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Sportjournalismus
Der Spielbericht wird zum Imagefilm

Die Sportberichterstattung ist im Umbruch: ARD und ZDF sind bei der Vergabe der Übertragungsrechte der Olympischen Spiele 2018 bis 2024 außen vor geblieben. Pro7/Sat1 beteiligt sich am Internet-Sportsender "sportdeutschland.tv". Welche Folgen hat all das für die Zuschauer?

Von Jessica Sturmberg | 25.07.2015
    Das Logo der ProSiebenSat.1 Media AG
    Das Logo der ProSiebenSat.1 Media AG (dpa/picture-alliance/Peter Kneffel)
    Das Finale der A-Jugendmeisterschaft im Frauenhandball zwischen TSV Bayer Leverkusen und HSG Blomberg-Lippe hätte im konventionellen Fernsehen sicher keine Chance, gezeigt zu werden. Auf der Online-Plattform sportdeutschland.tv kann man sich das Spiel als Video-on-Demand anschauen. Ohne viel Drum-Herum, eine Kamera, eine Perspektive, angereichert durch Kommentar und Spielstandseinblendung. Bevor der Nutzer das Spiel sehen kann, gibt es eine Werbung. Mit etwa 10 Mitarbeitern stellt die DOSB New Media GmbH Veranstaltungen wie diese auf ihrer Plattform bereit.
    "Wir haben im Internet wunderbare Möglichkeiten, mit sehr schlanken Mitteln Sportveranstaltungen zu übertragen, über Sport zu berichten, sodass da die Vielfalt, die wir im Sport schlicht und einfach vorfinden auch in der Berichterstattung sich wieder finden wird."
    Erklärt Oliver Beyer, Geschäftsführer von DOSB New Media. Vergangenen Sommer ging das Portal, dass der DOSB erst einmal in Eigeninitiative gestartet hat, auf Sendung. Dass sich der Medienkonzern Pro7Sat1 jetzt mehrheitlich an dem Unternehmen beteiligt, davon verspricht sich Beyer so etwas wie den Durchbruch:
    "Für uns eröffnen sich einfach durch die Zusammenarbeit mit einem solchen Partner im Medienbereich noch mal ganz neue Perspektiven. Da ist sehr, sehr viel Know-How vorhanden, da ist auch Medienpower vorhanden. Das ist ja auch eines der Ziele, der Prioritäten, eben auch die Bekanntheit zu steigern beispielsweise durch entsprechende Werbekampagnen, beispielsweise durch entsprechende Informationsaktionen."
    Viele Sportverbände beklagen die zunehmende Monokultur des Fußballs im Fernsehen und sehen ihre Sportarten schon seit Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert. ARD und ZDF haben zwar gerade erst den Rechte-Vertrag mit den 32 größten deutschen Sportverbänden um zwei Jahre bis einschließlich 2017 verlängert, doch es werden nicht alle Übertragungsrechte daraus auch genutzt. Thomas Weikert, Präsident des Internationalen Tischtennisverbandes und langjähriger Verbandspräsident in Deutschland wünscht sich mehr:
    "Zum einen natürlich eine umfassende Abbildung bei unseren Großereignissen, das heißt Weltmeisterschaft oder eben auch World Cup, wenn der in Deutschland stattfindet, aber auch wenn andere große Turniere stattfinden und da kann man sagen nach dem Vertrag, ok naja, das ist zufrieden stellend, aber da ist noch Luft nach oben. Es ist ein bisschen fußballlastig eben in Deutschland. Was wir uns natürlich auf jeden Fall wünschen, ist, dass die Sportart so dargestellt wird, dass die Dynamik unserer Sportart zu sehen ist, das heißt möglichst viele Kameras, möglichst viel Slow-Motion, interessante Kameraeinstellungen."
    Sportübertragungen ohne begleitende Reportagen über Soziales und Politik, Korruption und Doping
    Solche Wünsche wird sportdeutschland.tv nicht bedienen können, das ist Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert klar.
    Für ihn ist die Internetplattform daher bislang auch eher eine Ergänzung zum Angebot von ARD und ZDF. Die Frage ist aber, wie entwickelt sich das nach den Olympischen Spielen in Rio 2016 weiter? Das IOC hatte die Rechte Ende Juni überraschend an den US-Konzern Discovery Communications verkauft. Ob Öffentlich-Rechtlich attraktive Sublizenzen erhalten wird, ist noch vollkommen offen. Je nachdem, wie die bald beginnenden Verhandlungen ausgehen, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf die Berichterstattung während des Olympiazyklus haben wird. Wer überträgt dann Qualifikationsturniere oder hinführende Weltcups, die zwar ein gewisses Sportpublikum interessiert, aber längst nicht die hohen Quoten einspielen wie Olympia?
    "Viele Sportarten sind sehr skeptisch und sagen, jetzt haben wir Angst, dass wir nicht mehr so abgebildet werden, ich teile das eigentlich im Moment nicht. In so etwas liegt immer auch eine Chance, ARD und ZDF müssen sich um Rechte bemühen. Es ist klar, dass die weiter Sport zeigen."
    Meint Sport-Funktionär Thomas Weikert, schließlich sei das auch Teil des Grundversorgungsauftrags. Randsportarten könnten am Ende auch wieder profitieren.
    Aber angesichts sich ändernder Fernsehgewohnheiten stellt sich die generelle Frage, welche Vision steckt hinter all den Vertragsabschlüssen? Wird in Zukunft nicht ohnehin Fernsehen im Internet konsumiert?
    Kurze, unterhaltsame Videozusammenschnitte von Höhepunkten auf Youtube, MyVideo oder maxdome, kostengünstige Live-Übertragungen der weniger populären Sportarten im Internet und nur die großen Höhepunkte werden noch mit viel Aufwand produziert und mit üppiger Werbung begleitet – so könnte es aussehen. DOSB New Media-Geschäftsführer Oliver Beyers Ideen:
    "Sei es Actioncams, die ich direkt beim Sport, auf der Schulter, dem Helm oder am Sportgerät habe oder auch mit den aktuellen, modernen Smartphones, wo ich ja in einer Super-Qualität HD-Videos erstellen kann, da habe ich ganz andere Möglichkeiten. Denken sie an das Thema Drohnen mit Kameras, wo ich Luftaufnahmen erzeugen kann."
    Durch die gesetzlichen Vorgaben sind die Online-Möglichkeiten von ARD und ZDF derzeit begrenzt. Ein Umstand, der angesichts solcher Entwicklungen neu thematisiert werden dürfte.
    Mit der Partnerschaft von Pro7Sat1 und Sportdeutschland.TV ist ein weiterer Abnabelungsprozess angestoßen, zu dem auch die Pläne von IOC-Präsident Thomas Bach für eigenen Olympia-TV-Kanal kommen.
    Ohne begleitende soziale und politische Reportagen, und ohne kritische Fragen nach Doping, Menschenrechten oder Korruption.