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Sportpolitik
Die Sportfamilie bleibt unter sich

Mit ihrem Mischmasch aus Phrasendrescherei, Ideologie und rhethorischem Kaugummi ähneln Sportfunktionäre Politikern, die gekonnt die Verhältnisse schön reden und die Probleme verschleiern. Doch die Konsumenten verlieren den Glauben an die Institutionen.

Von Jürgen Kalwa | 02.01.2016
    Inspektionsreise des ICO in Peking
    Inspektionsreise des ICO in Peking (picture-alliance / dpa / Kyodo / MAXPPP)
    Genau genommen haben Sportverbände keine Macht. Denn sie haben keine Polizei. Keine Soldaten. Und keine Waffen. Was sie aber haben, ist das, was der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger mal mit dem Begriff "Kommunikationshoheit" beschrieben hat - Es ist die Floskelgrube der erhabenen Gedanken, mit denen man den Sport und sein Wirken beschreibt. Das geht schon seit über hundert Jahren so. Ein Meister des Metiers war Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter, bis er unlängst begann, sich im Irrgarten seiner wirren Botschaften völlig zu verlaufen.
    Sein Klassiker des Funktionärssprech: Ein bizarres Plädoyer gegen Rechtsstaat, Gesetz und Ordnung. Und für mafiaartige Verhältnisse.
    "Wenn wir Probleme haben in der Familie, dann lösen wir doch die Probleme in der Familie und gehen nicht zu einer fremden Familie. In diesem Sinne: Alles, was im Fußball passiert und alle Schwierigkeiten, die im Fußball sind, sollen innerhalb der fußballerischen Gerichtsbarkeit oder Rechtsprechung gemacht werden und nicht vor ordentliche Gerichte gebracht werden. Das ist nicht mehr unsere Familie."
    Verantwortung? Nein. Die hat ein Spitzenfunktionär nicht
    Nicht unsere Familie und nicht unsere Welt. Wie Franz Beckenbauer immer beweist. Ein Genie im Sand-in-die-Augen-Streuen: "Also ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen da frei rum. Weder in Ketten gefesselt. Noch mit irgendeiner Büßer-Kappe am Kopf. Also, das habe ich noch nicht gesehen."
    Man erkennt die Taktik und den rhetorischen Verhau, sobald man genauer zuhört. Verantwortung? Nein. Die hat ein Spitzenfunktionär nicht. Nicht mal für seine eigenen Erklärungen: Ein Beispiel, wie IOC-Präsident Thomas Bach, so etwas handhabt, vor ein paar Monaten über die Rolle des IOC in den Austragungsländern von Olympischen Spielen.
    "Wir respektieren die Souveränität von Ländern", sagte er in einem Interview dem kanadischen Fernsehen.
    Im Fall autoritärer Regime wie Russland oder China mag das sogar stimmen. Im Fall von Kanada sicher nicht. Da zeigte sich, als weibliche Skispringer vor den Spielen in der kanadischen Stadt Vancouver die kanadischen Anti-Diskriminierungsgesetze einklagen wollten. Kanadische Gerichte kapitulierten einfach vor dem IOC.
    Und die Kinder auf der Erde machen ihre Äuglein zu. Allerdings manchmal auch nicht.
    Abstreiten, vernebeln, entstellen
    Als IAAF-Präsident Sebastian Coe neulich über seine geschäftlichen Beziehungen zu Nike, einem wichtigen Sponsor in der Leichtathletik, behauptete er, "das sei kein Interessenkonflikt", musste er dennoch dem öffentlichen Druck nachgeben. In Großbritannien mehrt sich der Widerstand gegen den erfahrenen PR-Mann und erfolgreichen Politiker und seine Methoden: Abstreiten, vernebeln, entstellen. Man glaubt ihm solche nassforschen Aussagen wie vor seiner Wahl über die von der ARD erhobenen Vorwürfe in Sachen Doping und Russland nicht mehr: "Dass wir Komplizen in einem Vertuschungsversuch sind, kann durch nichts belegt werden, was wir in den letzten 15 Jahren getan haben."
    Wenige Tage später hatte die Staatsanwaltschaft in Frankreich das Ammenmärchen vom sauberen Verband geschreddert. Und Coe musste einmal mehr zurückrudern. Er hat wohl nicht das Zeug eines Bernie Ecclestone. Der Chef der Formel 1 kam mit einer Zahlung von 75 Millionen Euro an die bayrische Staatskasse - für ihn ein Taschengeld - aus einem Bestechungsprozess heraus.
    Der 85-Jährige gewann die Kommunikationshoheit mit einer Geschichte, in der er nicht etwa der Täter ist, sondern das Opfer. Dass die Staatsanwälte in München diese Version gegen Zahlung einer riesigen Summe akzeptierte, zeigt, dass Spitzenfunktionäre ein Talent haben, das anderen fehlt: Die totale Selbstinszenierung als Wohltäter. Weshalb es auch in Zukunft keinen wirklich sauberen Sport geben wird. Jedenfalls nicht dort, wo solche Sandmänner schalten und walten können.