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Sportjournalismus
"Unterhaltung steht klar im Vordergrund"

Eine aktuelle Analyse bescheinigt Sportreportern eine zu große Nähe zum Gegenstand ihrer Berichterstattung. Vor allem im Fußball gehe es häufig nur um "Heldenverehrung", sagte Tonio Postel, Autor der Analyse, im Dlf. Gefragt seien deshalb auch die Vereine.

Tonio Postel im Gespräch mit Bettina Köster. | 09.10.2018
    Der Fußballer Lukas Podolski (l) und der Journalist Waldemar Hartmann, hier beim RTL-Jahresrückblick "Menschen, Bilder, Emotionen" 2013
    Der Fußballer Lukas Podolski (l) und der Journalist Waldemar Hartmann, hier beim RTL-Jahresrückblick "Menschen, Bilder, Emotionen" 2013 (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Tonio Postel hat für die Otto Brenner Stiftung das Diskussionspapier "Zwischen Fanreportern und Spielverderbern. Fußballjournalismus auf dem Prüfstand" geschrieben. Hierfür hat der Journalist Interviews mit Branchenexperten geführt und ist zum Schluss gekommen: Eine unabhängigere und kritischere Berichterstattung ist notwendig.

    Bettina Köster: Woran machen Sie das Nähe-Problem im Sportjournalismus fest?
    Tonio Postel: Also, fest mache ich das an vielen, vielen Sendungen, die man doch immer wieder, jede Woche und auch täglich sowohl im Fernsehen als auch in den Zeitungen bemerken kann: dass doch überall, immer wieder die Unterhaltung im Sportjournalismus ganz klar im Vordergrund steht. Und dass Themen die im Hintergrund hinter dem großen Ganzen stehen und stecken, dass die doch sehr vernachlässigt werden, um nicht zu sagen, ignoriert werden, weil sie eben zu wenig Quote bringen.
    Köster: Haben Sie ein Beispiel?
    Postel: Das größte Beispiel ist natürlich die Berichterstattung über den Spieltag der Fußball-Bundesliga. Wo es eigentlich immer nur um Ergebnisse geht, um die Heldenverehrung der Fußballer. Der ganze Fußballbetrieb wird oft mit einer martialischen Sprache gefeiert. Und die Spieler und Protagonisten sind eigentlich die Superhelden unserer Zeit. Es gibt eigentlich immer nur noch Superlative dabei. Es werden eigentlich immer nur noch "das größte Spiel, das tollste 6:0, das extremste Spektakel" gefeiert. Das soll ja auch so sein. Aber es ist natürlich so, dass es auch eine Kehrseite des ganzen Spektakels gibt. Und dass diese Seite einfach unterrepräsentiert wird in der Berichterstattung, die sehr dominant in den öffentlich-rechtlichen, aber auch in den Boulevard-Medien vor allem gepflegt wird.
    Köster: Das "Sportstudio" wird ja seit einiger Zeit von Dunja Hayali moderiert. Sie ist ja als sehr kritische Journalistin bekannt, die auch sehr viel Haltung immer wieder zeigt. Hat das eigentlich die Berichterstattung im "Aktuellen Sportstudio" verändert? Sind die Interviews härter geworden?
    Postel: Das ist eine Frage, die etwas zu früh kommt, würde ich sagen, weil sie gerade erst zwei Ausgaben moderiert hat. Die erste Ausgabe hat viele Beobachter enttäuscht. Da war sie sehr zahm und zurückhaltend. Vielleicht ist sie da auch einfach auf Nummer sicher gegangen, um einen guten Einstand zu feiern. Die zweite Ausgabe des "Sportstudios", wo DFB-Präsident Reinhard Grindel zu Gast war, war deutlich besser. Da hat sie auch wirklich gezeigt, dass sie nachhakt, dass sie kritisch fragt und dass sie sich auch nicht abschütteln lässt. Wie die Kollegen in der "Süddeutschen Zeitung" auch geschrieben haben, ist es ihr gelungen, "Herrn Grindel und seine Phrasen etwas zu entlarven", so dass man sagen muss, er ist wahrscheinlich nicht der geeignete Mann, um wirkliche Reformen im DFB anzustoßen.
    "Der Ausweg ist schwer"
    Köster: Jetzt sagen Sie, dass der Sportjournalismus anders als andere Ressorts seine kontrollierende Wächterfunktion nicht richtig einnehmen kann, weil eben die Nähe - das haben Sie ja eben auch schon beim Fußball beschrieben - zu groß ist vieler Sportreporter, dass sie zu sehr Fans sind. Ist das nicht grundsätzlich ein Problem? Ich würde sagen, bei der Politik-Berichterstattung ist das ähnlich. Es ist doch immer ein Spiel zwischen Nähe und Distanz.
    Postel: Das ist richtig. Aber im Sport ist es tatsächlich so, dass man es kausal beschreiben und verfolgen kann, dass, wenn Kollegen eine Nähe pflegen zu den Objekten ihrer Berichte, dass sie dann auch als Erste und vielleicht auch bevorzugt informiert werden und auch gepflegt werden von der anderen Seite. Das ist ein Problem, woran die ganze Berichterstattung krankt, weil man dann einfach nicht mehr den Menschen, die einem etwas gegeben haben, die einen bevorzugt behandeln - das ist ja eine Schmeichelei -, dass man die nicht mehr so hart anpackt und nicht mehr so kritisch in die Pfanne haut, wie, wenn man eben vernachlässigt wird und unter ferner liefen läuft, das liegt, glaube ich, auf der Hand.
    Köster: Sehen Sie einen Ausweg aus dem Dilemma?
    Postel: Der Ausweg ist beschwerlich und schwer. Es ist aber einfach wichtig, dass man diese Grundsätze, die ich angesprochen habe, als Auswege nimmt. Also dass man zusammen mit den Vereinen etwas formuliert und sich die Rollenverteilung wieder klarmacht. Das ist, glaube ich, notwendig: Dass die Vereine anerkennen, was die Aufgaben von Journalisten sind. Und dass ein unabhängiger, kritischer Sportjournalismus für alle Beteiligten und die Gesellschaft ein Mosaikstein ist. Das ist, glaube ich, wichtig.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.