Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Sprengstoffnachweis auf Entfernung

Technologie.- Den Inhalt von weit entfernt stehenden Fässern oder Kanistern bestimmen zu können, galt für Wissenschaftler verschiedener Disziplinen bisher als große Herausforderung. Nun ist Forschern der TU Wien genau das gelungen - mithilfe von Laserlicht.

Von Lothar Bodingbauer | 10.04.2012
    Mit einem Laserstrahl beleuchtet Bernhard Lendl vom Institut für Chemische Technologie und Analytik der Technischen Universität Wien eine Plastikflasche unbekannten Inhalts. Der Laserstrahl dringt durch die Behälterwand in die zu untersuchende Chemikalie ein und wird an deren Molekülen gestreut. Zurück durch die Wand - zurück ins Messgerät. Die Behälterwand ist für den hier eingesetzten Laser kein Hindernis.

    "Wir sind uns sicherlich einig, dass wir durch unseren Finger nicht durchschauen können. Aber nehmen Sie einmal einen roten Laserpointer und scheinen mit dem auf Ihren Daumen. Dann werden Sie sehen, dass auf der anderen Seite ein leichter rötlicher Schimmer zu sehen ist, obwohl der Daumen natürlich nicht durchsichtig ist. Und genau dieser leichte Schimmer an eingestrahlter Strahlung, der erkennbar ist, ist jener Teil der Strahlung, den wir ausnützen, um die Raman-Photonen zu generieren, auch tief aus einem Objekt heraus."

    Raman-Photonen sind jene Anteile des eingestrahlten Laserlichts, die durch die Probe verändert werden. In ihrer Farbe, in der Frequenz, in ihrer Energie. Die Raman-Photonen werden "inelastisch" gestreut, und lassen so Rückschlüsse auf die Art der Probe zu. Der Großteil des eingestrahlten Lichtes bleibt dabei unverändert. Es wird "elastisch" gestreut und trägt keine Information über die Probe.

    "Die Intensität des gestreuten Lichtes ist allgemein sehr, sehr schwach. Wir können rechnen, dass ungefähr ein, zwei Photonen von einer Million eingestrahlten Photonen, wenn wir Glück haben, tatsächlich einen inelastischen Streuprozess durchlaufen, und somit Informationsträger der chemischen Zusammensetzung sind."

    Lendl und sein Team untersuchen die Wellenlängen dieser Photonen und gleichen diese dann mit Datenbanken chemischer Substanzen ab. Neu ist nun, dass die Analyse auch funktioniert, wenn die Probe in einer gewissen Entfernung steht. Bisher musste man sich entscheiden: Will man die Probe auf Entfernung analysieren, weil etwas Gefährliches darin vermutet wird, dann konnte man aber nicht in den Behälter hineinschauen. Oder man konnte in den Behälter hineinschauen, aber nicht auf große Entfernung. Bernhard Lendl kombinierte mit seinem Team diese Teilprobleme. Nun können die Forscher auch auf große Entfernungen den Inhalt verschlossener Gebinde analysieren.

    "Es ist damit möglich, auch geringe Spuren von Rückständen zu analysieren. Wir können hier in den Mikrogrammbereich hinein Mengen noch aus der Entfernung von 100 Metern detektieren. Um jetzt auch noch in ein Gebinde hineinsehen zu können, nützen wir eine Technik aus, die bekannt ist unter dem Thema "Spatial Offset Raman Streuung"."

    Dabei zielen die Forscher mit dem Laser auf die Probenstelle und messen die inelastisch gestreuten Photonen daneben. Sie schielen also mit ihren Messgeräten an der Probenstelle vorbei und lassen sich so von den elastisch reflektierten Photonen ohne chemische Information nicht blenden.

    In der Anwendung geht es nun zum Beispiel darum, gefährliche Flüssigkeiten in einer gewissen Entfernung zu identifizieren, um mit ihnen nicht direkt in Kontakt kommen zu müssen, zum Beispiel auf einem Flughafen. Ziel ist eine Kombination verschiedener Analysemethoden, die von den Projektpartnern der Technischen Uni Wien parallel entwickelt werden. Am Ende soll ein handliches Gerät auf den Markt kommen. Interessenten dafür finden sich im Bereich der Sicherheitstechnik ebenso wie unter den chemischen Verfahrenstechnikern. Denn nun sind aus der Ferne auch zentimetergenaue dreidimensionale Bilder der chemischen Zusammensetzung eines Objektes möglich.

    "Das sind sicher Applikationen, die zum Beispiel in der chemischen Prozesstechnik wichtig sind, wenn es darum geht, den Inhalt eines chemischen Reaktors ortsaufgelöst ohne Probennahmen zu charakterisieren, um dadurch ein besseres Verständnis zu generieren, wie zum Beispiel chemische Produktionsprozesse tatsächlich in größeren Reaktoren ablaufen."

    Dadurch können in Zukunft solche chemischen Produktionsprozesse weiter optimiert werden.