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Sportpolitik
Wohnzimmer als VIP-Lounge

Sport und Lärm diese Kombination sorgt immer wieder für Zündstoff, vor allem in Großstädten. Die einen wollen sich endlich austoben, die anderen ihre Ruhe haben. Die Sportverbände wollen schon seit Jahren den Lärmschutz lockern - das könnte nun tatsächlich bald passieren.

Von Daniel Bouhs | 17.01.2015
    Die Fußballspieler von Blau Weiß Berolina Mitte trainieren mitten im Wohngebiet
    Die Fußballspieler von Blau Weiß Berolina Mitte trainieren mitten im Wohngebiet (Deutschlandradio - Daniel Bouhs)
    Blau Weiß Berolina Mitte trainiert - und das hört man. Der Fußballplatz liegt so zentral wie kein anderer in der Hauptstadt, quasi direkt unter dem Funkturm. Ringsum Wohnhäuser, viele saniert. Ein Wohnzimmer mit großzügiger Glasfassade hängt förmlich über dem Spielfeld - wie eine VIP-Lounge. Hier wohnen nicht die Ärmsten der Stadt. Wenn irgendwo Anwohner über lärmende Sportler klagen könnten, dann sicher hier.
    Sportverbände schlagen seit Jahren Alarm: Vor allem im Urbanen fordern Anwohner zunehmend Ruhe - auch hier, wo an den Platz keine Zuschauertribüne grenzt, sondern Häuser. "Wir hatten mal jemanden, der hier eine Wohnung erwarb, im Erdgeschoss, und der beabsichtigte, eine Bürgerinitiative gegen den Sportplatz zu gründen", erinnert sich Vereinschef Thomas Meyer. Er selbst ist passenderweise Rechtsanwalt, übte sich aber nicht in der juristischen Auseinandersetzung, sondern beruhigte den Querulanten, indem er ihn ganz besonders umgarnte.
    "Mein Gott, wir haben ihn dann, wenn er Gast unseres Sportplatzes war, besonders zuvorkommend behandelt und seinen süßen Hund auch - und dann lief das alles."
    Das Drumherum erzeugt den störenden Lärm
    Das Training oder die Spiele mit teils lautstarken Fans, das sei dabei gar nicht das Problem, sondern meist das Drumherum: das Grölen und Feiern nach dem Knick, etwa im Vereinsheim. Ja, da gehe es schon mal heftig zu, sagt Meyer. Sein Verein habe aber zumindest den Lautstärke-Pegel gezielt gesenkt. "Das heißt, wir haben sehr viel Geld, also für unsere Verhältnisse sehr viel Geld in die Hand genommen und haben dafür Sorge getragen, dass es so schallgedichtet ist, dass selbst die unmittelbar angrenzenden Nachbarn nicht mehr gestört werden."
    Und dennoch: Was Thomas Meyer geglückt ist - ein friedliches Miteinander - das klappt nicht überall. Auch in Berlin ist der Streit zwischen dem Sport und seinen Anwohnern zuletzt gleich mehrfach eskaliert. In Dahlem, einem Bezirk, in dem vor allem gut betuchte Menschen leben, hat ein Investor im vergangenen Sommer etwa nicht nur neue Luxuswohnungen gebaut, sondern sie auch gleich mit einer fünf Meter hohen Wand abgeschottet. Hinter der "neue Berliner Mauer", wie sie Kritiker nennen, liegen drei Sportplätze. Und im Szenekiez Prenzlauer Berg stoppe erst ein Gericht einen Kampf gegen Sportlärm.
    "Wenn Sie in gut situierten Stadtteilen sind und dort in der Penthouse-Wohnung den Rechtsanwalt wohnen haben ohne Kinder, alleinlebend, der hat natürlich auch andere Bedürfnisse als eine Familie mit mehreren Kindern, die alle Sport treiben," analysiert Andreas Klages, der die Lage für den Deutschen Olympischen Sportbund beobachtet. Klages hat in dieser Woche im Sportausschuss des Bundestages eine Lockerung des Lärmschutzes für den Sport gefordert, denn der werde inzwischen von Ruhesuchenden immer massiver bedrängt.
    "Man ist eher geneigt, zu klagen. Die Durchsetzung von Individualinteressen werden früher, werden gewerkschaftlicher artikuliert. Eben deswegen braucht es eine Sichtweise, die die Gemeinschaft, die Gesellschaft insgesamt und damit auch das Sporttreiben in der Gemeinschaft stärker in den Blick nimmt."
    Ruhezeiten entschärfen, Kinderlärm-Privileg ausdehnen
    Klages zentrale Forderung ist, das sogenannte Kinderlärm-Privileg von Spiel- auf Sportplätze auszudehnen - die Jüngsten könnten dann so laut sein wie sie wollten. Außerdem sollen die Ruhezeiten entschärft werden, vor allem an Wochenenden. Und dann soll noch ein gesetzlicher Lärm-Bonus nicht mehr nur für alte Sportanlagen gelten, sondern künftig einfach für alle.
    Nun spricht einiges dafür, dass zumindest einige dieser Wünsche bald in Erfüllung gehen könnten. Im Sportausschuss waren sich bereits alle Fraktionen im Grundsatz einig. Allerdings dürfen die Sportpolitiker das am Ende wohl nicht ganz allein entscheiden. "Bei der Thematik hat man generell eher ein Dissens zwischen Sportpolitikern und Umweltpolitikern zum Thema Lärm," mahnt dann auch Monika Lazar von den Grünen.
    "Auf der einen Seite ist natürlich das Ruhebedürfnis der Menschen sehr nachvollziehbar und ein hohes Gut und auf der anderen Seite sind wir auch alle froh, wenn von Jung bis Alt die Menschen Sport treiben."
    Das ist die Abwägung, mit der sich die Politik nun beschäftigt. Bei Berolina haben sie Probleme bislang auch so gelöst. Einen laxeren Lärmschutz - zumindest Vereinschef Thomas Meyer braucht ihn eigentlich nicht. "Nein. Zur Zeit sehe ich für unseren Verein keinen Handlungsbedarf, weil wir die Dinge gut geregelt haben und ich im Augenblick feststellen kann, dass sich unsere Mitglieder relativ gut benehmen."