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Sportwetten
Rücktritte wegen Lizenzvergabeverfahren

Die umstrittene Vergabe der Sportwetten-Lizenzen hat eine neue Dimension erreicht. Der Sportbeirat des für die Lizenzerteilung zuständigen Glücksspiel-Kollegiums hat seine Arbeit aus Protest gegen das Vergabeverfahren eingestellt. Denn der organisierte Sport will sich von der Politik nicht länger als Feigenblatt missbrauchen lassen.

Von Heinz Peter Kreuzer | 09.04.2015
    Ein Mann schaut sich eine Internetseite für Online-Wetten an.
    Ein Mann schaut sich eine Internetseite für Online-Wetten an. (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
    Geschlossen ist der Sportbeirat des Glücksspiel-Kollegiums bestehend aus Vertretern des Deutschen Olympischen Sportbundes, der Landessportbünde, der Sporthilfe, des Deutschen Fußball-Bundes und der Deutschen Fußball-Liga zurückgetreten. Grund ist das juristisch höchst umstrittene Verfahren für die Sportwetten-Lizenzen in Deutschland. Das Glücksspiel-Kollegium bestehend aus Verwaltungsbeamten der Länder hatte die Lizenzen auf der Grundlage des Mitte 2012 geänderten Glücksspiel-Staatsvertrages vergeben. Aber bis heute ist wegen laufender Gerichtsverfahren keine einzige Konzession erteilt worden. Das Fiasko sei vorhersehbar gewesen, wenn man statt Qualitätskriterien eine quantitative Beschränkung wähle, sagt Hessens LSB-Präsident Rolf Müller, einer der zurückgetretenen Beiratsmitglieder:
    „Denn wenn ich eine zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen habe, ist es natürlich ganz klar, dass der, der nach der zahlenmäßigen Beschränkung kam, und keine Konzession erhält, den Klageweg geht und deswegen ist das ganze Verfahren im Moment lahmgelegt."
    Marktführer Tipico hatte wie andere Wettanbieter geklagt, weil sie keine Lizenz erhalten hatten. LSB-Chef Müller kann dies nachvollziehen. Und die Sportorganisationen wollen erst wieder mitarbeiten, wenn die Politik endlich die geplante Liberalisierung vorantreiben würde. Der Sportfunktionär glaubt jedoch, dass nur der organisierte Sport einen geänderten Glücksspiel-Staatsvertrag wolle. Das Interesse der Politik schätzt Müller dagegen gering ein. Denn die Länderfinanzminister kassieren schon jetzt von den privaten Wettanbietern auch ohne Lizenz mehr als 220 Millionen Euro Glücksspielsteuer jährlich. Und die Ministerpräsidenten wollen sich nicht einigen, glaubt LSB-Chef Müller:
    „Der eine Teil ist eher für die Rückkehr zum Monopol, ein anderer Teil ist für die Liberalisierung. Also hier ist auch die Interessenlage unter den Ministerpräsidenten sehr unterschiedlich. Offensichtlich scheint es so gut zu gehen, dass man politisch keinerlei Handlungsbedarf sieht, dieses falsche Verfahren zu ändern."
    Dazu kommt: Die Zuständigkeit des Glücksspiel-Kollegiums ist höchst umstritten. Nach mehreren Rechtsgutachten kann ein aus Verwaltungen mehrerer Länder bestehendes Gremium nicht in die Entscheidung einer einzelnen Landesregierung wie in diesem Fall beim Glücksspielrecht eingreifen. Das hat schon das Verwaltungsgericht Wiesbaden in einem Beschluss bestätigt. Setzt sich diese Rechtsauffassung durch, wären alle Entscheidungen des Glücksspiel-Kollegiums in Sachen Sportwetten-Lizenzen hinfällig.