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Sportreporter des digitalen Zeitalters

Seit mehreren Jahren spielen sogenannte Gamer professionell Computerspiele: Es gibt eigene Ligen - und die besten Spieler verdienen mit Werbeverträgen Geld. Wie im echten Leben ist rund um die Spiele auch eine neue Szene entstanden: Es gibt Fans, Trainer - und auch Live-Kommentatoren, sogenannte Shoutcaster.

Von Christian Schiffer | 19.12.2011
    Ein Ausschnitt aus einer Partie Starcraft 2 (Quelle: YouTube), kommentiert von "Totalbiscuit" einem der bekanntesten Shoutcaster überhaupt. In Starcraft stehen sich insektenähnliche Aliens und Menschen gegenüber, die Grafik ist auf dem neuesten Stand, der Sound hämmert aus den Boxen. Doch das ist eigentlich nebensächlich: Denn Starcraft ist ein Strategiespiel, eine Art Blitzschach des Digitalzeitalters, hinter der martialischen Fassade steckt eine komplexe Spielmechanik und auf die kommt es letztlich an. Jeder Zug will genau überlegt sein, es gibt viele Strategien zum Erfolg. Das alles muss analysiert werden, deswegen werden die Partien kommentiert, so wie beim Fußball oder beim Eistanz. Der deutsche Shoutcaster Maurice Lange, genannt Mori:

    "Ein guter Shoutcaster sollte Ahnung vom Spiel haben, also wissen, was er sagt. Er sollte in die Tiefe gehen können, also nicht nur erzählen, was man sieht, sondern auch Hintergrundwissen haben. Er muss sehr viel Ahnung von der Szene haben und natürlich muss er auch den Zuschauer den ganzen Abend unterhalten können."

    Starcraft ist eines der beliebtesten Spiele im E-Sport, so wird elektronischer Sport genannt. Starcraft ist in Südkorea beispielsweise schon längst Volkssport, mit allem was dazugehört: mit hohen Preisgeldern, Stadien, Wettskandalen und Präsidentenbesuchen bei wichtigen Spielen. In Deutschland ist die Szene deutlich kleiner, wächst aber stetig. Außenstehende werden aber wohl nur Bahnhof verstehen, wenn Maurice Lange ein Spiel kommentiert (Quelle: YouTube).

    Kiting, Maxed-Out, One-Base: Bei Starcraft gibt es eine eigene Fachsprache, die sich nach und nach herausgebildet hat. Doch diese Sprache sprechen immerhin genügend Leute, dass Maurice Lange sein Hobby zum Beruf machen konnte. Seine Übertragungen sehen mittlerweile bis zu 10.000 Menschen. Doch die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren verändert, vor allem aufgrund der gestiegenen Popularität von E-Sport:

    "Früher war das wesentlich kleiner, die Zuschauermassen, wie man sie jetzt hat, hatte man früher nicht. Und: Das Internet gab es gar nicht her, dass man Shoutcastings wie heute durchführt, als Videoübertragung. Das waren eher Radioreportagen. Dadurch, dass es mehr Turniere und Zuschauer gibt, wird alles viel professioneller."

    Professioneller heißt aber auch: anstrengender. Manchmal starrt Maurice Lange sechs Stunden auf den Bildschirm und kommentiert Starcraft-Spiele. Und er muss immer auf dem aktuellsten Stand bleiben. Denn während sich beim Fußball die Regeln nur sehr selten ändern, gibt es im E-Sport dauernd Updates, die das Spiel verändern, etwa eine Einheit stärker oder schwächer machen. Darauf müssen sich die Spieler und die Kommentatoren einstellen. Und wenn ein ganz neuer Teil eines Spiels erscheint, muss Maurice Lange sogar ganz bei null anfangen:

    "Das ist ein komplett neues Spiel, in das man sich hineinfinden muss. Und da geht es den Spielern natürlich genauso. Man muss sich damit beschäftigen und dann kommt das mit der Zeit. Man kann das nicht mit dem Fußball vergleichen, dort kommt eine neue Regel, dann setzte man sich hin und kommentiert. Bei uns braucht das Zeit: Denn man kann ja nichts kommentieren, was es vorher nicht gab. Die Spieler sind da sehr kreativ und vieles sieht man dann das erste Mal."

    Vor zwei Wochen gab es in München ein Public-Viewing-Event zu einem Starcraft-Turnier, es war eines der ersten in Deutschland. Es kamen immerhin 200 Menschen, um in der Kneipe Computerspielmatches zu schauen. Barcraft nennt man diese Events, die es in den USA schon sehr viel länger gibt. Nicht nur in der Kneipe, auch im Fernsehen kommt E-Sport langsam an: Im August hat das ZDF das erste Mal ein Turnier übertragen. Wer weiß: Irgendwann werden elektronische Sportarten vielleicht genauso ernst genommen werden, wie Schach, Formel 1, Dressurreiten oder Curling.