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Sportpolitik
Sportministerkonferenz will sich aufwerten

Nicht zuletzt durch das schlechte Abschneiden bei Olympischen Spielen gibt es eine Diskussion um die Spitzensportförderung und eine strukturelle Debatte in Sport und Politik. Wie soll das System künftig organisiert sein? Wer soll sich darum kümmern? Die Sportministerkonferenz unter Führung von NRW-Sportministerin Ute Schäfer will mitbestimmen.

Von Moritz Küpper | 03.05.2015
    Die nordrhein-westfälische Sportministerin Ute Schäfer
    Bei der Neugestaltung der Spitzensportförderung will die Sportministerkonferenz unter Vorsitz von Ute Schäfer aus Nordrhein-Westfalen mitreden. (Martin Gerten, dpa picture-alliance)
    Der Hörsaal 1 der Deutschen Sporthochschule in Köln am Montagmorgen. Der Applaus für den Rektor hält noch nach. Es findet der "30. Internationale Kongresses zur Nachwuchsförderung" statt. Rund 270 Kilometer Stau in Nordrhein-Westfalen haben an diesem Morgen mal wieder dafür gesorgt, dass der Saal erst halb voll ist, doch die Veranstalter wollen nicht warten.
    "Vielen Dank Herr Professor Strüder, ich möchte jetzt unsere Ministerin, Frau Sportministerin Ute Schäfer bitten, den Kongress zu eröffnen."
    Als Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen - so ihr offizieller Titel - darf Ute Schäfer den Jubiläumskongress eröffnen. In brauner Lederjacke, Schal, beiger Hose, geht Schäfer auf die Bühne.
    "Ja, das mache ich sehr gerne, meine Damen und Herren, einen wunderschönen guten Morgen."
    Für Schäfer, 61 Jahre alt und insgesamt schon in ihrem achten Ministerjahr, Routine - und dennoch etwas Besonderes: Denn der Sport hat in ihrem breit aufgestellten Ministerium nun eine Sonderrolle. Seit Anfang des Jahres ist Schäfer Vorsitzende der Sportministerkonferenz, kurz SMK, der Zusammenschluss der 16 Länder, den es auch in anderen Fachbereichen gibt, und der - so heißt es auf der offiziellen Website wörtlich, "überall dort tätig wird, wo Länderinteressen zur Sportentwicklung mit den Aufgaben der Europäischen Union des Bundes, der Kommunen und des gemeinnützigen Sports koordiniert werden müssen". Doch richtig auffällig geworden ist die SMK zuletzt nicht. Das soll sich nun ändern. Für Ute Schäfer ist der aktuelle Reformprozess in der Sportpolitik genau der richtige Moment:
    Sportminister wollen in Reformprozess eingebunden werden
    "Deswegen ist meine Vorstellung auch, im Rahmen dieser Sportministerkonferenz mit meinen Länderkollegen zu erreichen, dass wir als Länder mit eingebunden werden in den Reformprozess auf Bundesebene, der jetzt ja auch noch einmal eine neue Ausrichtung erfährt. Ohne uns wird es nicht gehen können, denn wir haben ein unglaubliches Potential in den Ländern, was man einfach mitdenken muss. Man kann nicht das eine ohne das andere tun."
    Rund eine halbe Stunde nach ihrer Rede steht sie im Foyer der Sporthochschule. Der Kongress läuft. Vor wenigen Minuten hat die Ministerin noch genau registriert, wie beispielsweise Walter Schneeloch, der Präsident des Landessportbundes NRW und Vize-Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bundes, kurz DOSB, den Wunsch nach einer stärkeren Rolle der Länder in der Diskussion um die Spitzensportförderung geäußert hat. In Schneelochs Redemanuskript heißt es: "Wer weiterhin den Nachwuchsleistungssport ausschließlich den Ländern und den Spitzensport ausschließlich der Bundesebene zuordnet und darauf eine erfolgreiche Leistungssportsteuerung aufbauen will", so der erfahrene Sportfunktionär, "der weiß nicht, wie Leistungs- und Spitzensport heute funktioniert." Sätze, die Schäfer genau registriert hat - und die ihr in die Karten spielen:
    "Der Präsident des Landessportbundes hat es erwähnt: Wenn man ein Unternehmen gut führen will, dann muss man Ziele vereinbaren. Dann muss man die Struktur anschauen - und dann muss man überprüfen, ob man Ziele erreicht hat und genau das müssen wir mit unserer Organisation im Sport tun, sowohl was die Länder angeht, als was die Bünde angeht."
    Justizminister kaperten Themen
    Schäfer will mitreden. Denn das war in der jüngeren Vergangenheit eher nicht der Fall, die SMK stand eher im Schatten: Im Vorjahr in Frankfurt unter dem Vorsitz Hessens standen beispielsweise der Anti-Doping-Kampf sowie die Gewaltauswüchse im Profifußball auf der Agenda. Doch die Justizminister der Länder sowie auf Bundesebene kaperten das Thema Anti-Doping-Gesetz, Schäfers Kabinettskollege in Nordrhein-Westfalen, Innenminister Ralf Jäger, ebenfalls von der SPD, hat es geschafft, sich mit dem Thema Profifußball, Kosten und Sicherheit einen Namen zu machen - als Vorsitzender der Innenministerkonferenz im vergangenen Jahr. Ein Punkt, an dem Ministerin Schäfer direkt wird:
    "Sie finden, wir verkaufen uns unter Wert? Das hat vielleicht durchaus eine Berechtigung, diese Anmerkung und deswegen fände ich es auch gut, wenn die Sportministerkonferenz von sich aus aktiver bestimmte Themensetzung vornehmen würde."
    Auch Schäfer weiß, dass die Sportministerkonferenz nicht die zentrale Anlaufstelle in der Sportpolitik sein kann, dafür trifft man sich zu wenig: Neben den turnusmäßigen Treffen der Sportreferenten gibt es eine jährlichen Tagung, diesmal im November in Köln. Doch etwas mehr Aufmerksamkeit darf es dann schon sein. Ein Hebel könnte nun die Neuordnung der Spitzensportförderung sein - zumal dies auch ein zentrales Thema der Anfangsjahre der SMK war:
    "Wenn man einmal schaut, wie die Sportministerkonferenz entstanden ist, 1977, da gab es doch eine große Diskrepanz zwischen den Ansinnen des Bundes, die Sportförderung zu forcieren und der Rolle der Länder. Und der Punkt, warum diese Konferenz etabliert worden ist: Die Länder hatten eben das Interesse, sich stärker zu koordinieren."
    Länder für gesamtgesellschaftliche Perspektive relevant
    Sagt Professor Jürgen Mittag von der Sporthochschule Köln. Der Politikwissenschaftler arbeitet gerade an einem Standard-Lehrbuch über die Sportpolitik in Deutschland. Trotz dieser Anfänge war die SMK in der Vergangenheit eher mit Breitensport assoziiert worden:
    "Das hat sich dann im Laufe der Jahre, Jahrzehnte etwas verändert und hängt auch mit den originären Kompetenzen der Länder zusammen, die eben eher im Breitensport in den Sportprogrammen angesiedelt sind und eher bedingt den Spitzensport umfasst."
    Dennoch hält Mittag den Schritt, sich nun in der aktuellen Spitzensportförderungs-Diskussion zu beteiligen, für richtig - zumal die SMK dort eine zentrale Rolle spielen könnte:
    "Und ich sehe die Rolle der Länder nicht zuletzt darin, dass was vielleicht gegenwärtig an Kritik sowohl gegenüber dem DOSB, als auch gegenüber dem Innenministerium geäußert wird, auch noch einmal aufzufangen, aufzugreifen und zu schauen, wie eben eine erfolgreiche, aber auch gesamtgesellschaftlich sinnvolle Sportförderung in Deutschland von statten gehen kann. Und das muss alles diskutiert, auch ausdiskutiert werden und dazu kann die SMK sicherlich auch ihren Teil dazu beitragen."
    Neben der Leistungssportförderung will Schäfer Themen wie körperliche Aktivität im Kindes- und Jugendalter auf die Agenda hieven - und auch darüber punkten. Für Politikwissenschaftler Mittag der richtige Ansatz:
    "Ich würde wirklich den Wert und die zentrale Rolle der Sportministerkonferenz eher in der fachbezogenen Koordination sehen, nicht unbedingt in der symbolischen Interessenpolitik, das mögen vielleicht andere etwas effizienter und etwas außenwirksamer betreiben."