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Sportpolitik
Soll der Sportausschuss wieder öffentlich tagen?

Kaum ist der Sportausschuss des Bundestages das erste Mal zusammengekommen, befasst er sich schon wieder mehr mit sich selbst als mit Inhalten. Es geht um die Frage, ob die Abgeordneten wieder öffentlich tagen oder nicht.

Von Robert Kempe | 18.01.2014
    Angetrieben von Union und FDP hatten die Sportpolitiker bekanntlich im Herbst 2011 Bürger und Medien ausgesperrt. Angeblich wollten sie sich besser auf ihren Job konzentrieren – tatsächlich störten sie sich an kritischer Berichterstattung. Prominenter Befürworter dieser Einigelungs-Aktion war der neue sportpolitische Sprecher der Union, der einstige Turnweltmeister Eberhard Gienger. Auch jetzt kann sich Gienger nicht dazu durchringen, die Türen wieder prinzipiell zu öffnen. “Es ist derzeit so, dass wir, was die Ausschüsse anbetrifft, nicht öffentlich tagen. Da wir aber im Sportausschuss der Meinung sind, dass viele Themen öffentlich relevant sind, wollen wir hier sehr großzügig verfahren. Dies wird aber zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern hier noch einmal besprochen werden, und dann wollen wir in der nächsten Sitzungswoche hierdrüber eine Entscheidung treffen.“
    Giengers Definition von “Großzügigkeit“ teilen nicht einmal alle Unionspolitiker; einige sind für generell öffentliche Sitzungen. Intern spricht man schon jetzt von einem schlechten Start des neuen Sprechers. Dass die Sportpolitiker die Entscheidung nun an die Parlamentarischen Geschäftsführer weiterreichen mussten, ist aufschlussreich fürs politische Ranking dieses Ausschusses. Und birgt auch ein Risiko für den Koalitionspartner SPD. Die Fraktion um die Ausschussvorsitzende Dagmar Freitag hat sich immer wieder für öffentliche Sitzungen ausgesprochen. Je nachdem, was bei den Verhandlungen herauskommt, werden entweder die SPD oder Gienger geschwächt.
    Andre Hahn ist sportpolitischer Sprecher der Linken. Er ist neu im Bundestag. Das Gezerre um Öffentlichkeit kann der Sachse nicht nachvollziehen: “Ich verstehe die Angst insbesondere bei der CDU/CSU nicht vor der Öffentlichkeit, vor den Medien. Man geht doch in die Politik, um etwas zu bewegen. Man möchte etwas bewegen und man will das auch öffentlich darstellen. Ich glaube, Transparenz kann eigentlich nicht schaden. Von uns aus können gerade auch im Sportbereich die Ausschusssitzungen generell öffentlich stattfinden. Das sollte aus meiner Sicht die Regel sein und nicht Ausnahme, wie es offenbar bei Herrn Gienger geplant ist.“
    Der organisierte Sport steht nicht nur in Deutschland in dem Ruf, wichtige Themen gern im Hinterzimmer zu diskutieren. Um dem etwas entgegenzusetzen, hatten seine parlamentarischen Kontrolleure ab 2005 den Ausschuss immer mehr geöffnet. Bleiben sie jetzt bei der Abschottung, gerät der Sportausschuss immer mehr in Erklärungsnot und in die Legitimationskrise.

    Gienger ist zwar nicht mehr DOSB-Vizepräsident für Leistungssport, doch dem Deutschen Olympischen Sportbund nach wie vor eng verbunden. Zudem sitzen im Ausschuss traditionsgemäß Verbandsfunktionäre: Für die CDU Frank Steffel, Präsident des Handballvereins Füchse Berlin – ein Unterstützer von Giengers Kurs. Ingo Wellenreuther, Präsident des Karlsruher SC und Vertreter des Ligaverbandes im DFB-Vorstand oder Reinhard Grindel. Der ist Schatzmeister des DFB. Grindel befürwortete aber schon in der Vergangenheit Öffentlichkeit. Dabei bleibt er auch jetzt.
    Er sagte diesem Sender in den “Informationen am Morgen“: “Ich bin der Auffassung, dass wir ja von den großen internationalen Sportorganisationen uns Offenheit und Transparenz wünschen. Dann sollten wir auch selber als Sportpolitiker mit gutem Beispiel vorangehen. Öffentlich und transparent tagen. Wir haben nichts zu verbergen und sollten auch nicht den Eindruck erwecken.“
    Grindels Ansinnen hat sicher auch andere Gründe: Denn eigentlich wollte er Ausschussvorsitzender werden. Er schaffte es nur zum einfachen Mitglied – und auch nur in den Sportausschuss. Böse Zungen meinen, jetzt habe er auch die Zeit für seinen Posten beim DFB.
    Ausschussvorsitzende bleibt die SPD-Politikerin Dagmar Freitag, die auch Vizepräsidentin der Leichtathleten ist. Ihre Fraktionskollegin Michaela Engelmeier-Heite hat dieses Amt im Deutschen Judo-Bund inne. Auch sie ist neu im Bundestag. Dass sie dennoch auf Anhieb sportpolitische Sprecherin der SPD wurde, ist wohl auch auf ihre Mitgliedschaft im Parteivorstand zurückzuführen. Ein Problem zwischen Ehrenamt und ihrem Mandat sieht auch sie nicht: “Also ich habe da keinen Interessenkonflikt, erst einmal bin ich im Deutschen Judo-Bund zuständig für den Breitensport. Das ist auch etwas, auf was ich mich dort sehr gestürzt habe. Natürlich habe ich auch kritische Meinungen. Ich bin nicht immer auf einer Linie mit meinem Verband. Die auch nicht immer mit mir. Das ist aber ganz normal. Wir diskutieren da alles aus und ich sehe da keine Interessenkonflikte als Vizepräsidentin des Deutschen Judo-Bundes jetzt mit meinem Amt, was ich jetzt hier im Deutschen Bundestag ausfülle.“
    Dennoch. Auch im Sportausschuss wird es früher oder später um Inhalte gehen müssen. In Kürze stehen Haushaltsverhandlungen an. Dann geht es um die Verteilung der Fördermittel an die Sportverbände. Linkenpolitiker Hahn sieht deshalb solche Ämterverquickungen mit Skepsis: “Das sollte genau nicht passieren, dass Sport parteipolitisch instrumentalisiert wird. Die Gefahr ist ein Stück weit da – und auch die Interessenkollision. Ich unterstelle zunächst niemanden etwas, ich komme hier offen in diesen Ausschuss. Ich möchte mit allen konstruktiv zusammenarbeiten und hoffe, dass die Gegenseite das genau so sieht.“
    Außer in Haushaltsfragen trifft der Sportausschuss kaum Entscheidungen, denn der Sport hütet bekanntlich seine Autonomie. Es liegt an den Parlamentariern, dem Gremium weitere Relevanz zu geben. Öffentliche Debatten zum Sport wären dafür nicht mehr als ein erster Schritt. Immerhin aber könnten die Abgeordneten damit ein Zeichen gegen den Verdacht setzen, sie seien vor allem eins: die parlamentarischen Lobbyisten des organisierten Sports.