympiasieger und Moderator Arndt Schmidt nach fast vier Stunden die Gäste auf dem Düsseldorfer Messegelände. Davor war viel die Rede von "win-win-Situation", "Performance", "Zwillingskarriere", "Investment, das wir tätigen".
    Beim "Community Lunch", also einem Dreigang-Menü an runden Zehnertischen, kamen Wirtschaftsvertreter und Sportler ins Gespräch. Vor allem darüber, wie sie voneinander profitieren können. Eine Möglichkeit ist das von der Sportstiftung NRW erdachte "Projekt Zwillingskarriere":
    "Ich hab 'nen Teilzeitvertrag, kann morgens vor der Arbeit trainieren und nachmittags und krieg es dann von der Zeit ganz gut unter". "Zwilling" Stefan Wallat ist Ruderer und Trainee bei MAN Diesel und Turbo in Oberhausen. Schon während seines Studiums hat der Maschinenbauer hier ein Praktikum gemacht. Nach seinem Abschluss ist der 27-Jährige dann als Trainee eingestiegen. Der Kontakt zum "Zwilling" aus der Wirtschaft war von der Sportstiftung NRW lange vorbereitet.
    Sportler und Unternehmen stimmen sich bei der Karriereplanung aufeinander ab
    Personalvorstand Wilfried von Rath hat sich aus Überzeugung auf das Zwillingsprojekt eingelassen: "Es ist ein Zugang zu einem Talentpool von dem ich finde, dass wir ihn bisher vernachlässigt haben. Denn wir lernen hier wirklich junge, motivierte Menschen kennen, die allein durch Trainingsleistung, Anspannung, die der Sport mit sich bringt, durch die Wettkämpfe gestählt sind, die 'ne sehr starke mentale Ausdauer haben, 'ne starke Physis und das sind Dinge, die wir für uns gut nutzen und weiterentwickeln können als Unternehmen." Ein "return on invest" also für das Unternehmen.
    Stefan Wallats Ziel sind die Olympischen Spiele in Rio. Im Zwillingsprojekt kann sich der Weltmeister im Leichtgewichtsachter gleichzeitig auch auf seine berufliche Karriere konzentrieren: "Das ist viel besser, als ein Sponsoring oder andere Möglichkeiten, die man hätte, als nur Sport zu treiben, einfach noch mehr Erfahrung auch in anderen Bereichen zu machen."
    Da haben wir sie also, die win-win Situation. Bis das "Investment Leistungssportler" den return bringt braucht das Unternehmen Geduld. Denn die Leistungssportler werden in der Regel einige Jahre später fertig, als ihre Nicht-Sportler Kollegen. So wird es auch bei Beachvolleyballerin Isabell Schneider sein. Die 23-Jährige aus Leverkusen gehört zum Elite-Team NRW.
    Ihr Nahziel sind die Olympischen Spiele im kommenden Jahr. Aber spätestens in Tokio 2020 will sie mit ihrer Partnerin dabei sein. Entsprechend lang ist der Plan, den die BWL-Studentin mit ihrem Zwillingspartner Henkel in Düsseldorf gemacht hat. Alles genau aufeinander abgestimmt: "Bei mir sieht es so aus, dass ich in der wettkampffreien Zeit bei Henkel bin, das haben wir schon frühzeitig geplant. Das erste Mal war ich im September da für sechs Wochen, das nächste Mal werde ich im Februar da sein. Ich bin dann jeden Tag da aber in Kombination mit Training und Uni. Darauf wird Rücksicht genommen."
    Nicht für alle Unternehmen ist die "Zwilligskarriere" das passende Modell
    So lange will Ralf Schenkel, Personalleiter von Lanxess nicht planen: "Wir haben die Zwillingskarriere geprüft und engagieren uns derzeit nicht. Aus unserer Sicht passt das nicht zum Unternehmen". Schenkel sind die Leistungssportler erst aufgefallen, als sie längst in seinem Unternehmen tätig waren. So haben eine Leichtathletin und eine Hockeyspielerin durch herausragende berufliche Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Durch ihre "besondere Performance", wie er es nennt. Vor allem durch ihre andere Art der Problemlösung: "Wo viele jüngere Hochschulabsolventen auch schnell überfordert sind, sind die, die aus dem Sport kommen doch eher unterwegs nach dem Motto: Es scheint jetzt ein echtes Problem zu sein, aber lass uns mal schauen, wie wir das bewältigen können."
    Dazu brauche es weder Olympiasieger noch Weltmeister betont Schenkel. DM-Teilnehmer oder Verbandsligaspieler brächten die gleichen Voraussetzungen mit. Er sucht in Zukunft in Bewerbungsschreiben unter Hobbies nach Sport. Dann fragt er genauer nach. Leistungssport ist für ihn eine wichtige Zusatzqualifikation zusätzlich zur Fachkompetenz.
    Dirk Schimmelfpennig sieht das eher umgekehrt. Für den zukünftigen Vorstand Leistungssport im Deutschen Olympischen Sportbund ist wichtig, "dass das Ganze sich an den sportlichen Zielen ausrichtet weil das ja auch im Leistungssport das Ziel ist auf Weltniveau erfolgreich zu sein mit 'ner Ausbildung die mir eben 'ne Lebenskarriere und eine Sicherheit gibt sich auf den Sport zu konzentrieren."
    Sport und Wirtschaft bewegen sich aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander zu und suchen ihre Win-Win-Situation. Das Projekt Zwillingskarriere der Sportstiftung NRW ist eine der Möglichkeiten. Für Maschinenbauer Stefan Wallat ist nach Rio 2016 Schluss mit dem Sport. Dann winkt ihm eine Festanstellung bei MAN Diesel und Turbo. Sein Antrieb sind dann nicht mehr die Ruderreimen sondern Dampf- und Gasturbinen.